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Schnipp, schnapp, Schlips ab

Von Raimund Leonhardt 23.02.2006, 18:58

Köthen/MZ. - Richter verteidigte seine Ehre als Mann: Als die sechs Damen mit den Scherenhänden nahten, warf er seine Bürotür zu und sperrte sie von innen ab. Auf das Klopfen und Rufen der Abschneiderinnen reagierte er nicht. Wie eine der Akteurinnen wusste, trug Richter auch an diesem Weiberfastnachtstag eine "sehr gute" Krawatte, "weil ja abends Stadtratssitzung ist", die er auf jeden Fall behalten wollte.

OB Kurt-Jürgen Zander schloss sich zwar nicht in seinem Büro ein. Aber auch er setzte sich zur Wehr, indem er sich geschickt hinter einem Mauervorsprung in seinem Zimmer versteckte. Ganz in die äußerste Ecke gedrückt, hinter einer Tafel getarnt, entdeckten ihn die Scherenfrauen zunächst wirklich nicht. Vielmehr glaubten sie, Sylke Rolle, die Sekretärin des Rathauschefs, hätte ihm die Flucht ermöglicht.

Nach gründlichen Blicken in den Schrank und unter dem Tisch fanden Angela Modrey, Diana Vogel, Ines Kuhn, Andrea Frömmigen, Nicole Borgards und Marina Kornitz den Gesuchten dann aber doch in seinem Versteck. Dann ging es, ritsch, ratsch, schnell. Jede der Scherenträgerinnen suchte sich eine Ecke des blassgelben Ornamentbinders aus und ließ ihr Werkzeug sprechen. Das abgeschnittene Stück vom Schlips des Chefs gilt als Trophäe und wird einige Zeit an der Pinnwand aufgehängt.

"Der ist froh, dass das Ding ab ist", kommentierten die Fastnächtlerinnen ihr Werk und stießen im Anschluss, gemeinsam mit ihrem Opfer und einem Gläschen Sekt, auf die gelungene Aktion an. "Dabei wird es immer schwieriger, Frauen zu überreden, an der Scherenattacke teilzunehmen", beklagt sich Angela Modrey, die als Rädelsführerin genannt werden kann. "Die Jugend rutscht nicht nach", begründet sie.

Zander sieht den Überfall, der von einigen Fernsehkameras und Photo-Apparaten festgehalten wurde, als Auftakt für den Köthener Rosenmontag. Bereits seit seiner Dezernentenzeit macht er den Spaß mit, bei dem er immer eine seiner "Lieblingskrawatten opfert", die ihm morgens seine Frau heraus lege.

Was von den Frauen ganz anders gesehen wird: Er habe im Vorjahr genügend "grässliche Dinger bekommen", um die es keinesfalls zu schade wäre. Egal, wie: Der Bürgermeister oder welcher Mann des Rathauses auch immer, habe während des Weiberfaschings nichts zu sagen, bekräftigen die Schnipplerinnen und lassen ihre Scheren auf und zu schnappen. "Die Männer sind heute abgemeldet", verbreiten sie feministischen Frohsinn.

Zur Weiberfastnacht im Rathaus gehören auch Anekdoten. So sei der Tiefbauamtsleiter "beinahe geplatzt", als ihm die Schererinnen vor zwei, drei Jahren "sein bestes Stück", eine wirklich teure Krawatte, zerstückelten. "Wir haben ja nicht mehr viele Männer im Rathaus" bedauern die Frauen ihre Situation, wollen aber an der Weiberfastnacht unbedingt fest halten.