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Brauchtum Brauchtum: Was bitte ist Klootschießen?

Von Heiko Lossie 03.03.2008, 10:22
Die Kombo zeigt den 13-jährigen Keno auf dem Hinterhof seiner Eltern in Hollwege (Kreis Ammerland) beim Klootschießen. (Foto: dpa)
Die Kombo zeigt den 13-jährigen Keno auf dem Hinterhof seiner Eltern in Hollwege (Kreis Ammerland) beim Klootschießen. (Foto: dpa) dpa

Hollwege/dpa. - Dannsprintet er über einen Teppich, rudert den ausgestreckten Arm nachhinten, springt in die Höhe und knallt mit den Füßen auf eine Rampe.In diesem Moment katapultiert sich die Kugel in hohem Bogen ausseiner Hand. «Ja, das war schön locker», brüllt Kenos Vater Jan-DirkVogts, der 60 Meter entfernt in Gummistiefeln auf einem Acker steht.Mit einem Spaten buddelt er die Kugel aus dem Boden. Keno Vogts hatsoeben Klootschießen demonstriert - den Exoten-Sport der Friesen.

Kenos Vater Jan-Dirk kommt vom Acker gestapft und bringt dreigeworfene Kugeln zurück. Klootschießen gebe es schon seit 300 Jahren.Wie der Sport entstand, sei nicht genau belegt. «Eine Theorie ist,dass die Friesen früher Kugeln an Leinen banden und damit Treibgutaus dem Meer fischten», sagt Vogts. Der 50-Jährige aus demniedersächsischen Hollwege ist Präsident des FriesischenKlootschießer-Verbandes (FKV). Ebenso gut könne es aber sein, dasssich die Friesen früher mit den Kugeln verteidigten, meint Vogts. Erschätzt, dass heute nur noch wenige hundert Menschen den Sportbeherrschen.

Unter ihnen gilt Keno als hoffnungsvolles Talent. 59 Meter beträgtsein persönlicher Weitwurf-Rekord - und ein paar Jahre hat er ja nochzum Wachsen und Trainieren. «Für den Sport habe ich viel übrig», sagtder 13-Jährige. Vielleicht schafft er es ins Nationalteam. Dastrainiert derzeit für die Klootschießer-Europameisterschaften, die imMai in Irland anstehen. «Wir sind Titelverteidiger», sagt Vogts.

Mit 42 000 Mitgliedern stellten die Friesischen Klootschießer denmit Abstand größten Verband. Unter seinem Dach sind auch die Straßen-Boßler organisiert, deren Sport bekannter ist als das Klootschießen.

Bei der EM gingen auch Werfer aus Schleswig-Holstein, Holland,Irland, Frankreich, Italien und Spanien an den Start. Die einzelnenDisziplinen variierten in den jeweiligen Ländern. Alle sind in der«International Bowlplaying Association» vertreten, deren Präsidentebenfalls Jan-Dirk Vogts ist. Den gemeinsamen Wettkampf bei der EMmachen einheitliche Regeln möglich, die über Kugeln, Strecken, undWurfdisziplinen bestimmen. Beim Klootschießen werden generell zweiArten unterschieden: Wird beim Standkampf die Länge der Würfeaddiert, gilt es im Feldkampf, die Strecke einer vorher abgestecktenBahn mit möglichst langen, aber auch gezielten Würfen zurückzulegen.

Der Feldkampf geht auf die Urform des Klootschießens zurück. «Diewar nur im Winter möglich, wenn der Boden hartgefroren war», erklärtJan-Dirk Vogts. Mannschaften aus sieben Wettkämpfern starten dabei aneinem Ausgangspunkt und werfen je viermal. Dort wo die Kugel liegenbleibt, wird die Rampe für den nächsten Wurf aufgebaut. Wer diegrößte Strecke auf dem abgesteckten Kurs zurücklegt, hat gewonnen.Dabei wird kein Zentimeter verschenkt. «Bleibt die Kugel etwa ineinem Graben liegen, wird schon einmal eine Brücke improvisiert, aufdie die Rampe kommt», sagt Vogts. Nur seien die vergangenen beidenWinter leider zu mild für das traditionelle Sport-Schauspiel gewesen.

Derzeit laufen die nationalen Vorentscheide für den EM-Kader. «Fürunser Team sieht das mit der Titelverteidigung sehr gut aus», sagtKlootschießer Hans-Georg Bohlken aus Zetel (Niedersachsen). Der 40-Jährige ist dreifacher Einzel-Europameister. Er sicherte sich 1984,1988 und 1992 den Hattrick - als er noch Marken von 105 Meternerreichte. Noch heute wirft er mehr als 90 Meter und trainiertmehrmals wöchentlich. Trotz der wenigen Klootschießer mangele esDeutschland nicht an Talenten. «Der Keno zum Beispiel hat das richtiggut drauf», lobt Bohlken. «Wenn der so weitermacht, ist er 2012 beider EM in Italien dabei.»

Tief in den Acker gegraben liegt in Hollwege (Kreis Ammerland) eine Kugel, die beim Klootschießen benutzt wird in der Erde. (Foto: dpa)
Tief in den Acker gegraben liegt in Hollwege (Kreis Ammerland) eine Kugel, die beim Klootschießen benutzt wird in der Erde. (Foto: dpa)
dpa