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Respektiert und geliebt Beatrix - die Pflichtbewusste

Beatrix kann sich nun in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen.

Beatrix kann sich nun in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen.

(Foto: REUTERS)

33 Jahre lang ist Königin Beatrix niederländisches Staatsoberhaupt. Am Ende ihrer Regentschaft genießt sie bei ihrem Volk ein hohes Ansehen. Mit der Abdankung setzt Beatrix die Tradition ihrer Vorgängerinnen Wilhelmina und Juliana fort. Ihrem Sohn Willem-Alexander wird sie aber mit Ratschlägen zur Seite stehen.

Es ist für Beatrix kein optimaler Start als niederländische Königin. Das Jahr 1980 ist im Land der Tulpen, Grachten und Windmühlen ein stürmisches. Soziale Unruhen erschüttern es. Die Regierung des Christdemokraten Dries van Agt sieht sich einer Protestwelle vor allem von Hausbesetzern gegenüber. In mehreren Städten kommt es zu Krawallen. Die Schlachtrufe "Geen woning, geen kroning" (Keine Wohnung, keine Krönung) gehen um die Welt. Mit einem riesigen Polizeiaufgebot müssen die königliche Familie und die zahlreichen Gäste aus dem In- und Ausland vor wütenden Demonstranten geschützt werden. In der Hauptstadt Amsterdam lässt die Armee sogar Panzer gegen die Hausbesetzer auffahren.

Beatrix mit Prinz Claus am 30. April 1980: Die Monarchin leistet den Eid auf die Verfassung.

Beatrix mit Prinz Claus am 30. April 1980: Die Monarchin leistet den Eid auf die Verfassung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es ist der 30. April dieses unruhigen Jahres, der sogenannte Koninginnedag (Königinnentag) - der Geburtstag von Beatrix' Mutter Juliana. Die 71-Jährige verlässt den Thron zugunsten ihrer 42 Jahre alten Tochter. Als Beatrix und ihr Mann Prinz Claus die Amsterdamer Nieuwe Kerk betreten, ertönt die Nationalhyme: "Wilhelmus van Nassouwe ben ik, van Duitsen bloed, den vaderland getrouwe blijf ik tot in den dood…" (Wilhelm von Nassau bin ich, von deutschem Blut, dem Vaterland getreu bleib' ich bis in den Tod) - ein Hinweis auf die deutschen Wurzeln des Königshauses Oranien-Nassau. Es ist keine Krönung, sondern lediglich eine Amtseinführung. Der jungen Königin wird durch ihre Untertanen auf zeremonielle Weise gehuldigt. Krone, Zepter und Reichsapfel bleiben auf dem sogenannten Kredenztisch neben einem Exemplar des Grundgesetzes liegen. Die Parlamentsabgeordneten schwören der Monarchin die Treue. Diese legt selbst einen Eid auf die Verfassung ab.

Königin Beatrix wird 33 Jahre lang ihrem Land als Staatsoberhaupt dienen - Jahre mit vielen Höhen, aber auch Tiefen. Sie schafft es, die Mehrheit der Niederländer wieder hinter dem Königshaus zu versammeln. Beatrix, zu Beginn ihrer Regentschaft überwiegend respektiert, aber nicht geliebt, erobert die Herzen ihrer mitunter sehr schwierigen Untertanen. Mit sich im Reinen, zieht sie sich nun auf ihr geliebtes Schloss Drakensteyn, das auf einem 20 Hektar großen Grundstück liegt, zurück. Für Beatrix schließt sich ein Kreis: Sie verbrachte auf dem Anwesen als Prinzessin viele Jahre mit Ehemann Claus sowie den Kindern Willem-Alexander, Johan Friso und Constantijn.

Deutschland spielt eine wichtige Rolle

Beatrix hat zum Zeitpunkt der Thronbesteigung bereits bewegte Jahre hinter sich. Sie ist gerade einmal zwei Jahre alt, als Adolf Hitler im Mai 1940 die deutsche Wehrmacht in die Niederlande einmarschieren und ein mörderisches Besatzungsregime installieren lässt. Ihre Großmutter Königin Wilhelmina und die royale Familie fliehen nach Großbritannien und kehren 1945 in ihre Heimat zurück. Beatrix darf nur kurze Zeit ein unbeschwertes Kinderleben führen, denn 1948 löst ihre Mutter Juliana Wilhelmina auf dem Oranje-Thron ab. Mit gerade einmal zehn Jahren beginnt für Beatrix bereits die Vorbereitung auf ihr Königinnen-Dasein - offiziell wird sie an ihrem 18. Geburtstag am 31. Januar 1956 Thronfolgerin.

Vom Charakter her unterscheiden sich Beatrix und Juliana. Die junge Oranje-Prinzessin, die 1961 einen Abschluss in Rechtswissenschaften macht, ist ein eher nüchterner Mensch. Bis heute wirkt sie sehr kontrolliert mit Hang zur Perfektion. Damit nervt sie mitunter auch ihre Familie. "Ihr Perfektionismus ist eine bemerkenswerte Eigenschaft. Das macht es denen, die mit ihr arbeiten, nicht immer leicht", sagte Ehemann Claus einmal. Beatrix' Mutter ist volksnaher und pflegt keine so große Distanz zu ihren Landsleuten wie später ihre Tochter. Die Anrede "Eure Majestät" ist während Julianas Regentschaft selten zu vernehmen. Ein jahrelanges Abhängigkeitsverhältnis mit der Geistheilerin Greet Hofmans - wie bei Königin Juliana geschehen - wäre bei Beatrix undenkbar. Diese lässt erst sehr spät einen Blick in ihr Seelenleben zu.

Die Königin und ihre Vorgängerin: Beatrix mit ihrer Mutter Juliana.

Die Königin und ihre Vorgängerin: Beatrix mit ihrer Mutter Juliana.

(Foto: picture alliance / dpa)

Beatrix und die Niederländer: Das ist ein ambivalentes Verhä ltnis. Und Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Hochzeit der Thronfolgerin mit dem Diplomaten Claus von Amsberg am 11. März 1966 sorgt in den Niederlanden für heftige Proteste. Im Parlament gibt es hitzige Debatten, ob einer Hochzeit zugestimmt werden dürfe. Claus' Vergangenheit, vor allem sein Verhalten während der Nazizeit, werden intensiv durchleuchtet und diskutiert. Einer aus dem ehemaligen Besatzerland als Ehemann der zukünftigen Königin - für viele Menschen in Amsterdam, Rotterdam, Den Haag, Groningen und anderswo ist das schlicht undenkbar. Wie sich die Ereignisse gleichen: Auch Juliana hatte es vor ihrer Hochzeit mit Beatrix' Vater Prinz Bernhard zur Lippe-Biesterfeld nicht leicht. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP und in der Reiter-SS waren Gründe für die Ablehnung.

Beatrix heiratet dennoch ihren Claus. Allerdings sind massive Sicherheitsvorkehrungen nötig. Tausende Soldaten und Polizisten schützen das Paar auf seinem Weg vom königlichen Palast auf dem Amsterdamer Damplatz bis zur Westkerk. Protestrufe sind während der Trauungszeremonie zu hören. Der junge Anarchist Peter Bronkhorst zündet sogar eine Rauchbombe. Diese Hochzeit erweist sich später als Glücksfall: Das Paar bekommt drei Kinder. Mit dem Ältesten, Willem-Alexander, wird erstmals seit 123 Jahren wieder ein Mann höchster Repräsentant der Niederlande. Prinz Claus wird später auch das beliebteste Mitglied der Königsfamilie. Sein Engagement für die Länder der sogenannten Dritten Welt sowie seine bockige Einstellung zum steifen Hofzeremoniell kommen bei den Niederländern gut an. Claus wird der wichtigste Ratgeber für seine Frau. Als ehemaliger Diplomat ist er Beatrix während ihrer Regenschaft eine große Hilfe.

Eine sehr politische Königin

Bei Beatrix' Thronbesteigung gibt es eine Debatte über die Monarchie, die es in den Niederlanden erst seit 200 Jahren gibt. Die hohen Kosten für das Oranje-Haus sind ein Thema. Die neue Regentin darf keine großen Fehler machen - das gelingt ihr auch. Sie zeigt unermüdlichen Einsatz für ihr Land. "Ich habe es immer als ein Vorrecht betrachtet, einen großen Teil meines Lebens in den Dienst unseres Landes zu stellen", so Beatrix in ihrer Abdankungsrede. Sie macht sich an die Arbeit, optimiert die Arbeitsvorgänge im Palast und mischt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten als konstitutionelle Monarchin ins politische Geschehen ein. Hofkenner äußern, dass die Königin dabei ihre Grenzen auslotete. Wie die britische Queen Elizabeth II., zu der sie ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, ist Beatrix eine geachtete Gesprächspartnerin für die Regierungschefs - fünf sind es während ihrer Zeit auf dem Thron: Dries van Agt, Ruud Lubbers, Wim Kok, Jan Peter Balkenende und Mark Rutte. Die komplizierte politische Konstellation in den Niederlanden - dort gibt es keine dominierende Partei -  zwingt die Königin zum Agieren hinter den Kulissen. Politische Beobachter sprechen von der "Niederlande GmbH" mit Beatrix als Vorstandsvorsitzender.

Ein wichtiges Anliegen der Regentin ist die Integration. Aufgrund früherer Kolonien und durch Einwanderung haben die Niederlande einen Ausländeranteil von rund 20 Prozent. Beatrix mischt sich in die Debatte ein, nimmt Stellung gegen rechtspopulistische Scharfmacher wie den 2002 ermordeten Pim Fortuyn und Geert Wilders. Wilders' Islamkritik könne in Hass auf Muslime umschlagen, warnt sie.

Königin Beatrix ist natürlich auch Thema für die Klatschpresse. Dabei ist sie eine Frau mit einem beachtlichen intellektuellen Niveau. Sie interessiert sich für Kunst und Kultur, auch wissenschaftlichen Themen ist sie nicht abgeneigt. Schlagzeilen macht aber ihre Hutkollektion mit extravaganten Kreationen. Dazu wartet sie mit adretten Kleidern auf. An ihrer stets akkuraten Frisur ändert sie nichts. Für Modekenner ist dies ein Zeichen, dass Beatrix eine Konservative ist.

Trauer um Prinz Claus.

Trauer um Prinz Claus.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Auch die Familie rückt mehr in den Mittelpunkt. De r traditionelle Winterurlaub im österreichischen Lech ist ein Dauerthema - erst recht nach dem tragischen Lawinenunfall ihres zweiten Sohnes Johan Friso. Die Eskapaden von Thronfolger Willem-Alexander (seine Feierfreude bringt ihm den Spitznamen Prins Pilsje ein) während seiner Sturm-und-Drang-Zeit treibt Beatrix so manche Sorgenfalte ins Gesicht. Umso glücklicher ist sie, dass er seit der Hochzeit mit der Argentinierin Maxima Zorreguieta 2002 ein solides Lebens als Familienvater führt und bei den Niederländern beliebt ist. Diese mit diplomatischen Mühen vollzogene Vermählung - Maximas Vater war während der Zeit der argentinischen Militärdikatur Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium - ist der positive Höhepunkt des vergangenen Jahrzehnts. Die Südamerikanerin avanciert wegen ihrer freundlichen und unbekümmerten Art zu einer Sympathieträgerin. Davon profitiert auch die bis dahin mitunter steif wirkende Königin. Der Einzug von Maxima ins Könighaus erweist sich für das Haus Oranien-Nassau als Glücksgriff.

Dennoch gibt es auch tragische Ereignisse, die Königin und Volk enger zusammenrücken lassen. Im Oktober 2002 stirbt Prinz Claus nach langem Leiden. Unvergessen sind die Bilder einer weinenden Beatrix während der Trauerfeier in der Nieuwe Kerk zu Delft. 2004 werden ihre Eltern Juliana und Bernhard zu Grabe getragen. Am 30. April 2009 rast beim Koninginnedag in Apeldoorn ein 38-Jähriger mit seinem Auto in eine Menschenmenge - sieben Tote und neun Verletzte sind zu beklagen. Die Polizei wird später von einem Anschlag auf die Königsfamilie sprechen. Dazu kommt der Unfall von Johan Friso, er liegt seitdem im Koma.

Diese Schicksalsschläge werden auch mit dazu beigetragen haben, dass Königin Beatrix im Alter von 75 Jahren abdankt. Das Königshaus aber ist für die neue Zeit gerüstet. Willem-Alexander und Maxima sind dank der umsichtigen und pflichtbewussten Monarchin bereit für ihre Aufgabe. Beatrix wird ihrem Sohn in wichtigen Ratschlägen helfen. Es sieht ganz danach aus, dass Schloss Drakensteyn vorerst kein Ruhesitz wird. Denn für Beatrix wird es keinen Ruhe-, sondern einen Unruhestand geben.

Quelle: ntv.de

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