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Hochaktueller "Tatort" Im Zeitalter des Narzissmus

Mit ziemlicher Sicherheit ein lupenreiner Narzisst: Russlands Präsident Putin.

Mit ziemlicher Sicherheit ein lupenreiner Narzisst: Russlands Präsident Putin.

(Foto: dpa)

Im neuen Kölner "Tatort" will ein tödlich gekränkter Narzisst mithilfe einer Bombe seinen beschädigten Ruf wiederherstellen. Dass das nicht klappen kann, scheint klar - nur von innen sieht das alles wohl ganz anders aus. Der "Tatort" schlägt damit unbewusst und ungwollt eine Brücke zu Putins Angriffskrieg in der Ukraine.

Daniel Huberty (Stephan Kampwirth) ist schwer gekränkt. So schwer, dass er sich rächen muss an all denen, die ihm "Unrecht" angetan haben: An der Staatsanwältin, die ihn zu einer Höchststrafe wegen Missbrauchs verurteilt hat. An dem Immobilienmogul, der seine Nachhilfeschule geschlossen hat. An seiner Ex-Frau, die ihn wegen der ganzen Geschichte verlassen hat und dem Jugendarbeiter, mit dem sie jetzt zusammen ist. Und natürlich an Janas Mutter die ihm die Beziehung zu ihrer Tochter einfach nicht gegönnt hat. Dass Jana erst 14 war und er ihr Lehrer? Egal, es war die "große Liebe". Zumindest in Hubertys Augen.

Will sich per Bombe rehabilitieren: Huberty (Stephan Kampwirth).

Will sich per Bombe rehabilitieren: Huberty (Stephan Kampwirth).

(Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas )

Um sich an all diesen Menschen zu rächen und sich gleichzeitig vom Makel des Kindes-Missbrauchs selbst zu rehabilitieren, nimmt der ehemalige Lehrer im aktuellen Kölner "Tatort" die Passagiere eines Ausflugsschiffs als Geisel. Er droht damit, es mithilfe einer selbstgebastelten Bombe in die Luft zu sprengen, sollten nicht alle seine "Peiniger" an Bord kommen und sich vor laufender Kamera bei ihm entschuldigen.

"Im Zeitalter des Narzissmus"

Dass der Auftakt dieses Texts vor Anführungszeichen nur so strotzt, hat natürlich damit zu tun, dass sich Hubertys Sicht auf die Dinge so massiv von der aller anderen unterscheidet. Der Mann ist ein pathologischer Narzisst wie aus dem Bilderbuch: Er kreist um sich selbst, ist sozusagen seine eigene Sonne. Und, wie die Drehbuchautoren Eva Zahn und Volker A. Zahn über ihre Figur sagen: "Gesetze, Moral und die Empfindungen oder Ängste anderer Menschen blendet er dabei völlig aus. Es geht ihm allein um seine Agenda."

Dabei ist Huberty wie alle Narzissten sehr sensibel und wahnsinnig leicht kränkbar, wenn es um seine eigene Person geht. So leicht, dass seine Reaktion so extrem ausfällt, dass sie von außen kaum zu verstehen ist. Nur in Hubertys Welt lässt sich mithilfe einer Bombe und erzwungener Entschuldigungen Wiedergutmachung erreichen - wohlgemerkt an ihm und nicht an dem Mädchen, dass er zum Sex verführt und dabei nachhaltig verstört hat.

Das Thema selbst ist hochaktuell: "Man kann ohne Pathos sagen, dass wir im Zeitalter des Narzissmus leben", sagte der österreichische Psychologe und Autor des Buchs "Die Macht der Kränkung" Reinhard Haller etwa treffend vergangenes Jahr im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Natürlich wird nicht jeder Narzisst direkt zum Mörder, ganz im Gegenteil: "Ein gesundes Maß an Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen, auch eine gewisse Manipulationsfähigkeit sind wohl nötig, um erfolgreich zu sein", skizziert Haller den aktuellen Zeitgeist.

"Der bösartige Narzisst"

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Nun kann man natürlich ein System, das solche Auswüchse und Geisteshaltungen fördert, grundlegend in Frage stellen, Fakt ist aber: Narzissten, die ja per Definition völlig von sich selbst überzeugt sind und keine bis kaum Zweifel kennen, haben eine starke Ausstrahlung auf viele Menschen - je komplexer die Welt und ihre Probleme, desto stärker die Anziehungskraft, könnte die passende Faustformel lauten. Anders ist der Aufschwung lupenreiner Narzissten wie Trump, Bolsonaro und Putin kaum zu erklären, selbst wenn diese eine irre Aktion an die andere reihen.

Psychologe Haller ordnete das vergangenes Jahr, lange bevor Putin seinen in jeder Hinsicht wahnsinnigen Angriffskrieg in der Ukraine begann, folgendermaßen ein: "Man sagt ja immer, dass die schrecklichen Despoten und Gewaltherrscher psychisch krank gewesen sind. Es beruhigt uns, wenn wir sagen können: So eine Bluttat kann nur einem kranken Hirn entspringen. Aber dieser Annahme bin ich nicht. In Wahrheit sind es bösartige Narzissten. Und der bösartige Narzisst handelt immer auf Kosten anderer; er muss die anderen niedermachen. Darum müssen bösartige Narzissten immer entwerten, zynisch und sarkastisch sein, in extremen Fällen quälen und töten. Zudem sind sie dissozial, sie machen sich ihre eigenen Gesetze und neigen zum Sadismus. Und sie sind, das macht sie besonders gefährlich, paranoid."

Quelle: ntv.de

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