Politik

Warum ist May so unbeliebt? "Es ist wirklich fast alles danebengegangen"

Theresa May ist eine Premierministerin auf Abruf, sagt Großbritannien-Experte Herhard Dannemann.

Theresa May ist eine Premierministerin auf Abruf, sagt Großbritannien-Experte Herhard Dannemann.

(Foto: REUTERS)

Die Queen eröffnet an diesem Mittwoch das britische Parlament, doch die Regierung von Premierministerin May wackelt bereits. Großbritannien-Experte Gerhard Dannemann sieht Mays Straucheln auch in ihrem Auftreten begründet: "May wirkt hölzern, ihre Aussagen wie vorgefertigt und auswendig gelernt."

n-tv.de: Theresa May hat sich mit den Neuwahlen verzockt, die Umfragewerte fallen. Warum verlieren die Briten das Vertrauen in ihre Premierministerin?

Gerhard Dannemann hat den Lehrstuhl für englisches Recht sowie britische Wirtschaft und Politik am Großbritannien-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin inne.

Gerhard Dannemann hat den Lehrstuhl für englisches Recht sowie britische Wirtschaft und Politik am Großbritannien-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin inne.

(Foto: HU Berlin)

Gerhard Dannemann: Ihre Rechnung mit den vorgezogenen Neuwahlen ist nicht aufgegangen. Es gab im Parteiprogramm einige Ungereimtheiten. Vor allem die übertriebene Härte bei den Sozialausgaben hat May geschadet – Stichwort: Demenzsteuer. Pflegebedürftige sollen erst ihr Vermögen aufbrauchen, bevor staatliche Ersatzleistungen eintreten. Das war sehr, sehr unglücklich.

So wie das Auftreten der Premierministerin …

Ihre Wahlkampfauftritte waren tatsächlich nicht gelungen. Es klang alles so wie vorher schon komplett durchgespielt. May ist gar nicht richtig eingegangen auf die Fragen der Leute, die sie getroffen hat. Sie hat sich geweigert, mit ihrem Labour-Kontrahenten Jeremy Corbyn gemeinsam aufzutreten. Da ist wirklich fast alles danebengegangen.

Wie bewerten die Briten Mays Auftritte nach den Schreckensmeldungen der vergangenen Wochen?

Die liefen nach demselben Muster wie ihre Wahlkampfauftritte. May wirkte hölzern, ihre Aussagen wie vorgefertigt und auswendig gelernt. Es war nach der Brandkatastrophe in London schwer zu vermitteln, dass sie zunächst nicht mit Opfern, Familienangehörigen und freiwilligen Helfern sprechen wollte, sondern nur mit den professionellen Helfern. Dafür mag es Sicherheitsgründe gegeben haben, doch das ist jedenfalls sehr schlecht vermittelt worden. Insgesamt hat diese Krise weiter dazu beigetragen, dass May an Popularität verloren hat.

Wird May denn nicht beraten?

Sie ist wahrscheinlich von Natur aus nicht der Charakter, der charismatisch ist und die Massen mitreißt. May ist technisch versiert, hat eine ungeheure Detailkenntnis und klare politische Zielvorstellungen. Und manchmal kommt so ein Politikertypus besser an und manchmal schlechter. Angela Merkel ist ja zum Beispiel auch nicht als besonders charismatisch bekannt, aber das nehmen ihr viele nicht übel. Bei May gab es jetzt eine Sequenz von Ereignissen, bei denen sich das sehr negativ auf ihre Beliebtheit ausgewirkt hat. Gerade bei einer Katastrophe wie dem Hochhausbrand mit inzwischen fast 80 Toten hätte man schon wärmere Worte erwartet.

Wie fest sitzt May überhaupt noch im Sattel? Schließlich sollen führende Tories ihren Sturz betreiben …

Das größte Pfund von May ist die Instabilität. Es wäre schwer, sie jetzt abzusetzen, ohne eine neue Krise auszulösen. Und was die Tories auf jeden Fall vermeiden wollen, sind nochmal Neuwahlen. Hinter den Szenen wird sicherlich an einer stabilen Übergangslösung gearbeitet, bis May dann irgendwann, vielleicht in sechs Monaten, vielleicht in zwei Jahren, durch jemand anderes ersetzt wird. Aber da gibt es noch nicht den großen Plan, soweit ich das sehen kann. Die möglichen Personen, die May beerben könnten, haben sich öffentlich alle hinter sie gestellt.

Wer ist da zu nennen?

Da sind ziemlich viele ihrer Minister im Kabinett, die infrage kämen: Innenministerin Amber Rudd oder Brexit-Minister David Davis, dann Schatzkanzler Phil Hammond, vielleicht auch Boris Johnson oder Michael Gove. Sie alle sagen derzeit, es gehe jetzt vorrangig darum, die anstehenden Aufgaben zu erledigen. Aber keiner von ihnen hat gesagt, dass May die Person sei, mit der man in den Wahlkampf 2022 ziehen würde. Und das kommt mir auch sehr unwahrscheinlich vor.

Die anstehenden Aufgaben, das sind ja im Wesentlichen neben der Bewältigung der terroristischen Bedrohung die Aushandlung des Brexit. Wie verlässlich kann eine angeschlagene May jetzt noch in Brüssel auftreten?

Einerseits ist das schon eine Regierung auf Abruf, bei der man jederzeit damit rechnen muss, dass sie kollabiert. Das weiß man in Brüssel natürlich auch. Andererseits hat man vor der Wahl auch gesagt, selbst wenn sich May eine Riesenmehrheit im Parlament holt, werde das an den Interessenlagen und den zu lösenden Problemen nichts ändern. Das ist jetzt auch bei diesem Wahlausgang im Prinzip richtig. In diesem Sinne hat sich aus der Brüsseler Perspektive relativ wenig geändert.

Mit Gerhard Dannemann sprach Johannes Graf

Quelle: ntv.de

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