Politik

CDU lädt sich einen Grünen ein Merz kann auch anders

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Ralf Fücks brachte zur Diskussion mit Friedrich Merz und Carsten Linnemann seinen Rauhaardackel mit. Der verhielt sich allerdings ruhig.

Ralf Fücks brachte zur Diskussion mit Friedrich Merz und Carsten Linnemann seinen Rauhaardackel mit. Der verhielt sich allerdings ruhig.

(Foto: dpa)

Die CDU diskutiert an diesem Samstag ihr neues Grundsatzprogramm. Nach scharfen Attacken gegen die Grünen spricht Friedrich Merz zum Auftakt ausgerechnet mit einem Gast, der als grüner Vordenker gilt. Er erntet sowohl Murren als auch Applaus.

Parteien laden sich gern mal Gäste ein, mit denen sie demonstrieren können, dass sie offen sind für neue Gedanken. Je nach Gast kann das riskant sein. Die CDU ist bei ihrem Grundsatzkonvent in Berlin ziemlich weit ins Risiko gegangen: Sie hat Ralf Fücks eingeladen.

Fücks ist Gründer der Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne, davor war er Chef der grünnahen Heinrich-Böll-Stiftung - und er ist seit 41 Jahren Grünen-Mitglied. Vor der CDU hält Fücks keine Rede, sondern diskutiert, moderiert von CDU-Vize Carsten Linnemann, mit dem Parteivorsitzenden Friedrich Merz - dem Merz also, der den Grünen erst kürzlich eine "penetrant vorgetragene Volkserziehungsattitüde" vorgeworfen hat. Auch natürlich mit dem Merz, der aus Sicht vieler Grüner ständig übers Gendern spricht und damit die AfD-Themen hoffähig macht.

Nicht nur Grüne sehen das so. Ein Gastbeitrag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" war ebenfalls als Mahnung Richtung Merz verstanden worden, es mit Kulturkampf und Polarisierung nicht zu übertreiben. "Wer nur die billigen Punkte macht und den Populisten hinterherrennt, der legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos", lautete einer der Kernsätze des Textes, den man auf einer machtpolitischen Ebene allerdings auch als Beitrag in einem unterschwelligen Kampf um die Kanzlerkandidatur lesen kann.

"Die AfD diktiert uns doch nicht den Sprachraum"

Aber der Merz, der damit gemeint gewesen sein dürfte, steht hier im Tagungshotel in Berlin gar nicht auf der Bühne, auch schon am Vortag nicht bei einem kleinen Parteitag der CDU. Merz plädiert zwar dafür, dass sich eine Partei wie die Union von der AfD nicht die Themen und die Sprache diktieren lassen dürfe: "Wir müssen auch mal in der Lage sein, Probleme im Land mit klaren Worten anzusprechen. Ich nehme das für mich in Anspruch. Das ist dann auch nicht 'rechts' und kein 'AfD-Sprech'. Die AfD diktiert uns doch nicht den Sprachraum, den bestimmen wir selbst." Im Vergleich zu früheren Aussagen klingt Merz hier aber weniger offensiv. Auch Fücks stimmt zu, dass die AfD nicht die Themen der anderen Parteien bestimmen dürfe.

Für das neue Grundsatzprogramm, das die CDU gerade erarbeitet und im kommenden Jahr verabschieden will, schlägt Merz als Arbeitstitel "Sicherheit im Wandel" vor, wobei er anmerkt, dass es am Ende nicht so aussehen werde, weil dabei der für die CDU unerlässliche Begriff "Freiheit" fehle. Die CDU müsse den Leuten das Gefühl geben, dass sie in der Lage sei, die großen Probleme zu lösen.

Das ist der Punkt, wo Fücks und Merz einer Meinung sind. Es gibt auch andere Punkte. Fücks fordert von der CDU, nicht nur - wie Merz das mehrfach getan habe - eine Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen, sondern sich auch davor zu hüten, "das Vokabular der AfD zu übernehmen". An der Reaktion des Publikums blitzt auf, dass diese Frage in der CDU nicht ausdiskutiert ist. Ein Teil des Publikums murrt, ein anderer spendet Beifall.

"Wettbewerb, wer die modernere bürgerliche Partei ist"

Gleichzeitig, so Fücks weiter, müsse sich die CDU natürlich von den Grünen abgrenzen, aber nicht in einer "Äquidistanz zu AfD und Grünen", sondern so, dass auch schwarz-grüne Koalitionen möglich seien. Schließlich seien die Grünen ein potenzieller Partner der Union. Wieder Murren. "Sie müssen die Brücken schlagen, auch zu dieser ökologisch-liberalen, modernen Mitte", beharrt Fücks. "Für mich ist das der eigentliche Wettbewerb zwischen Grünen und CDU, wer die modernere bürgerliche Partei ist." Murren.

Breiten Applaus gibt es, als Fücks sagt, die ökologisch-soziale Marktwirtschaft "müsste doch ein Markenkern der Union sein". Aber dann kritisiert er die CDU dafür, dass sie jetzt auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck einprügele, obwohl der nur umzusetzen versuche, was unter Bundeskanzlerin Angela Merkel beschlossen worden sei: Klimaneutralität bis 2045.

Das sei ein ganz spannender Punkt, steigt Merz wieder ein. "Wir sind uns ja im Ziel einig." Die Dramatik des Klimawandels unterschätze "hier im Raum niemand". Aber die aktuelle Klimapolitik der Ampel strebe dieses Ziel "um den Preis einer massiven Beschädigung der Institutionen unserer Demokratie" an, wirft Merz der Ampel vor. Einen so respektlosen Umgang mit dem Bundestag habe er noch nicht erlebt. Ähnlich hatten sich die Redner der Union am Donnerstag im Bundestag geäußert. Merz wirft Habeck auch vor, Klimapolitik ohne und gegen die Bevölkerung zu machen.

Merz macht am Ende der Debatte noch deutlich, wo für ihn die Prioritäten der CDU liegen: erstens bei der Bildung, weil es am Ende sehr viel teurer werde, wenn man die Schulen und die Schüler vernachlässige. Aus Sicht der Union liegt hier der Kern von Chancengerechtigkeit. Punkt zwei in seiner Prioritätenliste ist "Sicherheit im umfassenden Sinne", vor allem militärische Sicherheit. Er deutet an, dass die Kosten für diese Prioritäten eine Umschichtung im Haushalt nötig machen werden, und spricht in diesem Zusammenhang davon, dass der Sozialbereich einen Umfang von einer Billion Euro habe. "Das zu sagen und zu schreiben, das wird wahrscheinlich die schwerste Aufgabe sein, vor der wir in den nächsten Monaten stehen", so Merz.

Quelle: ntv.de

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