Politik

Juso-Vorschlag setzt sich durch SPD will Superreichen ans Vermögen

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Bundeskanzler Scholz dürfte mit dem "Goodbye, Schuldenbremse" des Juso-Vorsitzenden nicht einverstanden sein.

Bundeskanzler Scholz dürfte mit dem "Goodbye, Schuldenbremse" des Juso-Vorsitzenden nicht einverstanden sein.

(Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)

Überraschender Schwenk beim Bundesparteitag der SPD: In gleich zwei Punkten setzen die Jusos weitreichende Änderungen im Leitantrag zu den politischen Vorhaben der kommenden Jahre durch. Das betrifft einmal die Reform der Schuldenbremse und - noch bedeutsamer - die Besteuerung großer Vermögen.

Am ersten Tag des Bundesparteitags der SPD sorgt die Parteinachwuchsorganisation Jusos für gleich zwei handfeste Überraschungen. Sowohl bei den Plänen zu einer Reform der Schuldenbremse als auch bei der stärkeren Einbeziehung reicher Menschen an der Finanzierung der Staatsaufgaben wurde der Leitantrag mit dem Titel "Zusammen für ein starkes Deutschland" am Nachmittag verändert. Während sich der Parteivorstand beim Umgang mit der Schuldenbremse auf eine Kompromissformel einließ, wurde er in der Frage mit dem Umgang großer Vermögen unerwartet und deutlich überstimmt. Die Partei will nun, "dass diejenigen, die über die höchsten Vermögen in unserem Land verfügen, zusätzlich eine einmalige Vermögensabgabe leisten", heißt es im verabschiedeten Leitantrag.

Dem Parteivorstand hatte eine "temporäre Krisenabgabe" vorgeschwebt, die reichensteuerpflichtige Einkommenssteuerzahler zahlen sollten. Diese hätte sich am Prinzip des Solidaritätszuschlags zur Finanzierung der Wiedervereinigungskosten orientiert, den ohnehin nur noch die obersten zehn Prozent der Einkommen zahlen. Nach diesem Muster sollten Spitzenverdiener künftig eine Art "Zukunfts-Soli" zahlen. Betroffen wären demnach Menschen mit einem steuerpflichtigen Einkommen von mindestens 277.826 Euro. Vorteil des ursprünglichen Konzepts: Das Vorgehen ist bewährt und fußt auf einer vergleichsweise simplen Bemessungsgrundlage. Nachteil: Es werden nur Einkommen erfasst, nicht Besitztümer und deren Wertsteigerungen von Superreichen. An genau die wollen die Jusos aber auch ran.

Aus dem Antrag geht aber nicht hervor, wie die Vermögen künftig bemessen werden sollten und ab welcher Untergrenze diese Abgabe in nicht genannter Höhe zu zahlen wäre. In der jetzigen Regierungskoalition mit der FDP ist eine Realisierung ohnehin nicht denkbar. Der Leitantrag soll im Wesentlichen Ziele und Ideen der SPD festschreiben, die sie bei entsprechender Gestaltungsmehrheit umsetzen möchte. Dennoch markiert die Abstimmung eine Niederlage für den Parteivorstand um die gerade wiedergewählten Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie den Generalsekretär Kevin Kühnert.

"Goodbye, Schuldenbremse"

Auch an anderer Stelle hat die SPD-Spitze eine Niederlage befürchtet: bei der Forderung der Jusos, die Schuldenbremse nicht nur zu reformieren, sondern ganz abzuschaffen. Weil die Stimmung im Saal eine Mehrheit für das Juso-Ansinnen andeutete, einigten sich beide Seiten auf eine Kompromissformel. Nun heißt es im Leitantrag: "Starre Begrenzungen der Kreditaufnahme von Bund und Ländern, wie wir sie derzeit in den Verfassungen vorfinden, lehnen wir ab. Sie verhindern Investitionen und beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit des Staates." Aus Sicht der Jusos wäre eine Reform der Schuldenbremse damit nicht länger auf eine Öffnung für Investitionen beschränkt. Auch Schulden für konsumptive Staatsausgaben sollten ermöglicht werden.

"Goodbye, Schuldenbremse", kommentierte der neu gewählte Juso-Vorsitzende Philipp Türmer das Ergebnis. "Heute hat die SPD auf ihrem Bundesparteitag mit breiter Mehrheit die Ablehnung der Schuldenbremse als starre Schuldengrenze beschlossen." Der Staat werde bei einer derart geänderten Schuldenbremse "in allen Bereichen" des Staates handlungsfähig, nicht nur bei Investitionen. "Dieser Beschluss ebnet auf Bundes- und Landesebene den Weg, die Schuldenbremsen für ein Gelingen der sozial-ökologischen Transformation und eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts endlich loszuwerden."

Unklar ist, ob auch der Parteivorstand den Beschluss entsprechend deutet. Es sei "wichtig, dass wir zeigen, dass mit dem hart erwirtschafteten Steuergeld (…) vernünftig umgegangen wird", sagte etwa Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz gilt grundsätzlich als Befürworter einer Schuldenregel, die einer uferlosen Staatsverschuldung einen Riegel vorschiebt. Mit der FDP in der Regierung ist eine so weitgehende Änderung ohnehin nicht machbar. Zudem bräuchte die Ampel für eine grundgesetzändernde Mehrheit die Zustimmung der Union, die eine Reform der Schuldenbremse bislang ebenfalls ablehnt.

Eine Million neuer Jobs, weniger Steuern für 95 Prozent

Im Zentrum des Leitantrags "Zusammen für ein starkes Deutschland" steht ein großangelegtes Modernisierungsprogramm für die Bundesrepublik. Bis 2030 will die SPD eine Million neue Arbeitsplätze durch den Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft schaffen. Bis dahin sollen im Rahmen eines "Deutschlandfonds" jährlich 100 Milliarden Euro zusätzlich in "Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung und den klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft" investiert werden.

Sieg für den neuen Juso-Chef: Philipp Türmer auf dem SPD-Bundesparteitag.

Sieg für den neuen Juso-Chef: Philipp Türmer auf dem SPD-Bundesparteitag.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ein Großteil der Investitionen soll aus der Privatwirtschaft kommen. Der "Deutschlandfonds" sieht vor, bürokratische Hürden für staatliche und private Geldgeber abzubauen. "Jeder Euro, der in die Modernisierung des Landes fließt, ist ein Euro in unseren zukünftigen Wohlstand, in zukünftige Jobs und gute Löhne für die Menschen in Deutschland", heißt es in einem SPD-Papier zum Leitantrag.

Zudem will die SPD die Einkommenssteuer reformieren. Ziel sei, dass "95 Prozent der Steuerzahlenden mehr Geld in der Tasche haben". Auch an die Erbschafts- und Schenkungssteuer wollen die Sozialdemokraten ran. Multimillionäre und Milliardäre sollen sich "stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls" beteiligen. Die Mehreinnahmen sollen vollumfänglich in die Bildung fließen. Zugleich möchte die SPD die Freibeträge anheben.

Quelle: ntv.de

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