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Gipfel sucht Weg aus der Krise UN warnen vor Aussterben von einer Million Arten

Die UN beraten über die "Erklärung von Kunming" gegen das Artensterben.

Die UN beraten über die "Erklärung von Kunming" gegen das Artensterben.

(Foto: picture alliance/dpa/XinHua)

Die Mitglieder der Vereinten Nationen haben sich viel vorgenommen. Sie wollen eine Übereinkunft ähnlich dem Pariser Klimaabkommen treffen - dieses Mal für die Biodiversität. Deutschland stellt beim ersten Treffen in Kunming drei konkrete Forderungen, verhält sich bislang aber selbst nicht vorbildlich.

Die Weltgemeinschaft sucht nach einer neuen Strategie, um das dramatische und gefährliche Aussterben der Arten zu stoppen oder zumindest zu bremsen. Die knapp 200 Vertragsstaaten der UN-Konvention für die biologische Vielfalt (CBD) kamen zur 15. Weltnaturkonferenz (Cop15) zusammen, um bis Freitag über Wege aus der Krise zu beraten, die wie die Klimaerwärmung schlimme Folgen habe könnte. Das Treffen findet unter Vorsitz Chinas vor allem virtuell und mit Vertretern vor Ort in der südwestchinesischen Stadt Kunming statt.

Der Weltbiodiversitätsrat warnt vor dem Aussterben von einer Million Arten schon in den nächsten zehn Jahren und dramatischen Folgen für die Lebensgrundlagen der Menschen. Gesunde Ökosysteme und biologische Vielfalt seien die Basis für Wohlstand, Wohlergehen, Ernährung und Gesundheit, mahnen Experten auf dem Treffen. Sie garantierten saubere Luft, Trinkwasser, ertragreiche Böden, ein stabiles Klima und Widerstandsfähigkeit gegen Naturkatastrophen. Mehr als 75 Prozent der Feldfrüchte weltweit, darunter viele Obst- und Gemüsesorten, Kaffee und Kakao sind von natürlichen Bestäubern abhängig. "Die Leistung der Insekten ist für uns unbezahlbar", sagte Florian Titze von der Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF).

Auch kommen rund 70 Prozent der Medizin, die in der Krebsbehandlung genutzt wird, aus der Natur. "Viele dieser genetischen 'Schätze', von denen wir gar nicht wissen, welchen Nutzen sie für die Menschheit haben könnten, haben wir noch gar nicht entdeckt", sagte Titze. Die Delegierten der Cop15 beraten über Ziele für ein neues Rahmenabkommen - vergleichbar mit dem Pariser Klimaabkommen, auch wenn es weniger bindend sein wird. Die Konferenz war im Oktober 2020 geplant, wurde aber wegen der Pandemie verschoben und aufgeteilt. Trotz der Dringlichkeit, gegen das Artensterben vorzugehen, wurden die Erwartungen heruntergeschraubt.

Deutschland soll Hilfen erhöhen

Auf dem Treffen soll nur eine "Erklärung von Kunming" verabschiedet werden. Es soll Verhandlungen im Januar vorbereiten, bevor die Strategie bei einem Präsenztreffen vom 25. April bis 8. Mai in Kunming verabschiedet werden soll. Die Bundesregierung geht engagiert in die Verhandlungen und will die Weltnaturkonferenz für einen "Neustart" nutzen. Umweltverbände kritisieren aber, dass Deutschland weiter 67 Milliarden Euro pro Jahr an "umwelt- und naturschädigenden Subventionen" ausgibt. Auch wird eine Erhöhung der deutschen Finanzhilfen für den Kampf gegen den Artenverlust auf zwei Milliarden Euro im Jahr gefordert. Aktuell beteiligt sich Deutschland jährlich mit 800 Millionen Euro.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller forderte die Industrieländer auf, ihre Mittel zum Erhalt der Biodiversität in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verdoppeln. Als deutschen Beitrag für die kommende Legislaturperiode schlug er eine Milliarde Euro jährlich vor.

Die Uhr tickt. Das weiß auch Umweltministerin Svenja Schulze: "Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat unser Planet in so kurzer Zeit so viele Arten unwiederbringlich verloren", sagte die SPD-Politikerin in Berlin. "Im Schnitt verschwindet alle zehn Minuten eine Art." Das Artensterben sei heute um ein Vielfaches höher als im Schnitt der letzten zehn Millionen Jahre. Der Verlust habe längst auch wirtschaftlich "gravierende Folgen".

Verbände mahnen zur Eile

Drei Ziele verfolgt die Bundesregierung: Erstens mehr und besser verwaltete Schutzgebiete. 30 Prozent der Fläche an Land und im Meer sollen bis 2030 unter Schutz gestellt werden, doppelt so viel wie heute an Land und viermal so viel heute auf dem Meer. Zweitens müsse die Naturverschmutzung zurückgehen - etwa durch Überdüngung, Pestizide und Plastikmüll. "Drittens muss nach Jahrzehnten der Naturzerstörung mit der Weltnaturkonferenz weltweit ein Jahrzehnt der Wiederherstellung der Natur eingeläutet werden", wie Schulze sagt. So sollen in Deutschland konkret etwa Moore, Wälder und Auen wieder in einen naturnahen Zustand gebracht werden.

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Dafür müsse aber die Agrarpolitik verändert werden, sagt die Ministerin. "So wie wir im Moment Landwirtschaftspolitik betreiben, ist sie Teil des Problems und nicht Teil der Lösung." Der Entwurf für das Abkommen sieht auch vor, dass Subventionen für umweltschädliche Industrien um "mindestens 500 Milliarden Dollar pro Jahr" sinken sollen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte, dass diese umweltschädlichen Subventionen nur teilweise abgeschafft werden sollen. In Deutschland umfassen sie laut BUND 67 Milliarden Euro pro Jahr.

Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin, mahnte Eile an: "Wir können es uns nicht noch einmal erlauben wie beim Klimawandel, dass es 30, 40 Jahre braucht, bis es von einer wissenschaftlichen Erkenntnis zu den ersten richtigen Ansätzen politischen Handelns kommt."

Quelle: ntv.de, lve/dpa/rts

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