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Corona-Gipfel der Ratlosigkeit Abgedankt und abgewirtschaftet

Söder, Merkel und Müller nach der Marathon-Sitzung.

Söder, Merkel und Müller nach der Marathon-Sitzung.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Jede Ministerpräsidentenkonferenz dasselbe: Lockdown, Lockdown, Lockdown und bitte bleiben Sie geduldig. Erschreckend ist nicht die beschlossene "Oster-Ruhe", sondern der Mangel an Alternativen - weil es den Regierungen an Mut und Konzepten fehlt.

Merken die das gar nicht? Begreifen die Kanzlerin und die 16 Ministerpräsidenten gar nicht mehr, was sie dem Land und den Menschen gerade zumuten? Das meint in erster Linie nicht den neuerlichen Lockdown über Ostern. Es meint das Bild der Ohnmacht, das sich vor aller Augen entfaltet. Das Bild einer politischen Ratlosigkeit, die geradezu Angst macht.

Das kann so nicht weitergehen, so viel ist wohl klar. Oder will die Runde beim nächsten Mal zwei Tage lang über ihren Beschlüssen brüten, die am folgenden Tag bei 80 Millionen Betroffenen viel mehr Fragen aufwerfen, als sie Antworten bieten? Und wie oft soll es eigentlich noch heißen: "Jetzt aber bitte noch einmal brav sein, damit wir in ein paar Wochen belohnt werden"?

Das wurde den Bürgern vor Weihnachten erzählt und nach Weihnachten. Das wird uns jetzt vor Ostern erzählt - und es glaubt bald niemand mehr. Es ist erschütternd, wie blank Bundesregierung und Länder sind, wenn es um Wege aus dem Teufelskreis der Lockdowns geht. Die wirklich wichtigen Punkte, Impfen und Testen, waren gestern Nacht kaum mehr als eine Randnotiz. Dabei wird in diesen beiden Disziplinen das Spiel gewonnen gegen das Virus - oder verloren.

Das Impfen lahmt weiter

Natürlich kann man rückwirkend nicht mehr heilen, was bei der Impfstoffbeschaffung im vergangenen Sommer schiefgelaufen ist, schlimm genug. Aber man könnte den Mangel, der noch mehr als einen Monat andauern wird, viel besser bewirtschaften - und unterlässt es. Vor drei Wochen schon beschloss dieselbe Runde bei der Kanzlerin, dass nunmehr auch Zweitdosen deutlich mutiger für Erstimpfungen verwendet werden sollen, um mehr Tempo zu erreichen. Haben sich alle Länder daran gehalten? Nein, nur eine Minderheit der Ministerpräsidenten hat diesen Spielraum genutzt. Ihre tranige Pflichtvergessenheit kann ungeimpfte Menschen das Leben kosten und verlängert den zermürbenden Lockdown. Alles egal?

Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, scheint das Machtzentrum nicht mehr zu sein, aus dem heraus man den Ländern Beine machen könnte. Ihr Einfluss erschöpft sich darin, eine weitere Verlängerung des Lockdowns zu erzwingen, weil sie viele wissenschaftliche Argumente auf ihrer Seite hat, da macht ihr keiner etwas vor. Doch genau das ist das Beschämende daran: Es blieb der Runde tatsächlich keine Wahl.

Gelähmt von Ideen- und Mutlosigkeit

Nicht der verschärfte Lockdown über Ostern ist also der Skandal. Der Skandal ist, dass er alternativlos ist. Dass in einem Jahr Pandemie die immergleiche Furche tiefer und tiefer gezogen wird - so tief, dass offenkundig niemand mehr über den Rand gucken kann. Noch einmal: Wie soll das weitergehen?

Am Ende, in einigen Monaten, werden alle, die wollen, in Deutschland geimpft sein und Corona viel von seinem Schrecken verloren haben. Doch was von unserem alten Leben dann noch übrig ist, von den Innenstädten, den Arbeitsplätzen, den Familien und den Schulen - das entscheidet sich jetzt. Es entscheidet sich in einem Moment, in dem die Runde der Ministerpräsidenten bei der Bundeskanzlerin toxisch gelähmt wirkt von der eigenen Ideen- und Mutlosigkeit. Diese Runde hat gestern Nacht abgedankt und abgewirtschaftet. Aber Ersatz ist nicht in Sicht. Es ist zum Verzweifeln.

Quelle: ntv.de

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