Pressestimmen

Zum Ende von Schlecker "Selbstherrlicher Führungsstil"

Lebenswerk zerstört: Anton Schlecker (Archivbild von 1999).

Lebenswerk zerstört: Anton Schlecker (Archivbild von 1999).

(Foto: dpa)

Mit Schlecker verlässt Deutschlands einst größte Drogeriekette den Markt. Obwohl Tausende ihren Job verlieren, hält sich die Trauer bei den deutschen Tageszeitungen in Grenzen. In Kommentaren wird vor allem Firmengründer Anton Schlecker scharf kritisiert.

Die Hauptverantwortung für das gigantische Scheitern liege bei Anton Schlecker selbst, meint der Mannheimer Morgen: "Erst als ihm das Wasser bis zum Hals stand, hat der Patriarch ein Stück weit eingelenkt - doch da war es längst zu spät. Die Quittung für sein unternehmerisches Versagen zahlen nun noch einmal über 10.000 Beschäftigte, die ihren Job verlieren. Dass sich Anton Schlecker bis jetzt nicht zu einem einzigen öffentlichen Wort des Bedauerns durchringen konnte, mag in dem ganzen Drama nur eine Fußnote sein. Es zeigt aber letztlich, dass er auch im letzten Akt offenbar nichts dazugelernt hat."

Auch die Nürnberger Zeitung beschäftigt sich mit Anton Schlecker: "Der ungehobelte und selbstherrliche Führungsstil des Metzgermeisters war eine der Belastungen, die das Gebäude schließlich einstürzen ließen. Der Personenkult - bildlich durch die verpflichtenden Porträts des Gründers in jeder Filiale dokumentiert - den Schlecker inszenierte, machte ihn taub für jedwede Kritik. Und, das war noch schlimmer, für Veränderungen des Marktes. Er ignorierte, dass sich Kunden beim Einkauf auch wohlfühlen wollen. Das schlechte Image des Arbeitgebers Schlecker schreckte sie dabei genauso ab, wie die oft dunklen und engen Filialen mit vollgestopften Regalen."

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Für den Berliner Tagesspiegel ist Schlecker für die Kunden verzichtbar: "Investoren kalkulieren knallhart, das kann man ihnen nicht vorwerfen. Wenn jemand die Belegschaft hätte retten können, dann die Politik. Doch Wirtschaftsminister Philipp Rösler wollte nicht. Eine Bürgschaft, die den Mitarbeiterinnen Zeit verschafft hätte, lehnte der Liberale ab. Stattdessen riet der Minister, nach einer "Anschlussverwendung" zu suchen. Das war im März. Seitdem ist Schlecker tot, egal, was sich Gewerkschaften und Beschäftigte gewünscht haben. Ist das schlimm? Für die Schlecker- Frauen ja. Für die Kunden? Nein. In den Städten sowieso nicht, wo sich die Discounter ballen. Aber auch in der Provinz muss niemand befürchten, dass ihm die Zahnpasta oder das Duschgel ausgehen. Notfalls bestellt man im Internet. Das ist die Gegenwart, Schlecker ist Vergangenheit."

Die Stuttgarter Zeitung schreibt: "Künftig wird es keine Firma  Schlecker mehr geben. Dabei hatte der Inhaber in der Auseinandersetzung mit Verdi längst die weiße Fahne gehisst: Am Schluss gab es in seinem Unternehmen so viele Betriebsräte und Vollzeitstellen wie wohl bei keinem anderen großen deutschen Einzelhändler, es gab eine  Beschäftigungssicherung und flächendeckend tarifliche Löhne. Aus Sicht von Verdi  war Schlecker zum Vorzeigeunternehmen der Branche geworden, leider drang diese Botschaft nicht zum Kunden durch. Verdi hat die Langzeitwirkung der eigenen Kampagne unterschätzt und später  viel zu zögerlich gegengesteuert."

Für den Reutlinger General-Anzeiger gibt es keine Zukunft für Schlecker: "Der Name ist demnächst Geschichte. Im Jargon der Marktliberalen gibt es eine gigantische Marktbereinigung, die größte in der Republik seit Kriegsende. Wäre es um einen Autobauer mit einem Standort gegangen, die Politik hätte sich womöglich mehr darum gekümmert. Auch ist es ein Leichtes, sich in öffentlichen Debatten um mehr Frauen in Führungspositionen starkzumachen. Offensichtlich aber viel schwieriger, sich für den Erhalt von 25.000 Arbeitsplätzen der Schleckerfrauen zu engagieren. Und - generell steht der Handel mit seinem Image im Ranking nicht ganz oben."

Für die Volksstimme aus Magdeburg ist es keine Überraschung, dass die Drogeriemarktkette abgewickelt wird: "Die Hürden für eine Rettung des insolventen Unternehmens waren zu hoch. Hilfe vom Staat konnte nicht infrage kommen, weil Schlecker für den Erhalt des Handelssystems in Deutschland nicht wichtig genug ist. Auch privaten Investoren war nicht zuzumuten, Geld in ein Fass zu stecken, dessen Boden im hart umkämpften Drogeriemarkt nicht erkennbar war. Und schließlich bleibt die menschliche Komponente. Wer Mitarbeiter als reinen Kostenfaktor bilanziert und wer es so weit treibt, dass das Bundesarbeitsministerium einzugreifen drohte, weil immer mehr Angestellten gekündigt und wieder per Leiharbeit eingestellt wurden, der hat nicht das Recht, in einer sozial genannten Marktwirtschaft zu wirken."

Die in Halle/Saale erscheinende Mitteldeutsche Zeitung warnt vor Legendenbildung: "Schlecker ist nicht an der verweigerten Staatshilfe für eine Transfergesellschaft gescheitert. Sicher, das Scheitern der Auffanglösung Ende April für rund 11.000 Beschäftigte hat eine Klagewelle unter entlassenen Beschäftigten ausgelöst. Damit sind die finanziellen Risiken für einen potenziellen Investor zusätzlich gewachsen. Aber auch ohne diese Risiken wäre Schlecker am Ende. Schlecker hielt sich damit über Wasser, einerseits Waren in riesigen Mengen auf Pump zu kaufen. Zugleich  eröffnete Firmengründer Anton Schlecker permanent neue Filialen, für derer Erstausstattung mit Ware er bei Herstellern enorm hohe Rabatte ausgehandelt hatte. So erzeugte er einen permanenten Geldfluss, obwohl er längst Verluste schrieb."

Der Kölner Stadt-Anzeiger ist der Meinung, dass die Misere von Schlecker nichts mit den Schulden-, Banken- und Finanzkrisen zu tun hat: "Gleichwohl kommt die große Einzelhandels-Pleite zu einem schlechten Zeitpunkt. Es wäre naiv zu  glauben, dass sich die schönen Konjunktur-Zahlen der jüngeren Vergangenheit nahtlos in die Zukunft fortschreiben lassen. Dazu ist die globale wirtschaftliche Lage zu undurchsichtig und zu fragil, vor allem das südeuropäische Schulden-Pulverfass zu explosiv. In Deutschland wächst der Schuldenberg immer noch, die Energiewende steckt in der Sackgasse, das Steuersystem ist kompliziert und ungerecht, die Umwelt wird stark belastet, es fehlen zunehmend Fachkräfte, der Nachwuchs wird schlecht ausgebildet und unser Sozialsystem überlastet. Im Vergleich zu diesen Herkulesaufgaben bleibt die Schlecker-Pleite ein Betriebsunfall."

Quelle: ntv.de

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