Wirtschaft

"Freibrief" für China - EU-Hersteller kündigen Klage an EU und China finden Solar-Kompromiss

Fauler Kompromiss? Mindestpreis und Mengenbegrenzung für chinesische Importe von Solarpanels sind zu niedrig angesetzt, kritisieren die europäischen Solar-Produzenten.

Fauler Kompromiss? Mindestpreis und Mengenbegrenzung für chinesische Importe von Solarpanels sind zu niedrig angesetzt, kritisieren die europäischen Solar-Produzenten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Handelsstreit um billige Solarmodule aus China ist beigelegt: Kurz bevor hohe Strafzölle der EU greifen, lenkt Peking ein. Künftig gelten Mindestpreise und eine Mengenbegrenzung für Importe nach Europa. Was gut gemeint ist, stößt in der Branche auf harsche Kritik. Europas Hersteller sehen ihre Bemühungen um fairen Wettbewerb torpediert.

Das wochenlange Reden hat gefruchtet: China und die Europäische Union haben im Handelsstreit über chinesische Solarimporte in letzter Minute doch noch einen Kompromiss gefunden. Nach wochenlangem Tauziehen einigten sich beide Seiten auf Mindestpreise und eine Mengenbegrenzung für Importe chinesischer Solarprodukte in die EU, wie aus einer schriftlichen Mitteilung von EU-Handelskommissar Karel De Gucht hervorgeht. De Gucht bezeichnet die Lösung darin als "freundschaftliche Lösung", die zu einem "neuen Gleichgewicht" auf dem europäischen Markt der Solarmodule führen werde. Durch die Mindestpreise würden die Schäden beseitigt, die der europäischen Solarindustrie durch die "Dumping-Praxis" zugefügt wurden, heißt es weiter. Wichtige Details über die Höhe des Mindestpreises, die entscheidend sind für die Bewertung des Kompromisses, ließ De Grucht allerdings zunächst offen.

EU-Produzenten: "Verstoß gegen EU-Recht"

Angaben von Diplomaten zufolge soll ein Mindestpreis von 56 Cent pro Watt geplant sein. Die Gesamtmenge der chinesischen Importe an Solarpaneelen in die EU soll zudem - umgerechnet in Leistung - auf sieben Gigawatt pro Jahr gedeckelt werden. Beide Zahlen werden in der Branche als viel zu niedrig angesetzt gesehen. Am Vortag war Verhandlungskreisen zufolge ein Mindestpreis von etwa 57 Cent pro Watt und eine maximale Einfuhr von Modulen mit einer Leistung von sieben Gigawatt im Gespräch, was die EU-Hersteller-Initiative Pro Sun, die das Dumpingverfahren angestoßen hatte, auf den Plan gerufen hatte.

Nach der offiziellen Einigung übte das Sprachrohr der EU-Produzenten erneut harte Kritik und kündigte umgehend Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an: "Eine Einigung auf dem Level der heutigen Dumpingpreise verstößt gegen EU-Recht", sagte Pro-Sun-Präsident Milan Nitzschke. Die anvisierten Mindestpreise lägen auf dem gleichen Niveau wie die heutigen Preise. Der europäischen Solarmarkt wird dieses Jahr auf rund zehn Gigawatt geschätzt. Sollte China sieben Gigawatt liefern können, würden die chinesischen Hersteller den Markt wie bisher dominieren. "Das ist quasi eine Absatzgarantie für China und ein Freibrief, weiter zu Dumpingpreisen zu verkaufen. Ein klarer Verstoß gegen das europäische Handelsrecht", kritisierte Nitzschke. Der EuGH werde sich nun mit dem Fall befassen müssen. Verfahren hier dauern in der Regel bis zu eineinhalb Jahren, in eiligen Fällen kann ein Urteil aber auch schon nach wenigen Monaten ergehen.

Wer nicht mitmacht, zahlt Strafzölle

Nach dem Kompromiss müssen chinesische Firmen, die sich auf diese Bedingungen einlassen, keine Strafzölle fürchten. Für alle anderen gelten ab dem 6. August Strafzölle in einer Spanne zwischen 37,2 und 67,9 Prozent, so wie EU-Handelskommissar De Gucht bereits am 6. Juni erklärt hatte. Etwa 90 Firmen dürften sich laut EU-Kommission beteiligen, das entspreche 60 Prozent der in der EU durch Solarpaneele erzeugten Leistung.

Die weitere Eskalation des potenziell für beide Seiten sehr teuren Handelskonflikts soll mit der offiziellen Einigung nun abgewendet sein. Der Konflikt war wegen des hohen Marktwertes der Einfuhren nach Europa beispiellos. Der Streit drehte sich um Solarpanels im Volumen von 21 Milliarden Euro, die Firmen wie Trina Solar, Yingli Green Energy oder Suntech Power nach Europa liefern. Die EU ist ein wichtiger Exportmarkt für die chinesischen Solarkonzerne - etwa die Hälfte der Panels geht nach Europa.

Erleichterung in der Politik: Konflikt abgewendet

China begrüßte so auch die Beilegung des Streits. Der Kompromiss zeige die "pragmatische und flexible Haltung beider Seiten", sagte der Sprecher des Handelsministeriums, Shen Dayang, in Peking. Die Einigung fördere "offene, kooperative, stabile und nachhaltige Wirtschafts- und Handelbeziehungen zwischen China und der EU", zitierte ihn die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler äußerte sich erleichtert. "Es ist gut, dass jetzt ein Vorschlag für einen Kompromiss vorliegt", sagte Rösler. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass eine Verhandlungslösung besser ist als ein Konflikt, der den Wirtschaftsbeziehungen insgesamt schaden würde." Er hoffe, dass der Streit nun schnell zu einem einvernehmlichen Abschluss gebracht werde

Die Dumpingvorwürfe der EU gegen chinesische Solarhersteller gibt es seit Jahren. Die Europäer kritisieren, dass  sie durch staatliche Unterstützung ihre Produkte unter Herstellungswert in der EU verkaufen können. Die EU-Kommission hatte die Strafzölle damit begründet, dass durch die Billigkonkurrenz aus China 25.000 Arbeitsplätze in der kriselnden europäischen Solarbranche in akuter Gefahr seien. Als erste Abwehrmaßnahme hatte die EU Anfang Juni vorläufige Strafzölle von durchschnittlich 11,8 Prozent verhängt, woraufhin auch Peking die Gangart in dem Konflikt verschärfte.

Versuchte Schadensbegrenzung

Die Einigung kam nur eine Woche vor Ablauf der Frist am 6. August. Danach wollte die EU die Strafzölle auf durchschnittlich 47,6 und damit deutlich anziehen. "Wir sind zuversichtlich, dass diese Preisverpflichtung den europäischen Solarpaneel-Markt stabilisieren und den Schaden beseitigen wird, der der europäischen Industrie durch die Dumping-Praktiken entstanden ist", erklärte De Gucht nun.

Die vorläufigen Strafmaßnahmen waren unter den Mitgliedstaaten der EU äußerst umstritten. Die EU-Kommission hatte die vorläufigen Strafzölle trotz des Widerstandes Deutschlands und 17 weiterer Länder verhängt. Gegner der Strafzölle hatten vor einem Handelskrieg mit China gewarnt. So hatte China ein Anti-Dumping-Verfahren gegen europäischen Wein eingeleitet, das als Vergeltungsaktion gewertet wurde, um den Druck auf die Solar-Verhandlungen zu erhöhen. China verwies auf die europäischen Subventionen für Weinbauern und beklagte, dass mit dieser Hilfe europäischer Wein in China unter Preis angeboten werden könne. Auch ermittelt China bei Importen legierter Stahlrohre und spezieller Chemieprodukte aus der EU. Mit der jetzt erreichten Einigung im Solarstreit gibt es Hoffnung, dass Peking auch in anderen Bereichen wieder auf die EU zugeht.

Gegen Dumping kann jedes Land nach Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vorgehen, um die heimische Industrie vor unfairer Konkurrenz zu schützen. Die EU-Kommission kündigte für diesen Montag eine Pressekonferenz des Kommissars an. In den nächsten zehn Tagen will die Brüsseler Behörde den Kompromiss offiziell beschließen, nach Beratungen mit den EU-Staaten. Die Lösung dürfte in der kommenden Woche die Aktien von deutschen Unternehmen wie Wacker Chemie und SMA positiv beeinflussen.

Quelle: ntv.de, ddi/dpa/rts

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