Wirtschaft

Vom großen Abkassieren "Superreiche werden zu oft als Heilsbringer verstanden"

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Amazon-Gründer Jeff Bezos, hier mit seiner Verlobten Lauren Sanchez, protzt gerne mit seinem Reichtum. Laut "Forbes" ist er mit einem Vermögen von 152,6 Milliarden Dollar derzeit der drittreichste Mensch der Welt.

Amazon-Gründer Jeff Bezos, hier mit seiner Verlobten Lauren Sanchez, protzt gerne mit seinem Reichtum. Laut "Forbes" ist er mit einem Vermögen von 152,6 Milliarden Dollar derzeit der drittreichste Mensch der Welt.

(Foto: IMAGO/ABACAPRESS)

Ob Bill Gates, Elon Musk oder Jeff Bezos - das Privatleben von Superreichen verfolgen Millionen. Wie sie ihr vieles Geld dagegen mehren, liegt größtenteils im Dunkeln. Das Magazin "Forbes" zählt weltweit 2640 Milliardäre. Wie wird man so unermesslich reich? Und hat die Gesellschaft etwas von dieser wundersamen Geldvermehrung?

In ihrem Buch "Wer wird Milliardär? Vom großen globalen Abkassieren" hat die Finanzjournalistin Heike Buchter Antworten gesucht. Ob Finanz-Tycoone, Silicon-Valley-Investoren oder Oligarchen, "Superreiche haben ihre eigene Agenda", sagt die Wahl-New-Yorkerin im Interview mit ntv.de: Sie scheffeln Geld um des Geldes willen und befördern damit nicht nur zunehmend die Ungleichheit in unseren Gesellschaften. Sie gefährden auch die Demokratie und werden damit möglicherweise zum Risiko für den ganzen Planeten.

ntv.de: In Ihrem Buch "Wer wird Milliardär?" bekommt nicht nur praktisch jeder namhafte Milliardär sein Fett weg. Sie lüften auch Geheimnisse rund um unvorstellbar reiche Menschen, die es eher vorziehen, im Verborgenen zu bleiben. Gab es einen konkreten Grund für diese Abrechnung?

Heike Buchter: Ich hatte bereits vor Jahren das Gefühl, dass fast hinter jedem Produkt ein Superreicher steht. Das hat mich neugierig gemacht. Irgendwann habe ich mich gefragt, warum sich alle immer nur auf diese Personen, wie und mit wem sie leben, konzentrieren. Mich interessiert, was diese Erfolgsgeschichten überhaupt möglich macht.

Und das wäre?

Es sind die Mechanismen der Finanzwirtschaft, die hinter diesen Personen und ihren Vermögen stehen. Sie machen heutzutage den Unterschied. Sie entscheiden, wer wirklich reich wird, und wer es nie sein wird. Das wird leider viel zu häufig ausgeblendet.

Amazon-Gründer Jeff Bezos sorgte in der Pandemie mit seiner neuen Giga-Jacht für Furore: 125 Meter lang, Kosten in Höhe 470 Millionen Euro. Weil eine historische Brücke in Rotterdam den Weg in den offenen Ozean versperrte, forderte die Werft den Rückbau der Brücke. Spontan dachte man an einen Aprilscherz. Ist dieser Verlust von Bodenhaftung symptomatisch für die Superreichen von heute?

Es sind nicht alle, aber tatsächlich gibt es eine Gruppe von prominenten Superreichen, bei denen immer mehr solcher Beispiele bekannt werden. Die Wahrnehmung, wie das bei "normalen Menschen" ankommt, ist völlig abhandengekommen. Wir müssen endlich begreifen, dass viele von diesen Superreichen Vermögen besitzen, die so groß sind wie ganze Volkswirtschaften. Für das, was sie damit anstellen können, gibt es kaum Grenzen. Das birgt Gefahren.

Wen haben Sie da konkret im Sinn?

Microsoft-Gründer Bill Gates etwa ist überzeugt, dass wir Atomkraft brauchen. Deshalb hat er beschlossen, neuartige Atommeiler zu bauen. In Wyoming ist bereits ein Projekt angelaufen, für das er zwei Milliarden US-Dollar an Finanzierung gegeben hat; das US-Energieministerium hat er dazu bekommen, noch einmal zwei Milliarden draufzulegen - trotz der Kritik von Experten. Was mich umtreibt, sind diese Menschen, die die Mittel, das Selbstbewusstsein, die Überzeugung und den Einfluss haben, Dinge, die sie für richtig halten, umzusetzen. Das Problem ist, dass sie glauben, ihr unermesslicher Reichtum und das, was er möglich macht, sei eine Bestätigung dafür, wie gut sie sind und wie richtig sie leben. Im Fall von Tesla-Chef Elon Musk ist das ganz besonders deutlich zu sehen. Milliardäre werden zu oft als Heilsbringer verstanden. Das ist fatal, weil es uns aufhält, nach Lösungen zu suchen, die wir dringend brauchen.

Man könnte gegenhalten und sagen, wer viel Geld hat, hat auch etwas richtig gemacht. Reiche würden sagen: Die Kritik an ihrem Vermögen ist blanker Neid.

Neid ist ein Totschlagargument, das nichts aussagt. Die Problematik ist eine andere. Die Milliardäre in meinem Buch stehen für das, was schiefläuft in unserem Finanzsystem und in unserer Wirtschaft. Die Finanzwirtschaft dient heute nicht mehr dazu, unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand zu finanzieren, sondern mit Vermögen immer mehr Geld zu machen. Unsere Unternehmen, Altersvorsorge, Infrastruktur, Patente und auch unsere Gesundheitsvorsorge sind gewissermaßen zu Spielchips geworden, mit denen in dem großen Casino namens Finanzwirtschaft gespielt wird. Dass da einige die besseren Karten haben, ist problematisch: Es gefährdet unsere Demokratie, weil den Menschen klar geworden ist, dass diese Wirtschaft nicht mehr funktioniert für die breite Masse.

Unterscheiden sich die Superreichen in den USA von denen in Deutschland?

Die Multimilliardäre in Deutschland sind fast noch faszinierender als die in den USA. Die Dominanz von Familienunternehmen hierzulande gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als etwas Gutes. Tatsächlich sind sie aber auch nichts anderes als globale Konzerne mit Tausenden Mitarbeitern. Es gibt eine Reichen-Statistik aus dem Jahr 1911 - also lange vor der "Forbes"-Liste. Dort finden sich Familiennamen, die heute noch im Ranking der 500 reichsten Deutschen des "Manager Magazins" auftauchen. Diese Familien haben ihr Vermögen durch eine Monarchie hindurch und mehrere Diktaturen bis zur Bundesrepublik immer zusammengehalten. Das ist einzigartig und gibt es in den USA so nicht. Man könnte es als Verdienst ansehen, aber es bedeutet auch - darauf hat eine IWF-Studie aufmerksam gemacht, - dass ein Großteil der Globalisierungsgewinne hierzulande in die Taschen weniger geflossen ist.

Bedeutet das, unsere Familienunternehmen sind gar nicht das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, wie es immer heißt?

Anders als angenommen, tragen sie nicht maßgeblich zum Wohlstand der Deutschen bei. Statistisch ist es sogar so, dass die Deutschen im Mittel zu den Ärmeren in der EU gehören. Die Struktur von Familienunternehmen sorgt auch nicht dafür, dass Deutschland eine breite Mittelschicht hat. Der öffentliche Raum in Deutschland unterscheidet sich nicht wesentlich von dem in Ländern, in denen die Ungleichheit in der Gesellschaft angeblich viel größer ist als bei uns. Wir schonen die Reichen steuerlich, deshalb fließt auch kein Geld dorthin. Und warum? Weil wir immer noch denken, dass die Familienunternehmen uns in der Krise helfen werden.

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Doch das tun sie nicht?

Superreiche haben ihre ganz eigene Agenda. Obwohl Deutschland auf der Liste der Milliardäre weltweit ganz weit oben steht, gibt es hierzulande massive Probleme. Der Haken ist, dass ihr Geld nicht in Deutschland ist, sondern auf Konten im Ausland liegt, oder in Kunstwerken oder Immobilien steckt. Der Volkswirtschaft steht es jedenfalls nicht zur Verfügung. Angesichts der massiven Transformationsaufgaben, vor denen wir stehen, könnten wir das Geld jetzt gut gebrauchen.

Sie sprechen ein heikles Thema an: staatliche Regulierung und Besteuerung. Eine Vermögensteuer birgt immer die Gefahr, dass die Reichen das Land verlassen.

Es ist wirklich schwierig. Auch, weil es viele Leute gibt, die beruflich nichts anderes machen, als auf das Geld der Superreichen aufzupassen und es zu mehren. Es gibt 1000 Steuervermeidungstricks. Zumindest gibt es den Versuch von Industrienationen, ein unteres Steuerlimit einzuführen, um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. Ohne Steuern wird es keine Lösung geben, denke ich. Allerdings greifen Steuern auch ein bisschen zu spät, weil das Geld dann ja bereits da ist.

Was sind denn Ihre Hoffnungen für die Zukunft?

Heike Buchter ist die New Yorker Korrespondentin der "Zeit". Sie berichtet seit 2001 von der Wall Street. 2015 rückte sie mit ihrem Buch "Blackrock" den größten Vermögensverwalter ins Scheinwerferlicht.

Heike Buchter ist die New Yorker Korrespondentin der "Zeit". Sie berichtet seit 2001 von der Wall Street. 2015 rückte sie mit ihrem Buch "Blackrock" den größten Vermögensverwalter ins Scheinwerferlicht.

(Foto: Heike Buchter, Fotograf Stefan Falke)

Dass wir die Fehler im System erkennen. In Deutschland hieß es lange, man bräuchte keine eigene Immobilie. Das hat aber nun dazu geführt, dass die immense Wertsteigerung bei Immobilien fast ausschließlich den oberen 10.000 zugeflossen ist, was die Ungleichheit in Deutschland verschlimmert hat. In den 90er Jahren haben wir unsere gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften an Heuschrecken verkauft. Jetzt sind es gewinnbringende Anlagen für Reiche. An diese Dinge müssen wir ran. So wie der Planet brennt, können wir nicht mehr sagen, wir experimentieren etwas und sehen dann, ob es besser wird.

Schauen wir mal über den "Tellerrand" Ihres Buches hinaus: Junge Menschen haben mittlerweile ein anderes Verhältnis zu Arbeit und Geld. Sie halten nichts von "alten weißen Männern", wie Sie sie in Ihrem Buch bezeichnen, die dem schnöden Mammon und Statussymbolen nachjagen. Was für eine Rolle könnte das in Zukunft spielen?

In Amerika tut sich bereits etwas. Die jungen Menschen - zumindest an der Ost- und Westküste und die College-Absolventen - glauben nicht mehr an den amerikanischen Traum, den Mythos vom Tellerwäscher zum Millionär. Symptomatisch dafür sind die stärker werdenden Gewerkschaften oder radikale, hochpolitische Mietervereine, die Eigentümern ihre Immobilien abknöpfen. Gefühlt sagen immer mehr Menschen dem bestehenden System den Kampf an. Man liest sogar schon von jungen Leuten, die verheimlichen, wie wohlhabend ihre Familien sind. Ich glaube tatsächlich, dass wir einen Bruch erleben werden.

Mit Heike Buchter sprach Diana Dittmer

Quelle: ntv.de

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