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Selbstverstärkender Effekt Blutschnee lässt Gletscher schmelzen

Großflächiges Rosa reflektiert weniger Sonnenlicht als weißer Schnee.

Großflächiges Rosa reflektiert weniger Sonnenlicht als weißer Schnee.

(Foto: Liane G. Benning/GFZ)

Weiße Flächen, soweit das Auge reicht: So stellt man sich die Arktis vor. In Wirklichkeit aber gibt es größere Gebiete mit roten Verfärbungen. Die Forscher sprechen von Blutschnee – und finden heraus, dass der weitreichende Folgen hat.

Mit den wärmeren Monaten im späten Frühling und im Sommer kommt in der Arktis die Zeit des Blutschnees. Großflächige rötliche Verfärbungen sind dann in Eis und Schnee zu erkennen. Was dahintersteckt? Eine Algenblüte. Sonne und Schmelzwasser sind lebensnotwendige Voraussetzungen für Schneealgen. Während sie in den Wintermonaten in eine Art Schlafzustand verfallen, zeigen sie sich im Sommer mit ihrer roten Pigmentierung. Forscher vom GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam sind jetzt der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen der Blutschnee hat. Ihr Ergebnis: Der Beitrag von Schneealgen zur Gletscherschmelze ist bisher stark unterschätzt worden.

Während weiße Schnee- und Eis-Flächen das Sonnenlicht bestens zurückstrahlen, reflektieren Oberflächen, die durch Schneealgen mit ihrer roten Pigmentierung verdunkelt wurden, das Licht weniger gut. Das wiederum bedeutet, dass Blutschnee mehr Wärme aufnimmt. In der Folge schmilzt er schneller.

Klimamodelle müssen erweitert werden

Wie stark das Licht zurückgestrahlt wird, geben Forscher mit dem Maß Albedo an. Die neue Studie eines internationalen Teams um Stefanie Lutz und Liane G. Benning vom GFZ macht nun deutlich, dass rote Algenblüten die Albedo innerhalb einer Schmelzsaison um etwa 13 Prozent verringern. "Mit dieser Studie zeigen wir, dass der Bio-Albedo-Effekt wichtig ist und in künftige Klimamodelle integriert werden muss", so Lutz.

Die Forscher untersuchten die Biodiversität von Bakterien und Schneealgen mithilfe modernster molekularbiologischer Methoden. Sie nahmen rund 40 Proben von 21 Gletschern in der europäischen Arktis. Ihre Analyse umfasste ein Gebiet, das von Grönland über Island und Spitzbergen bis in das arktische Schweden reicht.

Dabei stellte sich heraus, dass wohl in weiten Teilen der Arktis ein und dieselbe Schneealgenspezies für den Blutschnee und die dadurch beschleunigte Schmelze verantwortlich ist. Durch die Rotalgenblüte, so der Hinweis der Forscher, kommt es zu einem selbstverstärkenden Effekt: Je mehr Schnee und Gletscher tauen, je mehr Schmelzwasser entsteht, desto mehr blühen die Algen. Das führt zu einer Verdunklung der Oberfläche, die wiederum das Tauen beschleunigt – ein Prozess, der in bisherigen Klimamodellen fehlt.

Die Arbeit von Lutz und Benning, die in Nature Communications veröffentlicht wird, ist die erste überhaupt, die sich mit dem Beitrag von Mikroorganismen auf die Schnee- und Gletscherschmelze beschäftigt. In den kommenden Wochen werden die beiden Wissenschaftlerinnen zusammen mit britischen Kollegen nach Grönland reisen, um weitere Messungen vorzunehmen. In Grönland ist es derzeit ungewöhnlich warm. Das Eis schmilzt in Rekordgeschwindigkeit. Jetzt gilt es herauszufinden, wie stark Schneealgen mit ihrer Blüte zu den Rekordraten der Eisschmelze beitragen.

Quelle: ntv.de, asc

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