Sandgruber: „Man benutzt Unverdächtiges, um Verdächtiges zu tun“
Wie soll die Gesellschaft mit problematischen Gedenkstätten wie dem Hitlergrab umgehen? Die OÖN sprachen mit Roman Sandgruber (64), Leiter des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Linz.
OÖN: Wie bewerten Sie die anhaltenden Ehrenbezeugungen an Hitlers Elterngrab in Leonding?
Sandgruber: Ich finde es auffällig, dass immer wieder Leute hingehen, die verwandtschaftlich nichts damit zu tun haben. Es gibt anscheinend Personen, die das Grab als etwas Unverdächtiges benutzen, um etwas Verdächtiges zu tun.
OÖN: Was macht gerade Friedhöfe mit ihren Gräbern dafür geeignet?
Sandgruber: Der Grund ist, dass sie von Rechtsstehenden am ehesten für Auftritte genutzt werden können. Speziell in Wien gibt es noch Grabsteine aus der NS-Zeit mit Hakenkreuzen, das sind beliebte Treffpunkte.
OÖN: Könnte man solche Gräber wegreißen?
Sandgruber: Das ist allein schon aus Gründen der Pietät undenkbar.
OÖN: Was sollte mit anderen problematischen Gedenkstätten geschehen?
Sandgruber: Wenn ich an Denkmäler wie das von Dollfuß oder Jahn denke, dann gilt trotz allem, dass es sich dabei um Dinge von historischer Authentizität handelt. Würde man sie entfernen, liefe das auf Geschichtsfälschung hinaus. Man könnte aber erklärende Zusatztafeln anbringen, in denen wir unsere kritische Distanz darlegen.
OÖN: Braunau hat vor dem Hitler-Geburtshaus ein Mahnmal aufgestellt. War das klug?
Sandgruber: Ich hätte das nicht getan, denn damit läuft man Gefahr, erst recht Ewiggestrige anzulocken.
OÖN: Wie beurteilen Sie den auffälligen Fernseh-Hype über die NS-Zeit?
Sandgruber: Grundsätzlich positiv, wenn es gelingt, die unbestreitbare Aura der Originalaufnahmen durch objektive, kritische Kommentierung zu „unterlaufen“.
ein intelligenter mensch mit anstand befragt.
pietät und geschichtsfälschung interessiert in der heutigen zeit leider nicht viele.