Mein Haustier, das Huhn: So klappt die Haltung im eigenen Garten

Frische Eier von Hennen aus dem eigenen Hühnerstall – für viele Menschen eine Traumvorstellung. Doch Hühner zu halten bedeutet auch Arbeit. Was brauchen die Tiere, um glücklich zu sein?

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 13. Sept. 2023, 09:31 MESZ
Eine Frau streichelt ein Huhn, das auf einem Rasen steht.

Hühnerhaltung ist mehr als nur Eier sammeln: Die besonderen Haustiere selbst sind verhältnismäßig recht anspruchslos. Dennoch gibt es einige Dinge und Auflagen zu beachten.

Foto von Irin / adobe stock

Eier sind Massenware: Im Jahr 2022 wurden allein in Deutschland 15,75 Milliarden Hühnereier produziert – und der Bedarf steigt. Aber nicht nur die Liebe zum Ei ist in Deutschland über die Jahre immer weiter gewachsen, sondern offenbar auch die zum Huhn: Hühner als Haustiere zu halten, liegt im Trend: „Henne statt Hund“ oder „Das neue Trendhaustier“ titeln andere Medien. 

Gründe für die Hühnerliebe gibt es verschiedene: Zum einen wollen Menschen ihr Ei mit gutem Gewissen essen. Denn die meisten der 43,67 Millionen deutschen Legehennen werden zu tausenden, teils zu hunderttausenden in Legeställen gehalten. Im Alter von lediglich 12 bis 15 Monaten werden sie geschlachtet. Da hat es das Huhn im eigenen Garten besser – wenn man die Haltung der besonderen Haustiere richtig angeht. 

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Von der Legehenne zum Trendhaustier

Sicher ist: Finanzielle Anreize sind nicht der Grund für die Liebe zum Federvieh. „Hühner zu halten ergibt aus ökonomischer Sicht keinen Sinn“, sagt Olivia Müsseler. Die studierte Agrarwissenschaftlerin hat sich in ihrer Masterarbeit dem Thema Grundlagenforschung von Kükenverhalten gewidmet und kam darüber zum Huhn. Ihr Wissen teilt sie über ihre Webseite Dein Gartenhuhn. Dort findet man neben vielen Infos auch Kursangebote für Neulinge und fortgeschrittene Hühnerhalter*innen. 

„2020 gab es einen regelrechten Boom – Hühner zu halten war plötzlich im Trend“, sagt Müsseler. Ganz so en Vogue wie in der Pandemie sei das Thema zwar nicht mehr – doch sie bekomme nach wie vor zahlreiche Anfragen und Nachrichten. Ihr wichtigster Tipp: Damit das Hobby langfristig Freude bereitet, muss man sich bereits im Vorhinein ausgiebig informieren – und eventuell einigen romantisierten Vorstellungen über das Leben mit Hühnern abschwören. 

BELIEBT

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    Gegen Ende der 90er-Jahre standen die Sundheimer mit lediglich 700 Tieren noch auf der Roten Liste bedrohter Geflügelrassen. Mittlerweile zählen sie hierzulande zu den beliebtesten Hühnerrassen. 

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    Woher bekommt man Hühner – und welche Rasse eignet sich am besten?

    Wenn man sich dazu entschließt, Hühnern ein Zuhause zu bieten, rät Müsseler vom eigenen Inkubieren von Eiern und dem Aufziehen von Küken ab: „Viele unterschätzen dabei die Problematik mit den Hähnen. Statistisch schlüpfen circa 50 Prozent weibliche und 50 Prozent männliche Tiere.“ Mehr als ein Hahn ist für eine kleine, private Haltung aber nur schwer bis kaum zu stemmen. Denn diese sind lediglich verträglich, wenn wiederum eine dementsprechend größere Anzahl an Hennen zur Verfügung steht. Im Zweifel leiden am Ende meist die ungewollten männlichen Tiere, die ohne große Chancen auf Vermittlung in Tierheimen landen oder als Schlachtgut enden. Stattdessen rät Müsseler dazu, sich Junghennen von einem Züchter zu holen. 

    Die Frage, welche Hühnerrasse am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt, zählt laut ihr zu den Grundpfeilern. In den meisten Fällen sei es sinnvoll, auf Rassen zurückzugreifen, deren Legeleistung weniger Eier und damit auch weniger gesundheitliche Probleme umfasst. „Es gibt natürlich Trend-Hühnerrassen, die besonders niedlich oder zutraulich sind. Aber Deutschland hat auch sehr viele einheimische und seltene Rassen.“ 

    Als Beispiele nennt Müsseler etwa die Sundheimer mit ihren auffälligen Federfüßen oder die gutmütigen Ramelsloher. Gerade bei weniger Platz im Garten gibt es von den jeweiligen Rassen auch speziell gezüchtete Zwergvarianten. Diese bräuchten zwar nicht weniger Pflege – allerdings deutlich weniger Platz, was Stall und Auslauf angeht. 

    Das Aufnehmen von ehemaligen Legehennen aus der Landwirtschaft, wie es beispielsweise über den Verein Rettet das Huhn e.V. möglich ist, sieht Müsseler für Unerfahrene kritisch. „Für den Privathaushalt sind Hybridhühner eigentlich zu viel“, sagt Müsseler. Durch gezielte Kreuzung wurden diese auf eine höhere Legeleistung sowie einen hohen Fleischanteil getrimmt. Derart viele Eier würde ein normaler Haushalt nicht benötigen – aufnehmen könne man die Tiere aber dennoch, um ihnen zu helfen.

    Wer diesen Tieren dennoch ein schönes Leben ermöglichen möchte, muss wissen: Die Tiere werden oft krank. Aufgrund der angezüchteten hohen Legeleistung leiden sie oft an sogenannten Produktionskrankheiten wie dem Legedarmvorfall oder Legedarmentzündungen. „Wenn man sich nicht spontan Tierarztrechnungen von mindestens 100 Euro leisten kann, dann sind diese Tiere nichts für einen“, sagt Müsseler. Sie empfiehlt in jedem Fall separate Sparanlagen für tierärztliche Notfälle.

    “Für ein möglichst artgerechtes Leben braucht es eine Gruppe von mindestens drei, besser fünf Hühnern.”

    von Olivia Müsseler
    Agrarwissenschaftlerin

    Grundbedürfnisse einer glücklichen Hühnerschar 

    „Für ein möglichst artgerechtes Leben braucht es eine Gruppe von mindestens drei, besser fünf Hühnern“, sagt Müsseler. Einen Hahn benötigt eine glückliche Hühnerschar dagegen nicht, weder für die Eierproduktion, noch für eine gesunde Sozialstruktur.

    „Hühner suchen eigentlich den ganzen Tag nach Futter“, sagt Müsseler. Bei kleineren Ausläufen bleibt meist nach kurzer Zeit nur trockener, staubiger Boden zurück. Dann kann es zur Langeweile kommen. Abhilfe schaffen könnten dann etwa das Picken und Scharren an Ballen aus getrockneter Luzerne oder Spielzeuge mit Belohnungsfunktion. Wer eine engere Bindung zu seinen Hennen aufbauen möchte, kann sich auch am Erlernen von Tricks und kleinen Kunststücken mit Hilfe von Clicker-Training – der positiven Konditionierung von Geräuschen mit Belohnungen – versuchen. 

    Gesundheitsvorsorge und Hygiene: Von Tierarztkosten und Vogelgrippe

    Schon vor der Anschaffung von Hühnern sollte besonders ein organisatorischer Punkt nicht unterschätzt werden: Die Suche nach einer vogelkundigen Tierarztpraxis – und die gegebenenfalls längere Anfahrt zu dieser. „Für den Tierarzt, wo ich auch mit dem Hund hingehe, ist ein Vogel meist ein großes Rätsel“, sagt Müsseler. Die Hühner-Expertin rät deshalb dazu, sich beim jeweiligen Tiergesundheitsdienst zu melden oder eine passende Tierarztpraxis oder Tierklinik in der Nähe ausfindig zu machen, die Geflügel fachlich behandeln können. 

    Neben der Fürsorge für die allgemeine Gesundheit der eierlegenden Vogelschar besteht die größte Angst wohl darin, dass sie sich mit der Vogelgrippe infizieren könnte. Wird diese im Umkreis nachgewiesen, werden die Auflagen entsprechend verschärft. Dann fordert beispielsweise das Veterinäramt eine Aufstallungspflicht – womit der Auslauf im Freien untersagt wird. Auch gegen die Newcastle-Krankheit müssen regelmäßige Impfungen dokumentiert werden. 

    Generell sollten die Hygienestandards im Stall hoch sein. Dazu zählen laut Müsseler das Wechseln der Schuhe und Kleidung oder eine Desinfektionsschleuse, bevor man den Stall betritt. „Das mag übertrieben klingen, aber mit der Vogelgrippe ist nicht zu spaßen. Wenn sie nachgewiesen wird, werden alle Hühner getötet – und es dürfen so schnell auch keine mehr gehalten werden“, sagt Müsseler.

    Um diese unschöne und traurige Prozedur im schlimmsten Fall nicht auch noch selbst zahlen zu müssen, ist eine gesetzgebliche Anmeldung sämtlicher Tiere sowohl beim Veterinäramt als auch bei der Tierseuchenkasse Pflicht. 

    Ein Auslauf, geschützt mit einem festen Vogelschutznetz, kann im Zweifelsfall das Leben der gesamten Hühnerschar retten. Gegen einen räuberischen, grabenden Fuchs hilft dagegen ein in den Boden eingelassener Zaun.

    Foto von oranguta007 / adobe stock

    Der perfekte Hühnerstall: Sicher, sauber und mit viel Auslauf

    Als bauliche Vorsichtsmaßnahme gegen die grassierende Vogelgrippe empfiehlt Müsseler einen abgetrennten, überdachten Auslauf. Den dürften die Tiere meist auch unter verschärften Maßnahmen nutzen. Zeitgleich schützt dies die empfindlichen Hühneraugen im Winter vor reflektierendem Schnee – wenn denn welcher fällt. 

    Generell sollten im Außenbereich pro Tier mindestens vier Quadratmeter Auslauf pro Tier zur Verfügung stehen, je mehr, desto besser. Im Stall kann es dagegen durchaus kuscheliger werden. Da die Tiere gerne auf Sitzstangen nächtigen und sich bestenfalls den ganzen Tag draußen aufhalten, betrachtet Müsseler circa 0,35 Quadratmetern freie Fläche im Stall pro Huhn als sinnvoll. 

    Um das traute Hühnerheim vor tierischen Eindringlingen zu schützen, kommt es laut Müsseler darauf an, welche Arten sich tatsächlich in und um den Garten bewegen: „Bei Raubvögeln wie dem Habicht braucht man ein stabiles, engmaschiges Vogelschutznetz von oben.“ Gegen Füchse helfe wiederum nur ein eingegrabener Zaun, der im Zweifelfall sogar mit Strom versehen ist. Eine Wildtierkamera kann hier im Vorhinein wertvolle Informationen liefern.

    Ebenso gefährlich kann aber auch schlichte Zugluft sein. Ein löchriger Bretterverschlag eignet sich dementsprechend nicht als Stall. Eine Heizung benötigen die Tiere wiederum auch bei Minustemperaturen nicht, ein Temperaturunterschied drinnen und draußen wäre laut Müsseler sogar kontraproduktiv. Trotzdem sollte man die Tiere bei Kälte im Blick behalten: Die Kämme und Kehllappen können gegebenenfalls mit einer Fettschicht vor Erfrierungen geschützt werden.  

    Regelmäßiges Ausmisten, Entfernen von Kot und Nässe sollte selbstverständlich sein, um die Verschmutzung möglichst gering zu halten. Vor allem im Frühjahr ist laut Müsseler eine Komplettreinigung sinnvoll, um die Ausbreitung von Milben während der Sommermonate in Schach zu halten. 

    Jeden Tag ein Ei? 

    Neben der Eiersuche zählen tägliches Auffüllen von Futter, das Geben von frischem Wasser und das morgendliche Hinaus- und das abendliche Hineinlassen zu den Aufgaben von Hühnerhalter*innen. Mit technischen Hilfsmitteln kann man sich zumindest diese Arbeit ersparen – beispielsweise mit automatisierten Stalltüren. Um dann von unterwegs aus sicher zu gehen, dass es alle Tiere pünktlich zur Dämmerung in den Stall geschafft haben, ist eine Stallkamera sinnvoll. 

    Im Gegenzug kann man laut Olivia Müsseler mit einer Legeleistung von circa 50 - 70 Prozent – bei Hybridhühnern sind es bis zu 90 Prozent – rechnen. Bei vier Hühnern wären dies zwei Eier pro Tag. Jedenfalls kann pro Woche schnell mal ein ganzer Korb zusammenkommen, womit man sich wiederum mit der Nachbarschaft gut stellen kann. „Wenn man Hühner hält, ist es immer ein Geben und Nehmen“, sagt Müsseler. Im Falle eines Urlaubs sind die Leute dann auch eher bereit, bei der Betreuung der Tiere auszuhelfen.

    Auch das private Verkaufen der Eier ist grundsätzlich erlaubt. Allerdings müssen laut Müsseler einige Auflagen beachtet werden: Das Legedatum darf auf keinem Ei fehlen und die Eier dürfen nicht nach Größe sortiert werden. Eierkartons können bereitgestellt werden, müssen aber neu sein. Alternativ müsste die Kundschaft selbst Eierkartons mitbringen. „Und man muss einen Hinweis zur Haltbarkeit hinterlegt haben. Beispielsweise sind Eier ab Legetag 21 Tage haltbar und müssen danach in den Kühlschrank“, sagt Müsseler.

    Nicht nur aufgrund dieser Auflagen ist das tägliche Einsammeln der Eier ein Muss. Zusätzlich lässt sich damit das sogenannte Glucken vermeiden. Denn sobald sich ein Gelege bildet, „neigen Hühner dazu, dieses ausbrüten zu wollen. Dann sitzen sie bis zu drei Wochen auf dem Nest – bei minimaler Nahrungs- und Wasseraufnahme“, sagt Müsseler. 

    Entsprechend dieser Anstrengung nehmen die Tiere extrem ab. Ihre sämtliche Energie wird für ihr Gelege. Schlüpfen daraus keine Küken, etwa weil man die Eier nicht einsammelt, oder sie sogar durch künstliche Eier ersetzen würde, können sie sich durchaus „totglucken“. Fake-Eier zu platzieren sei lediglich sinnvoll, um den Hühnern beizubringen, zukünftig an einen bestimmten Platz zu legen. 

    Hungrige Gartenhelfer: „Hühner sind keine Müllschlucker“

    Wer sich auf gefiederte Hilfe bei der Gartenarbeit freut, wird sich früher oder später umsehen. Denn Hühner gehen tagsüber hauptsächlich einer Beschäftigung nach: Fressen. Und da landen auch schöne Blumen schnell im Schnabel. Müsseler rät deshalb davon ab, den Hühnern die gesamte Gartenfläche zur Verfügung zu stellen. Bereiche, die von den Hühnern verschont werden sollen, könne man auf Dauer nur retten, wenn die Tiere keinen Zutritt dazu hätten. 

    Hochwertiges, artgerechtes Futter ist essenziell für die Gesundheit der Tiere. Bei Legehybriden muss man mit täglich circa 120 Gramm pro Huhn rechnen, bei Garten-Hühnern mit 150 Gramm. Als Kalziumquelle kann man den Tieren gesäuberte und bis zur Unkenntlichkeit zerriebene Eierschalen zur Verfügung stellen oder Kalzium zukaufen. Die eigenen Eier sollten die Tiere allerdings auf keinen Fall zum Fressen bekommen – „die Animation dazu führt zum gezielten Fressen der eigenen Eier, was als Verhaltensstörung gilt“, sagt Müsseler. 

    Dass Hennen zum Verwerten von Abfall nützlich sind, ist darüber hinaus ein weit verbreiteter Irrtum. Von bereits schimmelnden Obst- und Gemüseresten, gekochten Speisen, Süßem oder Salzigem rät Müsseler strikt ab. Milchprodukte fördern aufgrund der Laktoseintoleranz Durchfallerkrankungen, auch Zitrusfrüchte schädigen den Darm. Avocados sind sogar giftig und absolut zu umgehen. „Hühner sind Gewohnheitstiere, die sich wohl fühlen, wenn es ihrem Darm gut geht. Und ihr Magen-Darm-System präferiert konstante Nahrung, ohne ständige Abwechslung“, sagt die Hühner-Expertin.

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