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DGZfP-JAHRESTAGUNG 2002

ZfP in Anwendung, Entwicklung und Forschung

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Mechanisierte Ultraschallprüfung von Mischnähten nach dem Schweißen zum Nachweis von Ablösungen der Pufferung bzw. des Schweißgutes vom ferritischen Grundwerkstoff

J. Wessels, R. Reimann, K. Rohde; Framatome ANP GmbH, Erlangen;
H. Kiechle, E.ON Kernkraft GmbH Essenbach
Kontakt: J. Wessels

Zusammenfassung

Im Jahre 2000 wurde im Kernkraftwerk Biblis, Block A bei der zerstörungsfreien Ul- traschallprüfung einer Mischnaht (Durchmesser 306 mm x Wanddicke 40 mm) Fehleranzeigen im Bereich der Schmelzlinie zwischen dem Feinkornbaustahl und der austenitischen Pufferung erhalten. Die Anzeigen wurden zurückgeführt auf lokale Ablösungen der Pufferung vom ferritischen Grundwerkstoff (Disbonding).

Als Ergebnis von gutachterlichen Nachbewertungen auf Grund der GRS-Weiterlei-tungsnachricht WLN 2001/01 von vergleichbaren Mischnähten in den anderen Kernkraftwerken wurden in den Jahren 2000 und 2001 umfangreiche zerstörungsfreie Prüfungen zum Nachweis von derartigen Ablösungen durchgeführt.

Der Beitrag skizziert die Erfahrungen bei der nachträglichen Prüfung der Bindefläche zwischen ferritischem Grundwerkstoff und Pufferung von Mischverbindungen im Rahmen von Wiederkehrenden Prüfungen. Es wird die prüftechnische Qualifizierung am Beispiel einer gepufferten Mischverbindung zwischen ferritischem und austenitischem Stahl dargestellt. Die Umsetzung erfolgte als mechanisierte Ultraschall-Längsfehlerprüfung.

Im Rahmen der überarbeitung der Regel

KTA 3211.Druck- und aktivitätsführende Komponenten von Systemen außerhalb des Primärkreises; Teil 3: Herstellung (Regeländerungsentwurf,
März 2002)

wurden die Festlegungen zur zerstörungsfreien Prüfung dahingehend ergänzt, dass die Grenzfläche zwischen ferritischem Grundwerkstoff und Schweißgut bzw. zwischen ferritischem Grundwerkstoff und Pufferung nach dem Schweißen der Verbindungsnaht auf Bindung geprüft wird.

1 Schadensmechanismus

Die Ablösungen entstehen in der Grenzfläche zum ferritischen Grundwerkstoff
(s. Abb. 1) im wenig verformungsfähigen Karbidsaum, der sich diffusionsbedingt durch die vorgeschaltete Spannungsarmglühung unmittelbar neben der Schmelzlinie auf der Austenitseite ausbildet. Nach derzeitigem Kenntnisstand werden die Trennungen verursacht durch Dehnungsvorgänge (resultierend aus dem Schrumpfprozess beim Abkühlen nach dem Schweißen der Naht), die von der wenig verformungsfähigen Gefügestruktur im martensitisch-karbidischer übergangsbereich zwischen ferritischem Grundwerkstoff und Pufferung nicht aufgenommen werden können.

Abb 1: Mischnaht mit Pufferung

2 Derzeitige Festlegungen im Regelwerk zur Herstellung von Mischnähten

Für die Herstellung von druckführenden Komponenten von Leichtwasserreaktoren sind die sicherheitstechnischen Regeln des Kerntechnischen Ausschusses (KTA)

  • KTA 3201.3, Teil 3: Komponenten des Primärkreises,
  • KTA 3211.3, Teil 3: Komponenten von Systemen außerhalb des Primärkreises,

anzuwenden.

Im Rahmen der Prüfungen vor dem Schweißen erfolgt eine Ultraschallprüfung der Pufferung mittels Senkrechteinschallung auf Haftung. Für die Einstellung der Prüfempfindlichkeit ist als Bezugsecho die Anzeige einer parallel zur Prüfoberfläche verlaufenden Querbohrung von 3 mm Durchmesser im Grundwerkstoff an der Grenze zur Pufferung zu verwenden. Der erforderliche Vergleichskörper soll dem Bauteil in Hinsicht auf Geometrie, Werkstoff und Schweißverfahren entsprechen.

Die Prüfungen nach dem Schweißen setzen sich zusammen aus einer Oberflächenprüfung, einer Durchstrahlungsprüfung und einer Ultraschallprüfung des Wurzelbereiches auf Längsfehler. Letztere Prüfung ist dann vorgesehen, wenn die innere Schweißnahtoberfläche für eine Farbeindringprüfung nicht zugänglich ist oder wenn für die Schweißnaht eine wiederkehrende Prüfung mit Ultraschall vorgesehen ist.

Diese Ultraschallprüfung erfolgt als Längsfehlerprüfung von der Außenoberfläche aus. Dabei ist die innere Oberfläche im Übergang zum Schweißgut und der angrenzende Grundwerkstoff einschließlich Wurzel zu erfassen. Die Empfindlichkeitseinstellung erfolgt an Nuten wie prinzipiell in der Abb. 2 dargestellt.

Abb 2: Einstellung der Prüfempfindlichkeit.

Sofern nach dem Schweißen der austenitischen Schweißnaht die Durchstrahlungsprüfung (Einstrahlung in Flankenrichtung) bzw. die eingesetzte Prüftechnik bei der Ultraschallprüfung die Grenzfläche "Ferrit. Grundwerkstoff/Pufferung" nicht vollständig erfasst haben, ist davon auszugehen, dass hinsichtlich des Nachweises von "Disbonding" ein Defizit besteht.

3 Prüfaufgabe

Im Rahmen der sicherheitstechnischen Nachweisführung zur Integrität von Mischnähten sind die Schweißnähte (auch mit Inconel-Schweißgut bzw. mit und ohne Pufferung) einer zerstörungsfreien Prüfung zu unterziehen, bei denen die Grenzfläche "Pufferung/Ferrit. Grundwerkstoff" nicht vollständig geprüft wurde. Diese Prüfung ist als Ersatz für eine nicht vollständige Herstellungsprüfung zu sehen und in dieser Form nur einmalig durchzuführen.

Der Prüfbereich zur Erfüllung der Prüfaufgabe umfasst den gesamten Querschnittsbereich an der Grenzfläche "Ferrit. Grundwerkstoff/Pufferung bzw. Schweißnaht" wobei bei der Ultraschallprüfung 3 Tiefenzonen unterschieden werden:

  • Prüfkopfnaher Oberflächenbereich (Tiefe t = 10mm)
  • Prüfkopfferner Oberflächenbereich (Tiefe t = 10mm)
  • Wandmittenbereich

Als Justierreflektoren finden für die oberflächennahen Bereiche Rechtecknuten und für den nicht oberflächennahen Bereich Flachbodenbohrungen Anwendung. Als Registrierschwellen bzw. Bewertungsmaßstäbe wurden die Festlegungen gemäß Tabelle 1 zugrundegelegt.

Zone Registrierschwelle Bewertungsmaßstab
Prüfkopfnaher Oberflächenbereich Nut = f (Wanddicke) minus 6 dB Registrierschwelle plus 6 dB
Prüfkopfferner Oberflächenbereich Nut = f (Wanddicke) minus 6 dB Registrierschwelle plus 6 dB
Wandmittenbereich KSR 5 Registrierschwelle plus 6 dB
Table 1: Registrierschwellen und Bewertungsmaßstäbe

4 Qualifizierung einer Prüftechnik zum Nachweis von Trennungen an der Bindefläche zum ferritischen Grundwerkstoff

Im folgenden wird am Beispiel einer Mischnaht mit Pufferung die Qualifizierung einer Ultraschallprüftechnik beschrieben.

4.1 Prüfgegenstand
Komponente: Rohrleitung mit Mischnaht
Wanddicke: 55 mm
Außendurchmesser: 485 mm
Werkstoff: W. Nr. 2.4620 aufgepuffert an W. Nr. 1.6368
Nahtflanke: 10 Grad
Schweißverfahren: E-Hand

4.2 Vergleichskörper
Die anzuwendende Prüftechnik wurde an einem Vergleichskörper gemäß Abb. 3 ermittelt. Dieser Vergleichskörper entspricht hinsichtlich Geometrie, Werkstoff, Schweißtechnik und Oberflächenbeschaffenheit dem Prüfgegenstand.

Abb 3: Vergleichskörper für die Ultraschallprüfung.

4.3 Auswahl der Prüftechnik
Die Prüfung erfolgt von der ferritischen Grundwerkstoffseite aus. Grundsätzlich ist für die Ultraschallprüfung neben der geometrischen Zugänglichkeit der Übergang

Ferritischer Grundwerkstoff/Pufferung

von Bedeutung.

Im vorliegenden Fall wurden unter Berücksichtigung dieser Randbedingungen die Prüftechniken gemäß Tabelle 2 in Betracht gezogen, wobei Erfahrungen aus der Praxis berücksichtigt wurden.

Zone Prüfkopf Bemerkung
Außenoberflächen- naher Bereich
(Prüfkopfnah)
70 SEL 4
  • An der prüfkopfnahen Oberfläche sich ausbreitendes Longitudinalwellenbündel
  • ADEPT 60-3
  • Empfindlichkeit an der prüfkopfnahen Oberfläche ähnlich derjenigen des Kriechwellenprüfkopfes (Tiefenbereich bis 25 mm)
  • Wandmittenbereich 10/57 LLT 2
  • Wanddickenbereich: 25 mm bis 45mm
  • Ausreichendes S/R-Verhältnis
  • Geringer Projektionsabstand erforderlich
  • 54 Tandem 1,5
  • Alternative zu 10/57 LLT 2
  • bei Wanddicken von s > 45mm Abdeckung des von 10/57LLT2 nicht erfassten Bereiches
  • Unterschiedliche Empfindlichkeit über Tiefenbereich
  • zur Bestimmung der Tiefenlage von Reflektoren geeignet (z.B. Analyse von Anzeigen mit Prüfkopf 10/57 LLT 2)
  • Innenoberflächen- naher Bereich
    (Prüfkopffern)
    45 SET 1,5
  • Gutes S/R-Verhältnis an der prüfkopffernen Oberfläche im Bereich der Pufferung und bei plattierten Schweißnahtgeometrien
  • Table 2: Ausgewählte Ultraschall-Prüftechniken

    Das Design und die akustischen Ersatzschaubilder für unterschiedliche Wanddicken sind für die Prüfköpfe 10/57 LLT 2 und 54 Tandem 1,5 in den Abb. 4 und 5 dargestellt.

    Hersteller Framatome ANP
    Gehäuse-Abmessung 20mm x 40mm
    Schwinger-abmessungen 2 (12mmx12mm)
    Frequenz 2 MHz
    Einschallwinkel für Longitudinalwelle 10 Grad
    Einschallwinkel für Transversalwelle 57 Grad

    Abb 4: Prüfkopf 10/57 LLT 2.

    Hersteller Framatome ANP
    Gehäuse-Abmessung 20mm x 40mm
    Schwinger- Abmessung 2 (7,5mmx12mm)
    Frequenz 1,5 MHz
    Einschallwinkel für Transversal-wellen 2 x 54 Grad

    Abb 5: Prüfkopf 54 Tandem 1,5.

    4.4 Ergebnis der Qualifizierung
    Als Ergebnis der Qualifizierung ist die Einstellung der Prüfempfindlichkeit für die jeweiligen zu prüfenden Tiefenbereiche gemäß Tabelle 3 vorzunehmen.

    Zone Prüftechnik Reflektor Reflektorabmessung
    [mm]
    Außenoberflächen- naher Bereich 70 SEL 4 Nut N 20 x 3 (Länge x Tiefe)
    Wandmittenbereich 10/57 LLT 2 Flachbodenbohrungen
    A, B, C und D
    Æ 5
    54 Tandem 1,5 Flachbodenbohrungen
    D, E und F
    Æ 5
    45SET1,5 Flachbodenbohrung G Æ 5
    Innenoberflächen- naher Bereich 45SET1,5 Nut M 20 x 3 (Länge x Tiefe)
    Tabelle 3: Prüftechnik und Bezugsreflektor

    In den Abbildungen 6 bis 9 werden repräsentativ für die in der Tabelle 3 aufgeführten Prüftechniken und den zugehörigen Reflektoren das jeweilige A-Bild im Echohöhenmaximum und das C-Bild dargestellt.

    Abb 6: Prüfkopf 70 SEL 4; Nut N (Außenoberflächennaher Bereich);
    Einschallung von der ferritischen Seite aus.

    Abb 7: Prüfkopf 10/57 LLT 2; Flachbodenbohrung C (22 mm tief);
    Einschallung von der ferritischen Seite aus

    Abb 8: Prüfkopf 45 Tandem 1,5; Flachbodenbohrung F (40 mm tief);
    Einschallung von der ferritischen Seite aus

    Abb 9: Prüfkopf 45SET1,5; Nut M (Innenoberflächennaher Bereich);
    Einschallung von der ferritischen Seite aus.

    Die Abbildung 10 zeigt die Empfindlichkeitscharakteristiken der ausgewählten Prüfköpfe in Tiefenrichtung mit den dazugehörigen Projektionsabständen. Der gesamte Wanddickenquerschnitt wird mit einem ausreichenden Signal-Rausch-Verhältnis abgedeckt.

    Abb 10: Empfindlichkeitscharakteristiken und zugehörige Projektionsabstände.

    5 Mechanisierte Durchführung der Prüfung

    Als wesentliche Vorteile der mechanisierten Prüfdurchführung werden folgende Aspekte herausgestellt:

    • Objektive und reproduzierbare Erfassung von Messwerten
    • Ergebnisdarstellung als Projektionsbilder über Verknüpfung von Ortskoordinaten und Ultraschall-Messwerten
    • Einsatz von Rekonstruktionsverfahren
    • Begrenzung der Strahlenexposition für das Prüfpersonal bei Wiederkehrenden Prüfungen in kerntechnischen Anlagen

    Zum Einsatz kommt ein Prüfsystem mit Fließwasserzufuhr und Absaugung gemäß Abb. 11.

    Abb 11: Prüfsystem für die mechanisierte Ultraschallprüfung von Rohrleitungsrund-nähten.

    Wesentliche Vorteile der mechanisierten Prüfdurchführung:

    • Objektive und reproduzierbare Erfassung von Messwerten
    • Ergebnisdarstellung als Projektionsbilder über Verknüpfung von Ortskoordinaten und Ultraschall-Messwerten
    • Einsatz von Rekonstruktionsverfahren
    • Begrenzung der Strahlenexposition für das Prüfpersonal bei wiederkehrenden Prüfungen

    6 Anpassung des Regelwerkes

    Der Kerntechnische Ausschuss hat auf seiner 53. Sitzung am 15. Juni 1999 den Verband der Technischen überwachungs-Vereine e.V. federführend beauftragt, einen Entwurf zur änderung der Regel

    KTA 3211.3Druck- und aktivitätsführende Komponenten von Systemen außerhalb des Primärkreises; Teil 3: Herstellung (Fassung 6/90)

    durch ein Arbeitsgremium erarbeiten zu lassen. Dabei war insbesondere eine Anpassung der Forderungen zur zerstörungsfreien Prüfung an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik durchzuführen, um eine aufeinander abgestimmte Prüfung an den Erzeugnisformen und bei der Herstellung sicherzustellen. Inzwischen liegt der Regeländerungsentwurf (Fassung März 2002) vor.

    Für Schweißverbindungen zwischen ferritischen Stählen und austenitischen Stählen wurden unter Berücksichtigung des mit der GRS-Weiterleitungsnachricht
    WLN 2001/01 bekannt gemachten Sachverhaltes folgende Ergänzungen eingeführt:

    • Als Anforderung an die Verfahrens- und Arbeitsprüfung wurde ergänzend eine Härteprüfung im Bereich der Aufmischzone zwischen dem ferritischen Grundwerkstoff und dem Schweißgut sowie eine Seitenbiegeprobe spezifiziert. Damit sollen die Martensitbildung im Aufmischbereich und die Verformungseigenschaften in dieser Zone besser überprüft werden.
    • Bei Schweißverbindungen zwischen ferritischen Stählen und austenitischen Stählen wurden die Regelungen zur zerstörungsfreien Prüfung dahingehend ergänzt, dass die Grenzfläche zwischen Schweißgut und ferritischem Grundwerkstoff bzw. zwischen Pufferung und ferritischem Grundwerkstoff nach dem Schweißen der Verbindungsnaht auf Bindung geprüft wird.

    Die in diesem Beitrag beschriebene Vorgehensweise erfüllt die Anforderungen der in dem Regeländerungsentwurf spezifizierten Festlegungen.

    STARTHerausgeber: DGfZPProgrammierung: NDT.net