Erfolg vervielfacht

So rettete ein Team 188 Rehkitze in Franken vor Verletzung und Tod

16.7.2021, 06:04 Uhr
Drei der derzeit sieben Kitze, die Simone Schmidt mit Lämmermilch aufpäppelt.

© Robert Gerner, NN Drei der derzeit sieben Kitze, die Simone Schmidt mit Lämmermilch aufpäppelt.

Simone Schmidt zählt auf: 188 Rehkitze habe man binnen weniger Wochen aus Wiesen vor der Mahd bergen, sichern und damit retten können. Hinzu kamen Mäusebussarde, Schwäne, Enten und andere Wildvögel, Igel, und ein Feldhase, die Vereinsmitglieder aufpäppeln oder zumindest an fachkundige Experten vermitteln konnten. "Im Vergleich zum Vorjahr", sagt die Vorsitzende des erst vor einigen Monaten gegründeten Vereins Rehkitzrettung Franken, "haben wir unseren Erfolg vervier- bis verfünffacht".

Fast 600 Hektar geschafft

Das war aus vielerlei Gründen möglich. Erstens: Schmidt beschreibt die Zusammenarbeit mit Jägern und den allermeisten Landwirten als "vorbildlich". Zweitens: Die Bechhofenerin hat inzwischen einen Stamm von rund 30 Interessierten, die beim Ablaufen der Wiesen helfen.

Und drittens: Erstmals konnten heuer in großem Stil zwei Drohnen eingesetzt werden. So sei es möglich gewesen, knapp 600 Hektar landwirtschaftlich genutzte Wiesen abzulaufen und abzufliegen. "Teilweise waren vier Teams parallel im Einsatz", so Schmidt. Zwei reine "Laufteams", zwei weitere kleinere Teams, welche sich mithilfe der Drohnen auf die Suche machten.

Simone Schmidt mit ihrem größten Sorgenkind. "Herr Schmidt" hat durch einen Hundebiss ein Auge verloren. Inzwischen steht das Jungtier aber zumindest wieder.

Simone Schmidt mit ihrem größten Sorgenkind. "Herr Schmidt" hat durch einen Hundebiss ein Auge verloren. Inzwischen steht das Jungtier aber zumindest wieder. © Robert Gerner, NN

Die Rettung der Rehkitze hat sich die Bechhofenerin schon seit vielen Jahren auf die Fahnen geschrieben. Gemeinsam mit Freunden und Bekannten lief sie Wiesen ab, bevor diese gemäht wurden und barg das eine oder andere Rehkitz. Die Ricken gebären ihre Kitze ganz oft im hohen Gras. Die Setzzeit fällt mit der Mahd der Wiesen zusammen.

Während die Ricke vor den anrückenden landwirtschaftlichen Großmaschinen fliehen kann, duckt sich das Kitz instinktiv und bewegt sich keinen Zentimeter - und wird so nicht selten Opfer der messerscharfen Mähwerkzeuge. Denn für die Landwirte auf ihren großen Maschinen sind die Tiere so gut wie unsichtbar.

"Das ist mein Antrieb"

Wie viele Neugeborene jährlich verstümmelt oder getötet werden, lässt sich kaum abschätzen. Doch dass es von Jahr zu Jahr weniger werden, ist der Antrieb von Simone Schmidt.

In der Regel läuft die Rehkitzrettung nach immer dem gleichen Schema ab. Der Landwirt informiert den Verein, wenn die Wiese gemäht werden soll. Der Verein trommelt seine Mitglieder und Helfer zusammen. Von ihrer Mutter zurückgelassene Kitze werden aus der Wiese an den Waldrand getragen und in einer Box "gesichert", bis der Landwirt fertig ist.

Das Kitz wird danach am Waldrand abgelegt. Ein Vereinsmitglied kontrolliert am Abend, ob die Mutter ihr Junges wieder versorgt. Das heißt: In aller Regel bleiben die Rehkitze in der Natur.

Problem: Freilaufende Hunde

Und doch hüpfen und springen in Simone Schmidts kleinem Garten im Abenberger Ortsteil Bechhofen derzeit sieben Kitze durchs hohe Gras. Drei weitere sind bei einer Freundin in Prünst bei Rohr untergebracht. Und weitere drei sind schon so selbstständig, dass sie in ein Auswilderungsgehege gebracht werden konnten.

So sieht es derzeit im kleinen Garten von Simone Schmidt in Bechhofen bei Abenberg aus.

So sieht es derzeit im kleinen Garten von Simone Schmidt in Bechhofen bei Abenberg aus. © Robert Gerner, NN

Dabei, so berichtet Simone Schmidt, handelt es sich aber nicht um Findelkinder aus den Wiesen. In Einzelfällen verloren die Kitze ihre Mutter zum Beispiel durch einen (Auto-)Unfall. Die meisten der Handaufzuchten mit der Flasche (Lämmermilch!) sind jedoch in ihren ersten Lebenstagen Opfer von freilaufenden Hunden geworden. "Das Problem", sagt Simone Schmidt, "wird immer größer".

Dabei will sie Hundebesitzer beileibe nicht über einen Kamm scheren. Die allermeisten würden sich mit ihren Vierbeinern in freier Natur vorbildlich verhalten. "Und doch gibt es nicht wenige, die ihre Hunde an kritischen Stellen nicht an der Leine lassen." Das Ergebnis bekommt Simone Schmidt nicht selten vor die Haustür gelegt. 21 zum Teil schwer verletzte Rehkitze hat sie versucht aufzupäppeln. Acht waren so schwer verletzt, dass sie es nicht schafften.

"Herr Schmidt" könnte es schaffen

"Herr Schmidt" schien lange Zeit Nummer neun zu werden. "Herr Schmidt" ist ein männliches Rehkitz, das ein Mann namens Schmidt in Fünfbronn bei Spalt aufgesammelt und zu Simone Schmidt nach Bechhofen gebracht hat. Deshalb der ungewöhnliche Name. Wahrscheinlich durch einen Hundebiss hat der Vierbeiner sein linkes Auge verloren. Möglicherweise hatte er auch innere Verletzungen. Er bewegte sich eine Woche lang kaum.

Simone Schmidt fürchtete, dass ihr Neuzugang nicht überleben würde. Doch inzwischen steht er ein wenig wackelig und schwankend auf zittrigen Beinen und frisst selbstständig Grünfutter, Apfel, Mais und Sonnenblumenkerne. Schmidt: "Ich bin jetzt optimistisch, dass er durchkommt."

Er wird in ein paar Wochen mit "Bobby" und "Franzi", mit "Lotte" und "Max" und mit all den anderen Handaufzuchten zunächst in ein Auswilderungsgehege verlegt. Die Starken kommen dann im Herbst in ein Revier, die Schwächeren vielleicht erst nächstes Frühjahr. Unterstützung bekommt Simone Schmidt hier vor allem von Jägern.

Weitere Drohne anschaffen

Die Rehkitzrettung Franken, die vor allem in den Kreisen Roth und Weißenburg-Gunzenhausen sowie rund um Schwabach im Einsatz ist, will im nächsten Jahr weiter wachsen. Eine dritte Drohne - bislang ist eine im Vereinsbesitz, mit einer zweiten ist ganz oft der Abenberger Unterstützer Philipp Dick unterwegs - soll angeschafft werden. Als Verein bekommt die Rehkitzrettung einen 60-prozentigen Zuschuss. Allerdings sind Anschaffungskosten von rund 7000 Euro kein Pappenstiel.

Deshalb wird sich Simone Schmidt jetzt, da die Rettungssaison so gut wie vorbei ist, wieder verstärkt auf Sponsorensuche machen. "Als Verein tut man sich da ein bisschen leichter als als Privatperson", sagt sie. Jetzt ist vielleicht auch Zeit, die bislang erst rudimentär bestückte Homepage zu pflegen. "Die Arbeit", sagt die Angestellte im Pflugsmühler Biergarten, "geht mir also nicht aus".

Wer den Kauf einer weiteren Drohne des Vereins Rehkitzrettung Franken finanziell unterstützen will, kann dies mit einer Spende tun. Die Rehkitzrettung hat ihr Konto bei der auf Vereine spezialisierten Deutschen Skatbank. IBAN: DE25 8306 5408 0004 2827 28.

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