Figuren in einer aussichtslosen Partie

11.10.2016, 14:00 Uhr
Figuren in einer aussichtslosen Partie

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Lion Feuchtwanger hat seine Leser ins Spanien des zwölften Jahrhunderts geschickt. Das ist ein Punkt, der diese Geschichte fürchterlich macht. Denn die Mechanismen, von denen er in seiner „Jüdin von Toledo“ erzählt, sind vertraut und aktuell zugleich. Es geht nicht zuletzt um das Verhältnis der drei Weltreligion – Judentum, Islam, Christentum. Und damit um Macht und Wirtschaftsinteressen, Alleinstellungsambitionen und Verfolgung. Plus persönliche Gefühle.

Wird der Versuch, diese heillose Mixtur auf die Bühne zu bringen, nicht automatisch zum Drahtseilakt? Kristo Šagor ist das Wagnis eingegangen, die Uraufführung am Stadttheater Wilhelmshaven wurde von der Kritik vor vier Jahren freundlich kommentiert. In Fürth wird das Šagor-Stück nun erst zum zweiten Mal inszeniert. Regisseur Michael Götz erinnert die Unausweichlichkeit, mit der die Handlung abläuft, sobald sie in Gang gesetzt ist, an ein Spiel: „Das funktioniert beinahe wie eine Art von ,Mensch ärgere dich nicht‘, die Akteure sind die Spielfiguren.“

Die Regeln sind klar: Wer das Gefüge stört, fliegt raus. Die „karge Bühnengestaltung“ von Ditteke Waidelich wird diesen stringenten Charakter aufgreifen. Für Götz drängt sich freilich die folgerichtige Frage auf, wie es gelingen kann, die Jüdin nicht von vorneherein als Opfer einer aussichtslosen Partie zu präsentieren. „Wir versuchen darzustellen, was diese Frau bewegt, und wollen nachvollziehbar machen, was sie umtreibt.“

Michael Götz, der aus Würzburg stammt, schwärmt, wenn es um sein Ensemble geht. Der Regisseur macht deutlich: „Alle sind unglaublich schnell zusammengewachsen.“ Ein wesentlicher Aspekt, der auch geholfen habe, als Tristan Fabian während der Proben krank wurde. Seinen Part hat Boris Keil (26) übernommen, der aus Fürth kommt, im Theaterjugendclub des Stadttheaters startete, in Hamburg die Schauspielschule absolvierte und unter anderem am Gostner Hoftheater in „Tschick“ zu sehen war.

Hermann aus „Heimat“

Die Rolle des reichen jüdischen Kaufmanns Jehuda Ibn Ezra übernimmt Henry Arnold, der in den Neunzigern mit „Heimat“ bekannt wurde. Im zweiten und dritten Teil des großartigen, 50-stündigen Fernsehfilmwerks von Edgar Reitz spielte Arnold die Hauptfigur Hermann Simon. Heute arbeitet der Schauspieler, der unter anderem auch den Studiengang Dirigieren in Berlin absolvierte, zudem als Opernregisseur. Bei den Bayreuther Festspielen war er in der vielbeachteten „Lohengrin“-Inszenierung von Hans Neuenfels mit Dramaturgie und Regie-Mitarbeit betraut.

Götz hat damit jetzt in Fürth eine Besetzung, zu der mit Arnold, Thomas Stang, Martin Molitor und Michaela Domes auch vier Darsteller gehören, die selbst Regie-Erfahrung besitzen – und älter sind als er. Eine Vorstellung, die bei ihm im Vorfeld Druck aufgebaut hat? „Klar hab’ ich am Anfang daran gedacht, wäre ja auch merkwürdig gewesen, wenn nicht“, sagt der 34-Jährige, „aber innerhalb kürzester Zeit war deutlich, dass das kein Thema ist.“ Überhaupt sei die Besetzung mit erfahrenen und ganz jungen Schauspielern „für alle eine Riesenchance“, weil es zum Beispiel einen intensiven Austausch über die jeweiligen Vorstellungen von Theater gebe.

Mit der Titelrolle wird Sunna Hettinger ihren Einstand geben, die neu ans Stadttheater gekommen ist. Zu den insgesamt fünf Ensemble-Mitgliedern des Hauses gehören weiterhin Josephine Mayer, Damjan Batistic und David Schirmer, die ebenfalls in der „Jüdin von Toledo“ spielen. In Zukunft werden die jungen Darsteller mit ihrem künstlerischen Leiter Thomas Stang aber nicht mehr wie bisher als „Kult“-Ensemble firmieren. Der Begriff „Kult“, abgeleitet aus Kinder- und Jugendtheater, steht ab jetzt für das gesamte Angebot, das sich an junge Menschen richtet.

„Die Jüdin von Toledo“: Premiere am Freitag, 19.30 Uhr, Stadttheater. Karten (Premiere 11-38, sonst 11-33 Euro) im FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19, Tel. 2 16 27 77) und an der Abendkasse. Weitere Termine: 15./16. und 19. bis 22. Oktober, jeweils 19.30 Uhr. Theatergottesdienst am 16. Oktober (9.30 Uhr), Auferstehungskirche im Stadtpark.

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