Fund einer Altdeponie: Einkapseln statt graben

12.3.2014, 09:00 Uhr
Fund einer Altdeponie: Einkapseln statt graben

© Berny Meyer

Wer sich ein Grundstück kauft, will Sicherheit. Sicherheit, dass keine Schwermetalle oder flüchtige Kohlenwasserstoffe aus dem Untergrund austreten. Sicherheit, dass der Kinderspielplatz nebenan kein Müllendlager oder eine Munitionsgrube war. Ein „Mischfall“, wie ihn Hans Leuchs nennt, liegt zwischen Bodenschutzrecht und Bauleitplanung im Fall der Böhmerwaldstraße in Höchstadt vor.

Es existieren äußerst unterschiedliche Deponien. Jeder Fall muss überprüft werden, ob gefährliche oder ungefährliche Ablagerungen vorliegen. Auch zwischen untersuchten und nicht untersuchten Altlasten ist zu unterscheiden.

Genaue Vorschriften

Seit 1978 ist genau geregelt, wie eine Deponie abgedeckt werden muss, nach welchen Vorschriften Gas und Sickerwässer kontrolliert werden müssen.

Altlastenverdachtsfälle sind relativ bekannt und gehen oft auf gewerbliche Nutzungen zurück. Wird eine Amtsermittlung nötig, so tritt das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg an den Fall heran. Bei „orientierenden Untersuchungen“ schlägt das Landratsamt Flächen vor.

Für die Sanierung von Flächen muss das Landratsamt einen Störer auswählen; das kann der Betreiber einer Tankstelle, chemischen Reinigung oder sonstigen Firma sein, der Rechtsnachfolger eines Betreibers oder auch der Grundstückseigentümer. Bei der Auswahl sind im Einzelfall vielfältige Kriterien heranzuziehen, unter anderem auch die finanzielle Leistungsfähigkeit.

Historie Herzo Base

Beispiel Herzo Base. Der zweite Abschnitt der Wohnbebauung steht an, anschließend der dritte.

Führt man sich die Historie vor Augen, so weiß man, dass die spätere US Army-Base (bis 1992) seit den 1930 Jahren und verstärkt im Zweiten Weltkrieg als Militärgelände genutzt und ausgebaut wurde.

Nach Abzug der Amerikaner ging das Gelände an die Bundesrepublik Deutschland über, dann an die GEV (Grundstückserschließungsgesellschaft) von adidas (90 Prozent) und Stadt (zehn Prozent). Inzwischen hat die Stadt Herzogenaurach das Areal erworben.

Die GEV ließ das Gelände an 70 Stellen durch Bodengutachter untersuchen und sanierte von sich aus, vor dem Hintergrund, dass adidas dort sein Hauptquartier ausbauen wollte.

Vertraglich sicherte sich die GEV beim Bund ab, dass sie die Sanierungskosten erstattet bekam.

Leuchs: „Für die Entwicklung der Herzo Base und für uns als Behörde ein Glücksfall. Denn wäre das Areal eigentumsmäßig zerstückelt worden, so hätten wir es mit vielen Einzelfällen zu tun bekommen.“

1991 wurde mit Recherchen und Kartierungen angefangen, noch mit Präsenz des Umweltschutzbeauftragten der US Army. Über ein zentrales Programm des Landes Bayern wurden große Ingenieurbüros beauftragt, die per Luftaufnahmen nach den Bombentrichtern forschten. Daraus entstand der Plan mit den Altlastverdachtsflächen. In der nächsten Phase wurden von Gutachtern Bodenproben gezogen. Gesichert worden ist auch die dortige Deponie, der Erdhügel am Rand des Zauns unweit des Ortseingangs von Haundorf.

Metallverarbeitende Betriebe und chemische Reinigungen, wie vor Jahrzehnten der Fall in der Herzogenauracher Steggasse, sind die typischen Fälle von Altlasten in Stadtgebieten:

Die Verseuchung des Bodens mit Per und Tri. Hier sorgt eine Absaugung der Schadstoffe aus der ungesättigten Bodenzone oft für eine schnelle Bodensanierung. Sollte es möglich sein, diese Stoffe aus ungesättigten Bodenzonen abzusaugen, „so ist der bessere Umstand eingetreten“, bewertet Leuchs.

Befinden sich die Stoffe bereits im Grundwasser, so sind Sanierungszeiten von 30, 40 Jahren angesagt.

Hans Leuchs erinnert an einen der schwersten Fälle in der Altlastenentsorgung, aus Zeiten als noch kein Bodenschutzrecht existierte:

1990 SEL, dann Alcatel in Uttenreuth. „Je mehr man untersuchte, desto schwieriger wurde es.“ Zumal SEL die Verantwortung zunächst teilweise bestritt, bevor man sich auf den Abschluss zweier öffentlich-rechtlicher Sanierungsverträge einigte.

Mittlerweile konnte die Bodensanierung abgeschlossen und das Areal wieder einer Nutzung (Wohngebiet) zugeführt werden, obwohl die Grundwassersanierung noch läuft. Dadurch ergeben sich nur geringe Einschränkungen, wie z. B. das Verbot von Bohrungen (Brunnen, Erdsonden). Heutzutage seien zum Bodenschutzrecht X Urteile vom Verwaltungsgericht nachlesbar. Damals war es Neuland.

Wer ein Häuschen plant auf Baugrund, den er nicht kennt, sollte entsprechend dem Bebauungsplan einsehen, was früher dort war, so der Rat des Experten. Zwar sollten Projektentwickler informieren, doch erzwingen könne man dies nicht.

Bei Altdeponien stellt sich die Frage nach der Entsorgung von Müll nicht. Im Regelfall wird der Schutt nicht ausgebaut. Meist wird nur durch Einkapseln gesichert, das Oberflächenwasser wie auf der Herzogenauracher Mülldeponie davon abgehalten, Stoffe auszuwaschen und die Überwachung mit Gasbrunnen und Kontrolle der Sickerwässer begonnen.

Zu den Altdeponien der Gemeinden hat der Freistaat Bayern ein Programm aufgelegt, eine Art Deponiesanierungsfonds, vergleichbar Vollkasko mit Selbstbeteiligung.

Sanierungsfonds

Sobald eine orientierende Untersuchung Schadstoffpotenzial ergibt, kann der seit 2005 existierende, bis 2015 verlängerte Fonds eintreten. Für die Altdeponie in Röttenbach konnte der Sanierungsfonds in Anspruch genommen werden. Altdeponien in Wasserschutzgebieten sind glücklicherweise sehr selten, müssen dann jedoch sehr genau betrachtet werden, so z. B. die sanierte Altdeponie westlich von Höchstadt.

„Die Gemeinden gehen unterschiedlich damit um“, weiß Leuchs: „Manche schweigen das lieber tot, manche wollen, dass die Amtsermittlung eintritt.“

In der Höchstadter Böhmerwaldstraße wäre es nach Ansicht von Leuchs, „sicher sinnvoller gewesen, die Altdeponie zu untersuchen, ohne vorher Teile davon auszubaggern. Dann wäre im Ganzen zu entscheiden gewesen, wie mit der Ablagerung umzugehen ist.“ So muss jetzt der ausgebaggerte Abfall teuer entsorgt und die verbliebene Ablagerung ebenfalls untersucht werden. Derzeit in Fachkreisen diskutiert wird eine gezielte Öffnung von Altdeponien zur Gewinnung von Rohstoffen. Doch diese Recycling-Variante sei noch nicht Realität. Eben Zukunftsmusik.

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