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Schwangerschaft

Schwanger und keiner darf es wissen? So läuft eine vertrauliche Geburt im Kreis Herford ab

Eine vertrauliche Geburt bietet Frauen, die ihre Schwangerschaft geheim halten möchten, ein legales Angebot für die Entbindung. Die Identität ist verschlüsselt.

In Deutschland können Frauen vertraulich entbinden. Dafür nutzen sie ein Pseudonym. | © Pixabay (Symbolbild)

In Deutschland können Frauen vertraulich entbinden. Dafür nutzen sie ein Pseudonym. | © Pixabay (Symbolbild)

18.07.2023 | 19.07.2023, 12:59

Kreis Herford. Jede Frau, die ihre Schwangerschaft geheim halten möchte, kann ihr Kind vertraulich und medizinisch sicher zur Welt bringen. Im Klinikum Herford werden ein- bis dreimal im Jahr vertrauliche Geburten durchgeführt, sagt Katrin Ramöller, Diplom-Psychologin am Klinikum Herford. Der Prozess ist aufwendig, viele Menschen und Institutionen sind dabei eingebunden. Ramöller: "Die Frauen müssen dabei an die Hand genommen werden."

Die Identität der Frau wird bei der vertraulichen Geburt verschlüsselt. "Es ist rechtlich abgesichert die einzige Möglichkeit, ein Kind zur Welt zu bringen, ohne seinen Namen zu nennen", sagt Kerstin Stute. Die Leiterin der Beratungsstelle für Schwangerschaft, Familie und Sexualität im Diakonischen Werk Herford gGmbH und ihr Team begleiten die Frauen dabei.

Wird der Weg der vertraulichen Geburt gewählt, muss die Beraterin, die einer Schweigepflicht unterliegt, einmal die Personalien feststellen. Die werdende Mutter wählt dann ein Pseudonym. Unter diesem neuen Namen finden alle weiteren Gespräche, Voruntersuchungen und die Entbindung im Klinikum statt.

Zwei Anlaufstellen für Schwangere in Krisen gibt es im Kreis Herford

Die Schwangerschaftsberatungsstellen sind die Schaltstellen, wenn sich eine Frau in einer Notlage oder schwierigen Lebenssituation befindet, ungewollt schwanger ist und nicht weiß, ob sie das Kind abtreiben oder austragen möchte. Bei einem Abbruch muss zwingend ein Beratungsgespräch geführt werden, bei anderen Krisensituation kann die schwangere Frau die Beratungsstelle aufsuchen und hier Hilfen und Lösungswege finden.

Im Kreis Herford gibt es zwei Anlaufstellen: die Diakonie in Herford und Pro Familia in Bünde. Die Beratung ist kostenlos, die Gespräche vertraulich. "Wir sind neutral und klären über Hilfestellungen zur Notlage auf", sagt Stute. Sollte sich die Schwangere für eine vertrauliche Geburt entscheiden, begleiten und steuern die Mitarbeiterinnen der Diakonie Herford, die alle als Fachkräfte qualifiziert sind, das gesamte Verfahren organisatorisch, melden die Frau unter dem Pseudonym in einer Klinik oder bei einer Hebamme an, treten mit dem Jugendamt und der Adoptionsvermittlungsstelle in Kontakt. All das sei sehr intensiv: "Wir machen das immer zu zweit."

Ein Gesetz für den legalen Weg der Entbindung gibt es erst seit 2014

Der legale Weg zu einer sicheren Geburt ist erst im Mai 2014 in einem Gesetz verankert worden. Das "Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt" besagt, dass jede Frau das Recht hat, sich während und nach der Schwangerschaft anonym bei einer Beratungsstelle beraten zu lassen und medizinische Hilfe beschützt in Anspruch zu nehmen. Niemand soll allein und ohne Hilfe ein Kind zur Welt bringen müssen. Ziele des Gesetzes sind, Kindesaussetzungen oder gar Kindestötungen zu verhindern.

Für Frauen, die einen Anonymitätswunsch haben, soll damit ein geregeltes Angebot geschaffen werden, gleichzeitig wird die Vertraulichkeit für die werdende Mutter garantiert und die Rechte des Kindes gesichert.

Die Babyklappe wird es weiterhin am Klinikum Herford geben. Sie ermöglicht der Mutter, ihr Neugeborenes komplett anonym abzugeben. Dafür wird es in ein Wärmebett gelegt, das leicht zugänglich, aber nicht öffentlich einsehbar ist. Sobald sich die Klappe schließt, wird Hilfe gerufen, um das Kind medizinisch zu untersuchen. Anders als bei der vertraulichen Geburt weiß das Kind später nichts über seine Herkunft. "Es kommt sehr selten vor, dass in der Babyklappe ein Kind abgelegt wird", sagt Ramöller. In Hüllhorst gibt es ein weiteres Angebot, hier sind innerhalb von 20 Jahren 13 Babys abgelegt worden.

Herkunft der Mutter bleibt mindestens 16 Jahre unantastbar

Die Möglichkeit der vertraulichen Geburt soll die Nutzung von Babyklappen vermeidbar machen. Das Kind wird nach der Geburt dem Jugendamt gemeldet, einer Pflegefamilie anvertraut und anschließend zur Adoption freigegeben. Die Mutter darf den Namen vorab vergeben. "In der Regel übernehmen die Adoptiveltern den gegebenen Namen, zumindest als Zweitnamen", berichtet Stute.

Die eigene Herkunft zu kennen, ist für adoptierte Kinder mitunter enorm wichtig. Daher kann die Frau, die sich für eine vertrauliche Geburt entscheidet, auch Informationen zur eigenen Person weitergeben. Etwa Charaktereigenschaften, familiäre Prägungen und ethische Zugehörigkeit. Auch kann sie eine Mitteilung verfassen, die die Gründe für die Abgabe des Kindes enthält.

Das Kind hat mit seinem 16. Geburtstag das Recht, mehr über seine Herkunft zu erfahren und damit auch die Identität seiner leiblichen Mutter. Sollten das Kind oder die Mutter durch die Offenlegung des Namens in Gefahr geraten, sind Ausnahmen möglich. Im Gegensatz dazu steht die anonymen Geburt. Hier gibt es keinen Herkunftsnachweis, die Frau bleibt vollkommen anonym. Sie befindet sich damit rechtlich aber in einer Grauzone. In jedem Fall verstößt sie gegen das Personenstandsgesetz, was als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann.

Information


Beratungsstellen und Hilfetelefon

Wenn die Schwangerschaft zur Herausforderung wird, sind die Beraterinnen vom Hilfetelefon "Schwangere in Not" da. Erreichbar ist die Hotline rund um die Uhr unter Tel. 0800 4040020. Die Beratung erfolgt anonym, ist kostenlos und kann in 19 Sprachen erfolgen.

Seit dem 1. Juni ist das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" aus dem deutschen Telefon- und Mobilnetz unter der Nummer 116 016 erreichbar. Die bisherige Nummer 08000 116 016 bleibt noch für mindestens ein Jahr parallel gültig. Unter der 116 016 bekommen gewaltbetroffene Frauen demnächst in 15 Ländern Europas Hilfe. 22 EU-Staaten, die Schweiz und die Europäische Kommission unterstützen das Vorhaben einer europaweit einheitlichen Nummer, unter der das jeweilige nationale Hilfetelefon erreichbar ist.

Die Schwangerenberatung der Diakonie Herford ist erreichbar unter Tel. 05221 599864 und per Mail schwangerschaft.konflikt@dw-herford.de.

Bei der Beratungsstelle Familia in Bünde kann unter Tel. 05223 992223 ein Termin vereinbart werden. Per Mail ist der Kontakt über buende@profamilia.de möglich.