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Rödinghausen

Als Schnee im hohen Bogen flog

Ein Wintermärchen: Wie Heinrich Meyer Ende der 70er Jahre mit seinem improvisierten Räumfahrzeug der Gemeinde aus der Patsche half

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Mit Schmackes: Heinrich Meyers selbstgebautes Räumgerät verfügte über eine sehr kraftvolle Schneeschleuder, die die weiße Masse im hohen Bogen bis weit über die andere Straßenseite hinaus aufs Feld warf. Ein Einsatz in Wohnsiedlungen war deshalb etwas schwierig. | © Privat

Mit Schmackes: Heinrich Meyers selbstgebautes Räumgerät verfügte über eine sehr kraftvolle Schneeschleuder, die die weiße Masse im hohen Bogen bis weit über die andere Straßenseite hinaus aufs Feld warf. Ein Einsatz in Wohnsiedlungen war deshalb etwas schwierig. | © Privat

24.12.2016 | 24.12.2016, 03:23
An der Bünder Straße: Die Rotoren der vom Schrottplatz besorgten Schneeschleuder sind auf diesem Bild sehr gut zu erkennen. Bei August Kemner freute man sich sicher über den freigeräumten Zugang zum Geschäft. - © Privat
An der Bünder Straße: Die Rotoren der vom Schrottplatz besorgten Schneeschleuder sind auf diesem Bild sehr gut zu erkennen. Bei August Kemner freute man sich sicher über den freigeräumten Zugang zum Geschäft. | © Privat

Rödinghausen. Wenn heutzutage sieben weiße Flocken vom Himmel fallen, bricht bei kleinen Kindern die helle Freude aus - und auf den Straßen nicht selten das große Verkehrschaos. Es ist noch gar nicht lange her, da war Schnee im Winter an der Tagesordnung. Und die Menschen konnten damit umgehen. Der Winter 1978/79 war allerdings eine Ausnahme.

Im Januar und Februar '79 türmte sich die weiße Masse auf manchen Straßen mehr als einen Meter hoch. Und es wollte und wollte nicht aufhören zu schneien. Die Gemeinde bat dringend um Hilfe - und Heinrich Meyer erhörte den Ruf. Der selbstständige Landschaftsgärtnermeister hatte sich mit Landmaschinenmeister Bernhard Moritz aus Schwenningdorf schon häufiger eigenes Werkzeug zurechtgebastelt, um spezielle Arbeiten besser durchführen zu können. "Damals gab es ja noch nicht so viele Spezialmaschinen", erzählt der 79-Jährige.

Als die Gemeinde also anfragte, versah Meyer den leistungsstärkeren seiner beiden Traktoren kurzerhand mit einer großen Schaufel und legte los. Genau genommen waren es seine sechs Mitarbeiter, vor allem Ulrich Thomas und Manfred Schröder, die die meiste Arbeit machten. Meyer selbst beschränkte sich auf die Koordination der Einsätze - und machte sich bei Bedarf mit Dieselnachschub auf den Weg, um die schwer arbeitende und somit besonders durstige Maschine an ihrer jeweiligen Einsatzstelle zu versorgen.

"Tag und Nacht waren wir damals unterwegs", erinnert sich Meyer. Gemeinsam mit der Gemeinde und anderen Helfern wurde man der gewaltigen Schneemassen letztlich Herr. Die Einsätze lohnten sich für den Unternehmer auch finanziell, Meyer bereitete sich nicht zuletzt deshalb auf weitere Winterdienste in den kommenden Jahren vor. Beim Schrotthändler Wachtmann in Herford erstand er für wenig Geld eine alte Schneeschleuder, eine Welle und einen 150-PS-Motor, die er - wiederum mit Fachmann Moritz - an seinen Trecker montierte.

Auf den Schnee war seinerzeit Verlass - bereits im nächsten Winter kam das selbstgebaute Spezialgerät zum Einsatz. "Die beiden Rotoren pusteten den Schnee im hohen Bogen bis weit über die andere Straßenseite hinaus", erinnert sich Meyer. Ein echter Hingucker. Klar, dass die Schleuder nur in extrem ländlicher Gegend eingesetzt werden konnte. Wenn Wohnhäuser ins Spiel kamen, wurde mit der herkömmlichen Schaufel gearbeitet - der Schnee wäre sonst wohl in Vorgärten und Schlafzimmern gelandet.

Damit seine dick eingemummelten Mitarbeiter auf dem offenen Trecker nicht frieren mussten, baute Meyer flugs eine Art geschlossene Kabine, die über den Fahrersitz gestülpt wurde. Der Rödinghauser und seine leistungsstarke Schneefräse wurden so bekannt, dass es sogar Anfragen aus einigen Nachbargemeinden gab. Meyer sagte alles ab - er hatte am Wiehen genug zu tun. "So schlimm wie '79 wurde es allerdings nie wieder", sagt Meyer.

"Heute wäre das in der Form gar nicht mehr möglich", glaubt er. "Haftpflicht, TÜV - da gäbe es wahrscheinlich Probleme. Damals haben wir den TÜV doch gar nicht gefragt, ob wir damit auf die Straße dürfen", erinnert sich Meyer etwas wehmütig an gewisse Freiheiten der 70er-Jahre. Nach einigen Jahren Winterdienst baute er Schneeschleuder und Hilfsmotor jedenfalls wieder ab - und brachte sie zurück zum Schrotthändler. "Das lohnte sich einfach nicht mehr - in den 80er Jahren fiel ja immer weniger Schnee", erzählt der Rödinghauser und nippt an seinem Kaffee.

"Aber den Trecker gibt's noch", schickt er hinterher, stellt die Tasse auf den Tisch, zieht sich die Jacke an, setzt sich die Mütze auf und geht nach draußen. Und tatsächlich: Umgeben von allerlei Gerödel steht das alte Fahrzeug, Baujahr 1970, in einem nicht minder betagten Schuppen. Der einstige Hilfsmotor für die Schneeschleuder ist einem Heckgewicht aus Beton gewichen, vorne befindet sich eine Palettengabel. "Hier auf dem Grundstück ist das Fahrzeug manchmal noch im Einsatz", erzählt Meyer.

Dass das Schätzchen dereinst noch mal zur Schneefräse umfunktioniert werden muss, hält der Tüftler aber für extrem unwahrscheinlich - der Winterdienst der Gemeinde ist heute besser aufgestellt. Ist aber auch nicht so schwer - nach sieben Flocken ist der Winter ja meist schon wieder vorbei.

Information

Winterdienst am Wiehengebirge – so sieht’s in Rödinghausen in diesem Jahr aus

  • Auf Anfrage der Neuen Westfälischen schickte der Bauhof der Gemeinde Rödinghausen folgende Mitteilung zum diesjährigen Winterdienst:
  • Der Winterdienst erfolgt mit Fahrzeugen und einer Handräumkolonne.
  • Im Winterdienst kommt ein MAN TGM 18.340 mit Schneeräumschild und Aufsatzstreuer zum Einsatz.
  • Ferner verfügen wir über zwei Traktoren, die mit Solespritzen und Schneeräumschildern ausgerüstet sind.
  • Der Aufsatzstreuer ist mit einer besonderen umweltbewussten Technik versehen: Er misst anhand eines Infrarotsenders die Fahrbahntemperatur. Dadurch wird nur die für diese Temperatur benötigte Streumenge durchgelassen.
  • Ferner werden die Streumenge, die Streubreite und die Einsatzzeit automatisch erfasst.
  • Auf dem Bauhof sind 18 Tonnen Streusalz und 50.000 Liter Sole eingelagert. Zudem sind etwa zwei Tonnen Streusalz als Sackware zu je 25 Kilogramm vorhanden.
  • Vom 1. November bis zum 31. März besteht Rufbereitschaft für den Winterdienst.
  • Pro Woche sind sechs Kollegen dafür eingeteilt. Vier davon führen den maschinellen Winterdienst durch. Zwei arbeiten in der Handräumkolonne.
  • Die Rufbereitschaft erstreckt sich auch über Feiertage.