Ernst Würzburger mit Dokumenten und Bildern in den Händen am Computer. Sein nächstes Projekt: die Garnisonsstadt Höxter.
© Simone Flörke

Höxter Ein Archäologe hat sich der Untersuchung der Zwangsarbeit im Kreis angenommen

Ernst Würzburger hat das Thema Zwangsarbeit im Kreis Höxter unter die Lupe genommen. Sein 350 Seiten starkes Buch erscheint im Oktober

25.08.2016 | 25.08.2016, 15:36

Höxter. Das Manuskript ist fertig, aber er werde noch bis zum Korrekturlesen daran arbeiten, sagt Ernst Würzburger über sein neues Buch, mit dem er das bislang kaum beachtete Thema Zwangsarbeit im Kreis Höxter aufgearbeitet hat. 350 Seiten sind es geworden, mit 80 Abbildungen. Im Oktober soll es im Verlag Jörg Mitzkat in Holzminden erscheinen. Archive hat er durchsucht, 8.000 auf Mikrofilm gespeicherte Karteikarten mit Namen und Daten mit der Lupe abgesucht, im Internet recherchiert oder Kontakt zu Zeitzeugen oder deren Nachfahren aufgenommen.

„Ich beantworte Fragen, die ich selbst habe", sagt der Historiker und Autor, der heute 74 Jahre alt wird. Er wolle die Menschen über einen Teil der Geschichte ihrer Heimat informieren. Nur wer diese kenne, könne Zukunft gestalten. Sein Leserkreis seien aber keine Wissenschaftler. Aber sein Anspruch ist wissenschaftlich, genau wie seine Herangehensweise: Das Buch soll diesem Aspekt standhalten und Quelle für Historiker und andere Forscher sein.

Das Buch mit dem Titel "Zwangsarbeit im Kreis Höxter" erscheint im Oktober. © x

Dabei hatte er anfangs nur ein paar magere Infos in den Händen gehalten. Und die Idee dazu schon seit den 1990er-Jahren im Hinterkopf gehabt, über die Displaced Persons (DP), die Menschen ohne Heimat während und nach dem Weltkrieg, zu schreiben.
Schon bei der Recherche zu den Büchern „Verdrängte Geschichte" zur Geschichte des Nationalsozialismus in der Weserstadt (erschienen 1990, Neuauflage 2013) und „Der letzte Landsberger" (2015).

Viele Zwangsarbeiter lebten im Kreis Höxter

Bis auf zwei Aufsätze von 1984 habe er bis auf die beiläufigen Hinweise auf Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiten in Festschriften oder Chroniken nichts gefunden. Was die Arbeit schwermachte. Wie auch zeitliche und lokal unterschiedliche Aspekte in den damaligen Kreisen Höxter und Warburg oder die jeweilige Bezeichnung für die Meschen aus Polen und Russland, aber auch Belgien oder den Niederlanden.

„Ich war verblüfft, in welchem Umfang Zwangsarbeiter im Kreis Höxter lebten", sagt Würzburger. „Ein flächendeckendes Phänomen in allen Orten des Kreises. Bis auf zwei, in denen ich keine nachweisen konnte."

Es sei aber schwer, überhaupt Zahlen zu finden, weil immer wieder Lager aufgelöst, Menschen verschoben wurden. Würzburger spricht von einem „unvorstellbaren Tohuwabohu". Nur für den November 1944 hat der 74-Jährige eine Zahl von mindestens 3.000 Zwangsarbeitern für den Arbeitsamtsbezirk Paderborn (Kreise Höxter, Warburg, Büren und Paderborn) gefunden. „Dazu kam eine unbekannte Zahl an Kriegsgefangenen – wohl 1.500 bis 2.000 Menschen."

Getrieben von der Motivation, Antworten auf Fragen zu finden

Beim Schreiben sei ein Mosaiksteinchen zum anderen gekommen, so dass sich langsam ein Bild ergeben habe, erinnert sich Würzburger an die Zeit seit Mai 2015, seit er sich an das neue Buch herangewagt hatte. Getrieben von einer starken Motivation, Antworten auf Fragen zu finden. Und doch habe er oftmals wieder etwas umschreiben müssen, weil noch zusätzliche Informationen rein kamen. Hauptproblem: „Ich hatte dabei einen guten Blick von außen auf das Lager bekommen – die deutsche Verwaltungssicht. Doch was passierte im Lager?"

Von einer Polin, deren Vater in Höxter im Lager war, erhielt er Bilder. Ein Pole, der während des Krieges als 14-Jähriger in Fürstenau Zwangsarbeiter war, ist heute 89 Jahre alt und will im Herbst unbedingt Höxter besuchen. Ein Literaturprofessor mit ukrainischen Wurzeln, mittlerweile emeritiert an einer amerikanischen Universität, besuchte in Höxter die polnische Schule, ein Jahr das KWG und wanderte in die USA aus. Von ihm hat Würzburger viel erfahren.

Genau wie von dem Verfasser mehrere Artikel in einer polnischen Lokalzeitung, der im DP-Camp in Höxter die polnische Schule aufbaute. Er war außerdem kriegsgefangener polnischer Offizier im Lager Dössel. Solche Quellen motivieren, sagt Würzburger. „Um noch ein paar Zentimeter tiefer zu graben, noch ein Stück zu finden. Ich vergleiche mich da mit einem Archäologen."