Wilhelmshaven - Ungewohnt emotional wurde es beim aktuellen WZ-Vortrag an der Volkshochschule (VHS). Zu Gast war Julia Ebner mit ihrem neuen Buch „Massenradikalisierung – Wie die Mitte Extremisten zum Opfer fällt.” Dabei sorgte nicht der Inhalt ihres Vortrags für Unruhe, sondern ein Gast, der sich als Gegner der Coronapolitik von der Ankündigung der Veranstaltung verunglimpft sah und die anschließende Fragerunde nutzte, um seine Standpunkte loszuwerden.
Wortmeldungen
„Was ich in ihrer Ankündigung gelesen habe, schockiert mich total. Das ist der Jargon, der die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben hat und ich finde es unerträglich, dass die VHS einer solchen Veranstaltung ein Forum gibt.”
Die Kritik am zugespitzten Ankündigungstext vom Buchverlag konnte Programmbereichsleiter Tim Tjettmers annehmen. „Ja, das ist reißerisch, das nehme ich gerne auf. Letztendlich ist die Thematik aber wichtig und es ist richtig, sie hier zu diskutieren.” Ebner bedankte sich für die sachliche Form, denn ein paar Tage zuvor war sie bei einem Interview noch wüst beschimpft worden. Als die ausufernde Kritik aber in einem Vergleich der Coronaberichterstattung mit der Nazipropaganda gegen Juden gipfelte, schritt Tjettmers energisch ein und unterband weitere Ausführungen in diese Richtung. Unterstützt wurde er dabei lautstark von einigen der Zuschauer.
Unabhängig davon nutzten viele der Gäste die Fragerunde, um unter anderem Kritik an der Berichterstattung zu den Krisen der letzten Jahre zu äußern.
Worum es geht
Ebners Erlebnisberichte zu ihren Undercoverrecherchen gaben einen beängstigenden Einblick in die Denkweise radikaler Gruppen. Manche Begegnungen, wie die mit einem Querdenker, der sich von Reptiloiden (Mischung aus Mensch und Reptil) beherrscht glaubte, lösten dagegen ungläubiges Lachen aus.
Ideen, die früher in den dunkelsten Foren des Internets versteckt waren, so die Expertin der Universität Oxford, sind inzwischen bis in politische Institutionen vorgedrungen und dabei lassen sich international viele Parallelen feststellen. Vergleiche man den Sturm auf die Parlamente in den USA, Deutschland oder Neuseeland finden sich die gleichen Slogans und Symbole. Auffällig sei auch, dass mit den Krisen die ideologischen Koalitionen zunehmen. So trug auf der von ihr undercover besuchten Konferenz der Klimaleugner niemand eine Maske und junge Männer tauschten offen ihre rechtsextremen Ansichten aus. Ein gemeinsamer Nenner sei dabei Hass und Misstrauen gegenüber der Welt und ihren Institutionen. Allerdings, das machte die Österreicherin deutlich, die Gruppen der Querdenker, Klimaleugner, Coronaleugner oder Russlandbefürworter sind alles andere als homogen. Gefährlich seien sie vor allem dort, wo der extreme Rand die Ängste der Menschen nutzt, um sie zu radikalisieren. Dieser Effekt werde auch von den russischen Staatsmedien genutzt, um Europa zu destabilisieren.
Lösungsansätze
Ebner forscht in London auch zu Lösungsansätzen und machte deutlich, dass man mit rationalen Argumenten nicht weit kommt. „Es muss an emotionalen Punkten angesetzt werden, denn die Verschwörungsmythen erfüllen für die Menschen ja immer einen psychologischen Zweck.” Ein zweiter wichtiger Lösungsansatz liege in der Bildung. „Es ist enorm wichtig, dass wir besser wissen, was manipulative Inhalte sind, was sie mit uns als Mensch und als Gesellschaft machen und wie wir auf psychologischer Ebene damit umgehen können.”