Sackgebühr in der ganzen Schweiz Pflicht

Das Bundesgericht schüttet den «Güsel-Graben» zwischen der Deutsch- und Westschweiz zu. Es hat entschieden, dass die Abfallbeseitigung nicht einzig mit Steuergeldern bezahlt werden darf. Damit verhelfen die Richter der Sackgebühr im ganzen Land zum Durchbruch.

Drucken
Die Werke von Alfred Hofkunst (1942-2004), ausgestellt im Jahr 2007 im Tinguely Museum Basel (Bild: keystone)

Die Werke von Alfred Hofkunst (1942-2004), ausgestellt im Jahr 2007 im Tinguely Museum Basel (Bild: keystone)

(sda)

Das Bundesgericht schüttet den «Güsel»-Graben zwischen der Deutsch- und Westschweiz zu. In einem Urteil mit Signalwirkung hat es entschieden, dass die Abfallbeseitigung nicht einzig mit Steuergeldern bezahlt werden darf. Damit verhelfen die Richter der Sackgebühr schweizweit zum Durchbruch.

Gegen das in der Deutschschweiz seit längerem gelebte Prinzip, dass derjenige bezahlt, der Abfall anhäuft, gibt es in der Romandie und im Tessin heftigen Widerstand. Viele Gemeinden finanzieren die Abfallbeseitigung einzig mit ihren Steuern. Anläufe zur Einführung einer Sack- oder Gewichtsgebühr scheiterten immer wieder.

Abfallgebühren nur im Kanton Freiburg

In der lateinischen Schweiz hat einzig der Kanton Freiburg flächendeckend Gebühren nach dem Verursacherprinzip eingeführt. Der Kanton Neuenburg arbeitet derzeit daran. In anderen Kantonen gibt es Gemeinden mit und ohne Sackgebühr.

Im Wallis zieht sich der «Ghüder»-Graben gar mitten durch den Kanton. Während das deutschsprachige Oberwallis die Sackgebühr eingeführt hat, kennt das französischsprachige Unterwallis keine Abfallgebühren.

Im Kanton Genf und in den meisten Waadtländer Gemeinden, darunter Lausanne, werden ebenfalls keine Abfallgebühren erhoben. Die ganze Abfallbeseitigung wird mit Steuergeldern finanziert.

Dieser Praxis schieben die Bundesrichter in Lausanne nun einen Riegel. Mit einem System ohne Gebühren fehle jeder Ansporn, Abfall zu vermeiden, schreiben sie in ihrem Urteil. Dies widerspreche dem schweizerischen Umweltschutzgesetz. Laut diesem müssen ab kommendem Jahr sämtliche Gemeinden bei der Abfallentsorgung eine verursachergerechte Finanzierung einführen.

Laut dem Bundesgericht dürfen maximal 30 Prozent der Kosten für die Abfallbeseitigung mit Steuergeldern bezahlt werden. Den Rest muss der Verursacher berappen – ob durch eine Gebühr nach Gewicht oder via eine Sackgebühr.

Keine Gebühren nach Haushaltsgrösse mehr

Eine nach Haushaltsgrösse erhobene Abfallgebühr haben die Lausanner Richter aber ebenfalls für rechtswidrig erklärt. Dies trage der Tatsache nicht Rechnung, dass Haushalte mit der gleichen Anzahl Personen sehr wohl unterschiedliche Mengen an Abfall produzierten, urteilte das Bundesgericht.

Damit muss die Waadtländer Gemeinde Romanel-sur-Lausanne, die ans Bundesgericht gelangt war, sich von ihrem erst vor zwei Jahren eingeführten Abfallreglement verabschieden. Die Haushalte der Gemeinde mussten seitdem je nach Grösse zwischen 180 und 450 Franken Abfallgebühr pro Jahr bezahlen. 30 Prozent der Kosten für die Abfallbeseitigung wurden mit Steuergeldern beglichen.

Allerdings hatte bereits im Herbst 2009 das Waadtländer Verfassungsgericht das Abfallreglement von Romanel-sur Lausanne für rechtswidrig erklärt. Das Gericht war noch weiter gegangen als jetzt das Bundesgericht. Es hatte damals entschieden, dass gar keine Steuergelder mehr in die Abfallbeseitigung fliessen dürfen. Mit ihrem Urteil haben die Bundesrichter das Verdikt der Waadtländer Richter etwas abgemildert.