Die gloriose Gangsta GmbH ist zurück

2003 inszenierten Eminem, Dr. Dre und 50 Cent ihr Erfolgsjahr. Nun will das Rap-Trio nach bewährtem Muster erneut die Welt regieren. Aber das Pop-Geschäft hat sich verändert. Politisch korrekte Rapper wie Common und Kanye West haben gegenüber den «Gangstas» an Bedeutung gewonnen.

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Erotisierendes Nuscheln: 50 Cent Pairs 2007 (Bild: Reuters)

Erotisierendes Nuscheln: 50 Cent Pairs 2007 (Bild: Reuters)

Liebhaber bezahlen selbst für einen Werbespot: «Crack a Bottle!», der neue Rap von Eminem, Dr. Dre und 50 Cent, ist nichts als die grossmäulige Ankündigung, sie, die gloriosen Drei des Hip-Hops, seien zurück im Geschäft. Dennoch wurde der Titel in den USA binnen Wochenfrist 418 000 Mal kostenpflichtig heruntergeladen – Rekord! «Crack a Bottle!» sauste auf Anhieb an die Spitze der wichtigsten Hitliste der Welt, der Billboard Hot 100.

Hits werden heute im Internet geboren, zumal von diesen drei Reimkünstlern, die sich das Web seit je zunutze machten, um die Klientel mit Gerüchten und Soundschnipseln bei der Stange zu halten. «Crack a Bottle!» mag Eminems genialische Spitzzüngigkeit, Dr. Dres entspannte Lautmalerei und 50 Cents erotisierendes Nuscheln schnittig zur Geltung bringen, primär aber ist dies der Auftakt einer Marketingoffensive. Denn der Song wirbt für eine ganze Reihe von CD: Am 19. Mai erscheint Eminems neues Studioalbum «Relapse», dem er noch in diesem Jahr «Relapse 2» folgen lassen will. Auch 50 Cent verspricht, dem auf Juni angekündigten «Before I Self Destruct» heuer noch ein zweites Werk nachzureichen. Der Dritte im Bund, Andre Young alias Dr. Dre, war mit seinen funklastigen Beats der stilbildende Produzent des Gangsta-Rap. Seinen erst drei Soloalben lasse der 44-Jährige nun nach zehnjähriger Pause ein viertes folgen, heisst es. Selbstverständlich gastiert jeder bei jedem.

Perfekter Businessplan

Rap lebt von Inszenierungen, und was das Triumvirat für 2009 auf den Spielplan gesetzt hat, ist eine Reprise: der Versuch nämlich, das Erfolgsjahr 2003 zu wiederholen. Damals lancierten Dre und Eminem ihren Zögling 50 Cent. Der talentierte New Yorker Hehler und Dealer, als Sohn einer Prostituierten ein echter Hurensohn, war mit seinen Schiessereien und Vorstrafen wie geschaffen fürs derbe Genre. Ein Videoclip gab vor, Dre und Eminem hätten 50 Cent gleichsam im Labor erschaffen: den perfekten Gangsta-Rapper. Als solcher erwies dieser sich denn auch, verkaufte sein Album «Get Rich or Die Tryin'» 13 Millionen Mal und war damit der erfolgreichste Musiker des Jahres 2003.

Der Rapper Eminem hat sich wieder aufgerappelt und kommt mit seinem neuen Album «Relapse». Das Foto zeigt ihn an den MTV Music-Awards Verleihung im Jahr 2003. (Bild: Reuters)

Der Rapper Eminem hat sich wieder aufgerappelt und kommt mit seinem neuen Album «Relapse». Das Foto zeigt ihn an den MTV Music-Awards Verleihung im Jahr 2003. (Bild: Reuters)

Eminem hatte sich im Vorjahr vom Bürgerschreck zum Weltstar aufgeschwungen, mit dem wüstfärberisch autobiografischen Film «8 Mile» den Mainstream erobert und 24 Millionen CD abgesetzt. 2003 nun war der bleiche Lulatsch aus Detroit die prägende Figur der Unterhaltungsindustrie. Er und sein Mentor Dr. Dre fabrizierten im Drei-Monats-Takt neue Rap-Helden, zuerst 50 Cent, dann Obie Trice, G Unit, D12 und The Game – veröffentlicht auf Eminems Plattenlabel Shady oder auf Dres Aftermath Records.

Der Businessplan war bestechend: Auf Kassetten für den Strassenverkauf und Vinylplatten für DJs pflegten Eminem und seine Protégés mit unflätigen Wortscharmützeln den Ruch des Illegalen. All dies landete im Web und sicherte die im Rap so wichtige «credibility». Anderseits wurden ihre offiziellen CD dank Schulterschluss mit dem Plattenriesen Interscope zu Millionensellern. Resultat des perfekten Spagats: Die meistverkauften Platten der Jahre 2002, 2003, 2004 und 2005 stammten allesamt von Eminem oder aus seinem Umfeld. Dann kam der Absturz. Eminem, tablettensüchtig und völlig erschöpft, musste eine Europa-Tournee streichen; sein bester Freund wurde erschossen; er liess sich zum zweiten Mal von seiner Jugendliebe Kim Scott scheiden. Ob der Begnadete je wieder rappen würde, war ungewiss. Nun wird er rückfällig. «I'm Having a Relapse» kursiert bereits im Web, ein kruder Ohrwurm, der nicht einmal einen Refrain hat. Nur frech ist er, fast pornografisch. Eminem scheint willens, sich aus der Umklammerung zu lösen, die ihm der weltweite Zuspruch der Feuilletons zuletzt bescherte. Zum Dichter wurde der Wüstling erhoben, zu Bushs Gegenspieler stilisiert. Offenbar will er nun wieder provozieren.

Halbierte Verkaufszahlen

Die Zeichen stehen gut für den 36-Jährigen. Keiner der inzwischen Emporgekommenen vermochte seinen Platz einzunehmen, und noch hat sich kein afroamerikanischer Rapper aus der Orientierungslosigkeit erhoben, welche die Black Music nach der Wahl «ihres» Präsidenten Obama erfasst hat. Es herrscht die Ruhe nach dem Sturm. Eminem ist als Weisser unbefangen, und die ersten Kostproben zeigen: Seine Strahlkraft ist ungebrochen.

Aber lässt sich in einem veränderten Markt der Erfolg von 2003 wiederholen? Politisch korrekte Rapper wie Common und Kanye West haben gegenüber den «Gangstas» an Bedeutung gewonnen, Schützling 50 Cent floppte an der Kinokasse, eben verlor Eminem einen Prozess gegen den Musikmulti Universal, von dem er mehr Anteile an den Verkäufen seiner Songs via Internet verlangte. Ohnehin haben sich die Verkaufszahlen im Pop-Geschäft faktisch halbiert, und alle Versuche, die Web-Börsen, wo Musik gratis getauscht wird, als illegal zu brandmarken, schlugen fehl.

Wenigstens gibt es gegenüber 2003 heute funktionierende Verkaufsportale für Popmusik wie iTunes, und der Erfolg von «Crack a Bottle!» zeigt, dass Rap-Fans durchaus noch zu zahlen bereit sind. Jedenfalls, wenn der Beste des Fachs das Wort ergreift: Eminem.