Der Mann als aussterbende Spezies

Sibylle Berg beschreibt gern das angebliche Elend des weissen, heterosexuellen Mannes. Für das Neumarkt hat sie das Stück «How To Sell A Murder House» verfasst und inszeniert.

Katja Baigger
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Caroline Peters verkörpert die siegesgewissen Frauenfiguren, Marcus Kiepe die dem Untergang geweihten Männer. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Caroline Peters verkörpert die siegesgewissen Frauenfiguren, Marcus Kiepe die dem Untergang geweihten Männer. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Mit dem irren Funkeln Untergehender im Blick hocken die Männer vor brennenden Autoreifen, nicht nur in Osteuropa, auch in der Schweiz. Das stellt eine Russin im dystopischen Stück «How To Sell A Murder House» ernüchtert fest – oder war es doch eine Rumänin? Nicht einmal sie selber scheint ihre Identität zu kennen. Es kommt ja offenbar auch nicht darauf an: «Hauptsache, eine Frau aus den Ostgebieten», lautet die Devise ihres männlichen Gegenübers. Von dem Vereinsamten wurde sie via Partnervermittlungs-Portal in die Schweiz bestellt. Sie hatte sich ausgemalt, dass es hier noch «Männer in Machtpositionen gibt, die sich trauen, Beziehungen mit Frauen einzugehen», Doch: Nichts als Ödnis, Männer mit Minderwertigkeitskomplexen.

Die Frauen an der Macht

Sibylle Berg beschreibt gerne das angebliche Elend des weissen, heterosexuellen Mannes. Zwei Stücke von ihr zum Thema sind in dieser Theatersaison in Zürich zu sehen. Das Schauspielhaus zeigt im Februar «Viel gut essen» , am Neumarkt fand passend zum Spielzeit-Motto «Mad Men Zürich» am Donnerstag die Uraufführung von «How To Sell A Murder House» statt. Die Autorin inszeniert erstmals alleine. Mit gewohnt spitzer Feder und recht solider Regisseurinnen-Hand skizziert Berg eine aus den Fugen geratene Welt voller sich bekriegender Salafisten. Dazu will nicht passen, dass in diesem Chaos die Frauen versuchen, die Macht zu übernehmen. Hier lässt die Vorlage an Stringenz vermissen. Jedenfalls fliehen Tausende von Männern aus den Städten. In einer Juralandschaft existiert ein angebliches Refugium. Für diese Immobilie interessiert sich einer der übrig gebliebenen Männer (versteht den zurückgewiesenen Frustrierten zu verkörpern: Marcus Kiepe).

Doch das «Stein gewordene Gedicht» entpuppt sich als Geisterhaus. Mit diesen Worten will die herablassende Maklerin (wie geschaffen für die Rolle der siegesgewissen Frau: Caroline Peters) ihrem Kunden das Anwesen schmackhaft machen. Und der tut naiv mit, was die Choreografie unterstreicht: Die Maklerin schubst ihn vom Treppchen auf den Boden. Das Unheimliche setzt die Bühnenbildnerin Janina Audick gekonnt mehrdimensional ins Bild: ein angedeutetes Zimmer, ein Fenster mit Aussicht auf einen Birkenwald, Vorhänge, auf die Videos projiziert werden, etwa solche vom Rotlichtviertel an der Zürcher Langstrasse.

In diesem Kabinett werden die Untiefen der Seelenräume von vier Männern ausgeleuchtet und Todesarten durchgespielt, männliche Todesarten. Bei Berg begehen die Männer beiläufig Suizid oder verenden fast unmerklich unter dem Blick von Frauen. Das «getanzte Immobilienportfolio», so der auf die zurückhaltend eingesetzte Choreografie anspielende Untertitel, besteht aus Rahmenerzählung mit Maklerin und Kunde sowie vier Kapiteln über gescheiterte männliche Existenzen in ebendiesem Haus. Marcus Kiepe spielt die Männer, Caroline Peters die Frauen. Berg lässt als Theaterchor vier skurrile Waldrapp-Damen oder Todes-Allegorien auftreten. Der Vogel ist eine aussterbende Spezies wie Bergs moderner Mann. Im ersten Kapitel «Traurigkeit» ist da ein Consultant, der mit seiner Vorgesetzten, «Frau Gschmunder», in der zugigen Immobilie neue Märkte erschliessen soll. Die beiden übernachten im selben Raum, und der Angestellte macht lächerliche Annäherungsversuche, die Frau Gschmunder abwehrt, um dann ihre 66 erbärmlichen Mitarbeiter zu beschreiben, die mit ihren zu kleinen Augen und Mündern schwer auseinanderzuhalten sind. Wunderbar, wie sie die mahlenden Wangenknochen mimisch nachäfft. Weiter wären da ein IT-Freak, der mithilfe seiner dominanten Partnerin im Internet verschwindet, und ein von Frau und Kindern verlassener Vater, der eine Beziehung mit einer Puppe führt.

Boshafte Demontage

Sibylle Bergs Mörderinnenhaus ist eine düstere Endzeitvision über den Mann als Würstchen und die starke Frau, die schliesslich zu einem Monster namens Political Correctness mutiert. Es ist eine wunderbar boshafte Demontage von Gender-Diskurs und verkorksten Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Das nachgeschobene Schluss-Video, eine Mischung aus Making-of und Feier des Lebens, das mit dem Tod endet, wirkt unmotiviert. Der auf der Bühne hergestellten Ästhetik dient es nicht.

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