Interview

Der Comedian Oliver Polak grilliert in seiner neuen Show Prominente und sagt: «Es gilt, diesen Ernst des Lebens irgendwie zu brechen durch Humor, gerade hier in Deutschland»

Bei einem Treffen in Berlin berichtet der deutsche Komiker von seinem Flair für den Zirkus und seiner Verliebtheit in einen Schweizer Schauspieler. Nur zum Thema Antisemitismus fällt ihm nichts mehr ein.

Andreas Scheiner 1 Kommentar
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Oliver Polak nimmt in seiner neuen Show «Your Life Is a Joke» auf Netflix so manches aufs Korn.

Oliver Polak nimmt in seiner neuen Show «Your Life Is a Joke» auf Netflix so manches aufs Korn.

Sascha Hilgers

Herr Polak, was mögen Sie an Deutschland?

Deutsche Bahn fahren. Von Jerry Seinfeld gibt es ja das Format «Comedians in Cars Getting Coffee», ich wollte auch so etwas machen: «German Jews in Trains Getting Nothing». Aber die Bahn hat aus Sorge um ihr Image abgesagt.

Ihre Meinung zum neuen Flughafen in Berlin, bitte?

Ja, man fragt sich natürlich, wie die das vor achtzig Jahren hingekriegt haben, alles so top zu organisieren. Es musste niemand anstehen. Alles ging schnell, keine Warteschlangen. Und heute? Oder dann ist das Gate immer so weit weg von der Gepäckausgabe, und ich habe mittlerweile fünf Flughafenmitarbeiter gefragt, warum diese flachen Rolltreppen nicht funktionierten. Das würde zu viel Strom kosten, sagten sie mir dann. Ich ertappe mich dabei, wie ich vom Flugzeug zum Gepäckband, wie ich also durch diesen Flughafen renne und laut vor mich hin fluche. Aber die Mitarbeiter sind ja supernett, die sind auch kurz davor, selber zusammenzubrechen. Wenn du ein Känguru wärst, würdest du sie gerne in deinen Beutel stecken. Dieser Flughafen ist einfach ein Verbrechen.

Sie sind gerade aus New York angekommen.

Ja, drei Tage nachdem New York wieder aufgemacht hatte, bin ich hingeflogen. Ich habe eine 93-jährige Tante da, die ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen habe, und, Gott bewahre, sie soll lange leben. Ich habe nun an jedem Tag mit ihr Zeit verbracht. Und ich bin auch einfach gerne in New York, ich mag das Amerikanische, diesen Vibe, dieses Offene. Teilweise geht es mir übrigens in der Schweiz ähnlich.

Die betonte Freundlichkeit gefällt Ihnen?

Ist doch besser als Unfreundlichkeit. Alle sagen immer, die Amerikaner seien so oberflächlich. Jeder Erstkontakt ist ja erst einmal oberflächlich. Aber es hat einfach etwas sehr Positives, man kommt hin, und alle sind gleich so: «I like your hair, I like your jacket . . .»

Und in der Schweiz ergeht es Ihnen ähnlich?

Ja, die Leute sind sehr freundlich, sehr wach auch, gar nicht so verschlafen, wie es immer heisst. Ich habe Shows im Kaufleuten gespielt, und man hatte mich gewarnt: Das Schweizer Publikum sei schwierig. Also, ich weiss nicht. Ich hatte das Gefühl, je härter die Pointe, desto glücklicher waren die. Übrigens, wenn wir von Schweizern reden: Im Sommer habe ich für die ARD eine Miniserie über das KaDeWe gedreht, das Berliner Kaufhaus des Westens, die nun im Dezember ausgestrahlt wird. Die Regisseurin Julia von Heinz bot mir die Rolle des Hermann Tietz an, des letzten jüdischen Besitzers des KaDeWe, der das Kaufhaus vor dem finanziellen Untergang retten wollte. Das schien mir interessant, ich wollte sie kennenlernen, und dann bin ich aber nicht bei einem Casting gelandet, sondern das war direkt so eine Art Probe. Also habe ich zugesagt. Und das Schönste an diesem Dreh war – ich verliebte mich in einen Schauspieler. Und er sich auch in mich. Er ist wie der Bruder, den ich nie hatte.

Ein Schweizer?

Genau. Selten fühlte ich mich jemandem so nahe. Seine Eltern führen ein Bekleidungsgeschäft, mein Vater führte auch ein Bekleidungsgeschäft, sein Vater ist Israeli, er hat also auch einen jüdischen Background . . . Und uns verbindet noch so viel mehr.

Und verraten Sie auch, wer es ist?

Joel Basman. Ein ganz, ganz netter Typ. Durch Joel habe ich auch ein bisschen gelernt, wieder runterzukommen. Die Zeit beim Dreh in Budapest mit ihm war so wunderbar entspannt. Wir sind spazieren gegangen an der Donau, mit meinem Hund Arthur, und im Hotelzimmer haben wir im Fernsehen «Minions» geschaut. Er ist ein toller Schauspieler. Ich habe nie jemanden gesehen, der die Leute so scharf beobachtet und so gedankenschnell ist wie er. Wenn der Stand-up-Comedy machen würde, die Schweizer müssten sich auf etwas gefasst machen! Und wissen Sie, ich liebe ja Zirkus, und Giacobbo/Müller sind doch vor zwei Jahren im Knie aufgetreten: Jetzt ist das nächste Ziel, mit Joel auch einmal eine Saison lang die Clown-Nummer im Zirkus Knie zu machen. Er wird mich nicht mehr los. Joel ist bekannt in der Schweiz?

Er ist einer der bekannteren Schauspieler im Land, ja, man kennt ihn etwa für seine Rolle in «Wolkenbruch». Und Bruno Ganz, der bekannteste, lebt ja nicht mehr.

War Bruno Ganz Schweizer? Ich dachte wegen Hitler immer, er sei Österreicher.

Wegen des deutschen Films «Der Untergang»? Es ging irgendwie darum, Hitler als Mensch zu zeigen. Ich habe dieses Konzept nicht verstanden.

Das kann auch nur eine deutsche Idee sein, Hitler als Mensch zu zeigen. Ich habe den Film gar nicht gesehen. Da fällt mir noch eine Sache zu meiner Tante in New York ein. Weil sie so eine besondere Person ist, möchte ich seit Jahren einen Film über sie drehen. Ich habe das Projekt verschiedenen Leuten angeboten, und überall kamen Absagen, obwohl alle immer sagen, das sei so ein wichtiges Thema. Da ist mir irgendwann der Kragen geplatzt.

Ihre Tante hat den Holocaust überlebt.

Genau, und dann habe ich diesen Film vor zwei Jahren, kurz vor dem Lockdown, einfach selber mit dem Handy gedreht. Nur leider habe ich das komplette Material verloren, ich hatte es auf dem Handy nicht richtig gesichert. Alles weg. Als ich nun in New York war, habe ich wieder angefangen zu drehen. Der Film heisst «Ilse und ich». Ich werde ihn selber produzieren.

Worum geht es genau?

Ilse ist eben nicht nur eine Holocaust-Überlebende, sondern auch ein Mensch. Und wenn ich dann höre: «Hitler als Mensch zeigen», dann ist das ganz interessant, denn gleichzeitig will man die Holocaust-Überlebenden offenbar nicht als Menschen zeigen. Man will sie nur betiteln als Holocaust-Überlebende, ihnen eine Nummer geben und sie dann schnell zur Seite stellen. Bei meiner Tante geht es im Film nicht primär ums KZ oder so. Natürlich schwingt ihre Geschichte mit, es ist ja ein Teil von ihr, dass sie mit zwanzig Jahren ausgewandert ist. Aber mir geht es darum, sie zu porträtieren, weil sie einfach ein krasser, lustiger, liebenswerter Mensch ist.

Steckt darin auch ein Bedürfnis, die Familiengeschichte aufzurollen?

Nein, überhaupt nicht. Ihre Geschichte ist einfach eindrücklich: wie sie nach New York gekommen ist, allein als junge Frau, nachdem sie sieben Jahre KZ überlebt hatte, und wie sie dann erst als Baby-Krankenschwester arbeitete und jahrelang für eine Familie deren Kinder grosszog. Dann machte sie Maniküre in den Büros von Geschäftsleuten, sie ging quasi von Büro zu Büro und machte Maniküre. Das war ihr Hauptberuf.

Ist sie direkt nach dem Krieg nach Amerika gegangen?

Ja, sie hatte eine Bürgschaft von einer Familie. Diese Leuten kannten sie, das war ihr Glück.

Wo wir nun doch bei den jüdischen Themen gelandet sind: Sie wollen sich nicht mehr zu Ihrem Judentum (ihrem Jüdischsein?) und zum Antisemitismus in Deutschland äussern, hat man gelesen.

Ich habe alles vor drei Jahren in meinem Buch «Gegen Judenhass» aufgeschrieben. Jetzt wüsste ich einfach nicht, was weiter dazu zu sagen wäre.

Das klingt nach Resignation. Auch zu den neueren Debatten über Antisemitismus im deutschen und österreichischen Humor wollen Sie nichts sagen?

Was gäbe es dazu zu sagen, was wir nicht schon wissen? Lisa Eckhart? Ich kann nur die Schultern zucken, interessiert mich einfach nicht. Es juckt mich nicht. Da wurde doch schon jeder Stein umgedreht.

In Ihrer neuen Netflix-Show «Your Life Is a Joke» schimpfen Sie über andere, nehmen Prominente aufs Korn. Sie verbringen einen Tag mit ihnen, lernen sie kennen, danach «roasten» Sie die Leute.

Ja, aber es geht beim «Roasten» nicht darum, jemanden fertigzumachen, die Person zu beleidigen, Schadenfreude, dies, das. Es geht darum, etwas Lustiges zu finden, worüber man im besten Fall zusammen lachen kann.

Würden Sie Joel Basman gerne roasten?

Auf jeden Fall. Sicher würde ich Body-Shaming bei ihm machen, weil er die Grösse eines Hobbits hat. Auch ist er total quirlig. Wie Pepé Le Pew, dieses aufdringliche Stinktier von Warner Bros. Und dann noch diese Minion-Stimme! Da gibt es Roast-Potenzial.

Kann man Sie leicht kränken? Wie wäre es für Sie, grilliert zu werden?

Wenn Joel mich roasten würde, feierte ich es. So ist das doch in Freundschaften, manchmal ärgert man sich gegenseitig, und das ist wichtig: diesen Ernst des Lebens, gerade hier in Deutschland, irgendwie zu brechen durch Humor.

«Your Life Is a Joke», auf Netflix. Die Serie «Eldorado KaDeWe» läuft ab 20. 12. in der ARD-Mediathek, ab 27. 12. auf ARD.

Stand-up-Comedian an der Schamgrenze

asc. · Der 45-jährige Oliver Polak aus dem Emsland macht Stand-up-Comedy im amerikanischen Stil: Er sucht den schamlosen, grenzwertigen Gag genauso wie die warmherzige, menschelnde Unterhaltung. Vorbild ist ihm Louis C. K., auch liebt er Udo Jürgens und kann austeilen wie Maxim Biller. Seine TV-Show «Das Lachen der Anderen» wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, für «Applaus und Raus» gab es den Grimme-Preis. Polak hat das Buch «Gegen Judenhass» (Suhrkamp-Verlag) geschrieben; in «Der jüdische Patient» (Kiepenheuer & Witsch) erzählt er, wie er als jüdischer Komiker in Deutschland eine schwere Depression davongetragen hat. Zum Interview trägt Polak den ironisierten Luxus-Trash von Vetements und Balenciaga. Sein Hund Arthur, ein Terrier-Mischling, verfolgt das Gespräch von der Fensterbank im Café in Berlin-Mitte.

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Wolfgang Krug

Wie merkwürdig, keiner traut sich an dieses Thema heran. Zum Problem Antisemitismus ist Oliver Polak immerhin ein ganzes Buch eingefallen. Er findet es offenbar müssig, immer dieselben Anklagen und Warnungen zu wiederholen, zumal Antisemiten entweder durch Indoktrination oder Dummheit oder beides rationalen Überlegungen unzugänglich sind. Da sie natürlich humorlos sind, kann auch Satire nichts gegen sie ausrichten. Das einzige Mittel ist, die Gesellschaft durch drakonische Bestrafung der Täter von diesen zu befreien.