Trash-TV zähmt selbst Nigel Farage: Die rechtsnationale Schlüsselfigur des Brexits besucht das Dschungelcamp

Er nennt sich selbst «einen Helden für die einen, einen Bösewicht für die anderen». Nigel Farage führte einst den Brexit ins Ziel. Sein Comeback gibt er nun im Dschungelcamp und zeigt sich dort harmlos.

Marion Löhndorf 4 min
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Der einst aggressiv auftretende Politiker Nigel Farage gibt sich im Dschungelcamp ganz zahm.

Der einst aggressiv auftretende Politiker Nigel Farage gibt sich im Dschungelcamp ganz zahm.

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Er war einmal einer der bekanntesten britischen Politiker, die rechtsnationale Schlüsselfigur des Brexits. Nachdem Nigel Farage seine Mission eines harten Bruchs mit der EU fürs Erste erledigt gesehen hatte, zog er sich zurück. Jetzt plant er ein grosses politisches Comeback, wie die britische Presse wittert. Das lancierte er ausgerechnet, aber auch passenderweise, im Dschungelcamp («I’m a celebrity, get me out of here»). «Es ist ein Abenteuer, eine Herausforderung!», ruft Farage am Anfang des Spiels über Dschungelkönige und Versager. «Schlimmer als der Brexit kann es nicht werden», antwortet Josie Gibson, eine Mitstreiterin.

Zu Beginn der Sendung trägt Nigel Farage ein leuchtend pinkfarbenes Hemd und flirtet mit zwei Frauen, die auch in der Show sind, irgendwo im Nirgendwo des australischen Outback. Die drei klemmen sich in einen Geländewagen und fahren los. «Wie eine Rakete, nur etwas zu sehr rechts», schaltet sich einer der zwei Kommentatoren ein. Die Show wird Nigel Farage zu Füssen gelegt. Man ist freundlich zu ihm.

Stars, die sichtbar leiden

Eine Gruppe von Menschen, die es im Fernsehen oder auf verschiedenen Internetkanälen zu einem gewissen Ruhm gebracht haben, ziehen mit Farage in den Dschungel, um sich dort im Überleben zu üben. Sie absolvieren dabei eine Reihe von Prüfungen. In Wirklichkeit geht es darum, die Stars leiden zu sehen, ihren Fall zu geniessen. Die Zuschauer entscheiden jeweils, wer gehen muss und wer bis zum Ende dabeibleiben darf.

Farage schafft es natürlich bis zur letzten Runde. Das hat er wohl seiner Bekanntheit zu verdanken. Er bekommt auch mehr Geld, angeblich, als seine Mitbewerber, 1,5 Millionen britische Pfund. Die Zeitungen des Landes beschweren sich, dass seine Prüfungen viel leichter seien als die der Konkurrenten. Einmal soll er sich in eine Art Sarg legen und es da möglichst lange aushalten. Dann werden Schlangen eingeschleust, die ihn in seinem engen Gehäuse umwickeln. Das sei doch ein Kinderspiel, heisst es.

Er bemüht sich auch um sein äusseres Erscheinungsbild. Die Boulevardzeitung «The Sun» informiert, er habe sich zuvor einer Schlankheitskur unterzogen. Die «Times» schreibt, er lächle in so schneeweisser Künstlichkeit, als seien seine Zähne am selben Morgen von einem türkischen Zahnarzt eingeflogen worden. Trotz allem konnte Farage wohl kaum mit einem Heldenkörper beeindrucken. Neben den betäubenden Herausforderungen des Dschungelcamps – sich mit Schmutz und Insekten bewerfen zu lassen, Fischaugen und pürierte Körperöffnungen toter Tiere zu schlucken – sprechen die Teilnehmer gelegentlich auch. Das eröffnet Möglichkeiten zum Selbstmarketing.

Wenig politisches Programm

«Für die einen bin ich ein Held, für die anderen ein Bösewicht», so stellt Farage sich zu Beginn vor. «Die beste Art, mit einem Konflikt fertig zu werden, ist, ihn direkt anzugehen», doziert er dann noch. Als eine Youtube-Influencerin sich mit ihm im Camp über das Thema Immigration streitet, macht er hohe Einwandererzahlen für die Überlastung des britischen Gesundheitssystems verantwortlich. Sonst gibt er sich zahm.

Die anderen Dschungelcamp-Insassen sind deutlich jünger als der 59-jährige Politiker, den alle für älter halten. Wie ein Pfadfinder trottet er mit seinen kurzen Hosen durch das zunehmend mit Abfall übersäte Camp, nuschelt und nörgelt herum. Farage ist der prominenteste Teilnehmer der Truppe, wobei er wenig Konkurrenz hat. Wer kennt schon, über England hinaus, Grace Dent, Josie Gibson oder Danielle Harold?

Sehr wach aber ist noch die Erinnerung an den «Godfather of Brexit», der mit seiner Ukip-Partei monothematisch den Ausstieg aus der EU gepredigt hatte. Ohne ihn, den Millionär, der eine Eliteschule besucht hatte und der auf einmal die Ärmsten des Landes zu seiner Wählerschaft zählte, wäre es 2016 wohl nie zu dem Resultat des Referendums, ja sogar zu dem Referendum selbst, gekommen.

Neue Version seiner Selbst

Damals war Nigel Farage berühmt dafür, politisch unkorrekt zu sein und zu sagen, was andere sich nicht zu sagen trauten. Im Dschungelcamp bricht er nur einmal die Regeln. Da die Kamera jede Regung verfolgt, ist es nicht erlaubt, nackt zu duschen. Farage tut es trotzdem, was aber von den anderen kaum gewürdigt wird. Vielleicht ziehen die alten Provokationen nicht mehr so richtig. Vielleicht will er auch gerade das: eine mehrheitsfähige Version seines alten Selbst präsentieren, auf dem Weg zur neuen politischen Bedeutsamkeit.

Das Presse-Echo zu Farages Teilnahme an der Show ist ernüchternd. Bunte Blätter wie die «Sun» zeigten sich unbeeindruckt. Der «Guardian» warnte ernst davor, Farage zu unterschätzen. Die Londoner «Times» lancierte eine Reihe von Artikeln, die von der Höhe der gesammelten redaktionellen Verachtung auf Farage niedergingen.

Seine Show im rechten Fernsehkanal GB News scheint Farage nicht mehr zu genügen. Eine Rückkehr zu den Tories, denen er von 1978 bis zum Vertrag von Maastricht 1992 angehörte, ist plötzlich wieder denkbar. Der Vater des ehemaligen Premierministers Boris Johnson erklärte das für wünschenswert. Der ehemalige Schatzkanzler George Osborne hält eine erneute Tory-Mitgliedschaft Farages für «nicht ausgeschlossen», und Rishi Sunak formulierte diplomatisch, die konservative Partei sei immer schon offen für viele gewesen, «our party has always been a broad church».

Mehr von Marion Löhndorf (mlö)

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