«Tatort» aus Wiesbaden: Ulrich Tukur spürt dem schlechten Karma nach

Der Ermittler fällt auf eine Trickbetrügerin herein, gleichzeitig passiert ein Mord. Alles kommt wieder einmal aufs Unglaubwürdigste zusammen. Aber es zählt nicht die Plausibilität, sondern die Exzentrik.

Marion Löhndorf
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Na dann, prost! Das wird kein guter Abend für Murot (Ulrich Tukur).

Na dann, prost! Das wird kein guter Abend für Murot (Ulrich Tukur).

HR

«Kannst du jetzt endlich mal damit aufhören?» Der neue «Tatort» fängt schon gut an. Felix Murot (Ulrich Tukur) soll in einem Hotel einen Vortrag halten. In der Lobby nervt ihn ein kleines Mädchen mit dem Gequietsche seines Spielzeugs. Später am Abend wird ihn ein etwas älteres Mädchen nerven: eine junge Trickdiebin (Anna Unterberger), die er an der Bar kennenlernt und die ihm irgendwann K.-o.-Tropfen in den Wein träufelt. Während der LKA-Ermittler bewusstlos niedersinkt, wird im selben Hotel ein Mann ermordet.

Murot gerät fast in Verdacht. Unterdessen bemerkt die junge Frau, die seine Ohnmacht verursachte, dass er ihr bekannt vorkommt. Während Murot ihrer Spur nachgeht, verfolgt sie seine. Das Private verquickt sich mit dem Dienstlichen, persönliche Vergangenheitsbewältigung mit der Aufklärung eines Mordfalls. Und das nur, weil man sich zufällig zur selben Zeit im selben Hotel begegnete. Alles kommt wieder einmal aufs Unglaubwürdigste zusammen.

Ein «Tatort»-Traumpaar

Aber wir kennen das ja schon: Plausibilität und Wirklichkeitsnähe waren für die «Tatort»-Folgen um den LKA-Ermittler aus Wiesbaden noch nie ausschlaggebende Kriterien. Deren Markenzeichen ist die Exzentrik der Fälle und des Ermittlers selbst. Und in dieser Hinsicht werden Murot-Fans nicht enttäuscht. Wie immer grossartig ist Murots Assistentin (Barbara Philipp), die ihn managt und beschützt – und nicht umsonst den Namen Wächter trägt. Temperamentsmässig gehören sie zu den Traumpaaren der «Tatort»-Duos. Wächter ist der geerdete Typ, während Murot in seiner eigenen Wirklichkeit unterwegs ist. Nur ab und zu kreuzen sich ihre Wahrnehmungsebenen, vielleicht sind sie sich deshalb so sympathisch.

Überhaupt interessiert sich dieser «Tatort» (Buch: der Autor Lars Hubrich und Matthias X. Oberg, der auch Regie führte) mehr für seine Figuren als für die Handlung. Es funktioniert begrenzt. Der Film gleitet mit einer gewissen Langsamkeit dahin, zu Beginn ist sie angenehm, am Ende ermüdend. Immer mehr seltsame, übergeschnappte Typen säumen den Weg der LKA-Beamten, es wird ein bisschen viel und nervt.

Über das Gesetz des Karmas erfährt man in «Murot und das Gesetz des Karma» nur so viel, dass schlechtes Karma durch den unguten Eingriff in das Leben eines anderen entsteht. Und dass Karma angeblich überall funktioniert. Was das nun aber für Murots Existenz bedeutet, bleibt offen. Die ganze Episode, stylish in leblosen Räumen im Halbdunkel in Szene gesetzt, wirkt wie eine einzige Traumsequenz.

Murot oder Tumor?

Ulrich Tukurs Hauptkommissar segelte schon 2010 und 2011 bei seinen ersten Auftritten mit beachtlichem Abstand am Erwartungsgemässen vorbei. Angeblich hatte sich der Schauspieler die Tumorerkrankung ins Drehbuch schreiben lassen, um sich so einen möglichen Ausstieg aus dem Ermittler-Dasein zu sichern. (Der Name Murot ist bemühterweise ein Anagramm des Wortes Tumor.) Ein Abgang war zum Glück aber nicht nötig, denn der Kommissar, unterdessen tumorfrei, hat sich als beliebter Exot unter den Ermittlern etabliert.

Die «Tatort»-Folgen, die er in den vergangenen Jahren bewältigte, bewegen sich zwischen surrealistischem Meisterstreich und Quatsch. Manchmal ist es nicht ganz leicht, dies zu unterscheiden. Denn die Murot-«Tatorte» tun gerne so, als seien sie besonders hintersinnig oder operierten auf einer vom Zuschauer zu entschlüsselnden Metaebene. Was manchmal der Fall ist, manchmal auch nicht. Witzig und verspielt sind sie aber allemal, selbst die schwächeren unter ihnen, wie dieser hier.

Sonntag, 20.05/20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.

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