Streit, Pannen und Lügen im britischen Königshaus: als schrieben die Royals gerade die nächste Staffel von «The Crown»

Eine Erkrankung des Königs, Bruderzwist und ein PR-Desaster um Herzogin Kate – derzeit irrlichtern die Windsors wieder besonders heftig zwischen Seifenoper und Shakespeare-Drama.

Marion Löhndorf, London 3 min
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Die Königsfamilie posiert nach der Krönung von Charles auf dem Balkon des Buckingham-Palasts. Mai 2023.

Die Königsfamilie posiert nach der Krönung von Charles auf dem Balkon des Buckingham-Palasts. Mai 2023.

Paul Childs / Reuters

Skandale, Krankheit und Missgeschicke erschüttern die britische Monarchie wie lange nicht mehr. Die Fassade, die dauerhafte Stabilität suggerieren will, wirkt brüchiger denn je. King Charles hat Krebs, sein in einen Missbrauchsskandal verwickelter Bruder Andrew ist zur Persona non grata geworden. Und die Söhne liegen in einem Bruderzwist, dessen Ende nicht absehbar ist. Die Anstrengung des Königshauses, den Schein zu wahren, wird sichtbarer.

Schwiegertochter Kate, die monatelang krank und aus der Öffentlichkeit verschwunden war, meldete sich zum Muttertag in Grossbritannien mit einem Foto zurück. Es zeigt die Fürstin von Wales wohlauf und strahlend mit ihren Kindern. Der Palast wollte damit Spekulationen um ihren Gesundheitszustand ein Ende setzen. Doch Agenturen wie AP, AFP und Reuters zogen das Foto unter dem Verdacht der Manipulation zurück. Dabei ging es um verrutschte Hände, Pulloversäume, Bodenfliesen – Details, die zunächst nur Fachleuten auffielen. Dass offizielle Bilder der Royals bearbeitet werden, ist nichts Neues, doch dieses besass Statement-Charakter. Der Palast entschuldigte sich, das PR-Desaster war aber schon angerichtet, und wie es Kate geht, wissen wir immer noch nicht.

Krise des Generationenwechsels

Was sich derzeit im Hause Windsor abspielt, ist einerseits nichts Aussergewöhnliches. Alternde Eltern mit veränderten Bedürfnissen, erste schwere Erkrankungen der nicht mehr ganz so jungen nächsten Generation, Geschwisterstreit, Lügen, Geheimnisse und Kommunikationspannen gehören zum Repertoire von Familiendramen. Doch in der alten Institution der britischen Monarchie, die um ihren Erhalt und ihr Image kämpft, knirscht die Krise des Generationswechsels besonders heftig.

Vielleicht tritt sie aber auch nur deutlicher zutage: Die offizielle Verlautbarung der schweren Erkrankung des Königs wurde in ihrer noch nicht da gewesenen Offenheit als zeitgemäss begrüsst. Die eher vagen Angaben zu Kates Krankenhausaufenthalt und Genesung weichen von der üblichen Kommunikationsstrategie des Königs ab und offenbaren damit – und auch in der ungeschickten Handhabung – Richtungslosigkeit.

Dabei verfolgt die Welt das königliche Tun seit Jahrzehnten wie eine Seifenoper. Selbst Anti-Royalisten nehmen die Nachrichten aus den Palästen per Osmose auf. Tatsächlich besteht das, was wir von den gekrönten Häuptern wissen, nur aus Fragmenten. Da ist die Selbstdarstellung der Bewohner von Buckingham und Kensington Palace. Und da ist das, was gerüchteweise an die Öffentlichkeit durchsickert.

Dass einer von ihnen, Prinz Harry, den Klatsch 2023 mit seinem Bestseller «The Spare» auf Hochtouren brachte, mag ein weiteres Zeichen einer geschwächten Institution sein. Auch die Netflix-Serie «Harry and Meghan», die das nach Kalifornien ausgewanderte Paar nutzte, um über sein Leiden an Hofintrigen zu berichten, tat dem Ansehen der Königsfamilie nicht gut: Zumal jüngere Generationen sich auf die Seite der Dissidenten schlugen und die Identifikation mit den etablierten Royals sinkt.

Banal und überlebensgross zugleich

Die bleiben aber weiterhin im Gespräch – nicht nur durch Medienberichte und Dokumentationen, durch Bücher, Theaterstücke, TV-Serien und Filme, die bis in die Gegenwart hineinreichen. Das königliche Unheil der jüngsten Zeit würden sich passgenau in eine weitere Staffel von «The Crown» fügen. Aufmerksame Konsumenten der Serie könnten sie praktisch selber schreiben. Die Royals sind nicht nur öffentliche Figuren, sondern gewissermassen schon zu Lebzeiten fiktionale Gestalten geworden – wiedererkennbar banal und überlebensgross zugleich.

Als 1992 ihr Palast brannte und mehrere ihrer Kinder in Scheidungen und Skandale verstrickt waren, sprach die Queen von ihrem «Annus horribilis», ihrem Schreckensjahr. Das Wortspiel mit der lateinischen Wendung «Annus mirabilis», die das Gegenteil – ein Wunderjahr - ausdrückt, wurde berühmt und wanderte in die englischen Wörterbücher.

Die Königin sass das Unglück aus, wie sie alles aussass, und die Monarchie sah wieder stabileren Zeiten entgegen. Doch seit dem Tod der scheinbar immerwährenden Queen, deren eiserne Disziplin die Familie zusammenhielt, wirken die royalen Kulissen auf einmal arg papieren.

An Skandalen hatte es der britischen Monarchie nie gemangelt. Doch einende Kraft und der nationale Zusammenhalt, den die Queen verkörperte, fehlen ihrem glücklosen Sohn, dem viele bis heute die Diana-Tragödie anlasten. Man könnte meinen, der Niedergang der berühmtesten Familie der Welt, deren Untergang schon so oft prophezeit wurde, habe die Dimensionen eines Shakespeare-Showdowns erreicht. Vielleicht aber ist es nur ein Zwischentief in einer langen Geschichte voll unerwarteter Wendungen.

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