Gewinner von heute als Verlierer von morgen?

Gute Argumente für Schwellenländer-Anleihen überzeugen immer mehr Anleger. Das Blatt kann sich aber schnell wenden.

Anne-Barbara Luft
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Das Beispiel Venezuela verdeutlicht die Risiken bei Investitionen in Schwellenländer-Anleihen: Demonstration gegen die Geldentwertung in Caracas. (IvanAlvarado/Reuters)

Das Beispiel Venezuela verdeutlicht die Risiken bei Investitionen in Schwellenländer-Anleihen: Demonstration gegen die Geldentwertung in Caracas. (IvanAlvarado/Reuters)

Mit Investitionen in Schwellenländern verhält es sich manchmal wie mit dem Wetter in den Bergen. Während im einen Moment noch die Sonne strahlt und kein Wölkchen den Himmel trübt, tost im nächsten Augenblick schon ein Sturm. Wanderer und Investoren sollten davor gleichermassen stets auf der Hut sein. Wer dafür noch einen Beleg benötigt, der muss nur die Wertentwicklung von Emerging-Markets-Bonds von 2016 und diesem Jahr vergleichen. Die Gewinner vom vergangenen Jahr zählen nämlich zu den grössten Verlierern von 2017. Daten von Bloomberg zeigen, dass beispielsweise Dollar-Anleihen von Venezuela, Ecuador und Ghana im vergangenen Jahr die Liste der ertragsstärksten Schwellenländer-Anleihen angeführt haben. In diesem Jahr hingegen haben Investoren mit Bonds dieser Staaten teilweise unterdurchschnittliche Gewinne und sogar Verluste verbucht.

Allgemein haben sich Obligationen – ebenso wie Aktien – von Schwellenländern seit Beginn vergangenen Jahres gut entwickelt. Trotz einer Korrektur im September verzeichnen die in Dollar denominierten Zinstitel der Emerging Markets 2017 ein Plus von 7,6% – gemessen am entsprechenden Index von Bloomberg. Marktbeobachter äussern sich optimistisch, dass sich der positive Trend dieser Anlageklasse noch fortsetzen wird. «Getragen vom stärkeren Wachstum in den Schwellenländern, könnte das makroökonomische Umfeld für Emerging-Markets-Anlagen noch zwei weitere Jahre lang positiv bleiben», sagt etwa Mike Biggs, Investments Manager bei GAM. Im August ist das aggregierte BIP-Wachstum der Emerging Markets auf 4,8% gestiegen. Das ist der höchste Wert seit mehr als vier Jahren. Während sich der Wachstumskurs in China etwas verlangsamt hat, beobachten Ökonomen in den meisten anderen Schwellenländern eine zunehmende Dynamik.

Abnehmende Verschuldung

So haben nicht nur in Dollar denominierte Anleihen eine gute Performance erzielt, sondern auch Bonds in Lokalwährung. Der entsprechende Index von JP Morgan zeigt ein Plus von fast 11% seit Jahresbeginn an. Bedingt durch ein verbessertes Wirtschaftswachstum und die kontrollierte Inflation, könnten die Fundamentaldaten auch Schwellenländer-Währungen stützen, sagt Fran Rodilosso, Leiter Fixed Income beim New Yorker Vermögensverwalter Van Eck. Da diese Anlageklasse noch nicht überkauft sei, gebe es noch Spielraum für weitere Wertsteigerungen.

Seit 2011 hat die Verschuldung der Schwellenländer kontinuierlich zugenommen. Schulden von Staaten, Unternehmen und Haushalten haben im vergangenen Jahr rund 168% des BIP erreicht. Ökonomen haben daher vor den Folgen der hohen Verschuldung gewarnt. In diesem Jahr könnte die Verschuldung laut jüngsten Prognosen nun erstmals abnehmen. Höhere Wachstumsraten und ein Rückgang der privaten Verschuldung könnten diese Trendwende auslösen. Eine solche Entwicklung, mit der die Probleme der Finanzstabilität abnähmen, hätte eine positive Auswirkung auf die Stimmung an den Bond-Märkten. Die Liste der Argumente, die für Investitionen in Schwellenländer-Anleihen sprechen, ist damit noch nicht zu Ende. Zudem sind viele Marktexperten der Ansicht, dass Risiken wie eine harte Landung in China, negative handelspolitische Überraschungen seitens der USA oder ein stärkerer Dollar bereits in den Kursen enthalten seien. Viele Anleger haben sich von diesen Argumenten überzeugen lassen. Der Anteil von Emerging-Market-Bonds in den Obligationen-Portfolios liegt derzeit über dem langjährigen Durchschnitt.

Trotz all den guten Argumenten für Schwellenländer-Anleihen allgemein bleiben die Risiken bei einzelnen Ländern hoch. Eine Unterscheidung zwischen einzelnen Regionen ist bei Investitionen daher ganz entscheidend. Das Beispiel Venezuela verdeutlicht eines der grössten Risiken bei Investitionen in Schwellenländer-Anleihen sehr gut. Im letzten Jahr erzielten Zinstitel des südamerikanischen Staats einen Ertrag von mehr als 50% – seit Anfang 2017 sind die Kurse venezolanischer Bonds eingebrochen und haben fast 20% verloren.

Pleite nur aufgeschoben

Die ohnehin schon risikobehafteten Titel wurden noch anfälliger für Verluste, als die Regierung der USA im Sommer das Land mit zusätzlichen Sanktionen belegte. Mitte vergangener Woche konnte das krisengeschüttelte Land eine Staatspleite zwar in letzter Sekunde abwenden, die Nervosität unter den Investoren hat deswegen aber nicht abgenommen. Eine Serie von unbezahlten Coupons von Anleihen des Staats und staatlicher Unternehmen haben Ängste vor dem Bankrott geschürt, das zeigen auch die Kurse der entsprechenden Papiere zur Absicherung von Kreditausfällen. Ökonomen äussern die Befürchtung, dass die Zahlungsunfähigkeit nur aufgeschoben sei. Ein erneuter Renditeanstieg mit damit verbundenen Kursverlusten bei venezolanischen Obligationen ist daher sehr wahrscheinlich.