Wie viel Geld braucht man für die Pensionierung? Wer sich den Ruhestand in der Schweiz leisten kann – und für wen es eng wird

Der Ruhestand in der Schweiz ist teuer. Wer immer hier gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, dürfte ihn sich aber leisten können. Für Mitglieder mancher Bevölkerungsgruppen sieht es hingegen wenig komfortabel aus.

Michael Ferber 5 min
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Pensionärinnen unterwegs in Zürich: Für manche wird das Geld im Alter knapp.

Pensionärinnen unterwegs in Zürich: Für manche wird das Geld im Alter knapp.

Michele Limina / Bloomberg

Kann man es sich leisten, nach der Pensionierung in der Schweiz zu leben? Diese Frage treibt nicht wenige hierzulande lebende Menschen um. Darunter sind Teilzeitbeschäftigte, Einwanderer, Selbständigerwerbende ohne Pensionskasse oder Menschen, bei denen die ursprünglichen Pläne durcheinandergekommen sind – beispielsweise durch eine Entlassung oder eine Scheidung.

«Viele Menschen stehen vor der Frage, ob sie nach der Pensionierung in der Schweiz bleiben und sich einschränken sollen – oder ob sie ins Ausland gehen oder zurückgehen», sagt Laurent Schlaefli, Chef der Vorsorgeeinrichtung Profond und Präsident von Inter-Pension, dem Verband der unabhängigen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen. Für viele ist es auch eine Option, nach der Pensionierung weiterzuarbeiten.

Dabei spielt eine Rolle, dass viele Pensionskassen aufgrund der jahrelangen Tiefzinsphase sowie der demografischen Entwicklung in den vergangenen Jahren die Umwandlungssätze und damit die Renten gekürzt haben.

Schweizer Ehepaare haben im Allgemeinen genug Geld

Trotzdem ist laut Experten für «normale» Schweizer Arbeitnehmende Panik fehl am Platz. «Die Neurenten-Statistik zeigt: Wer hier gelebt und kontinuierlich Beiträge bezahlt hat, hat nach der Pensionierung als Ehepaar genug Geld», sagt der Vorsorgespezialist Werner C. Hug.

Gemäss der Neurentenstatistik 2021 lag eine neue Altersrente aus der AHV für Schweizer Männer im Durchschnitt bei 2010 Franken, die Rente aus der beruflichen Vorsorge bei 2657 Franken. Für Schweizer Frauen betrug die Rente aus der AHV im Durchschnitt 1819 Franken, die Rente aus der beruflichen Vorsorge 1603 Franken.

Die entsprechenden Werte für den Median betragen für Schweizer Männer bei den AHV-Renten 2046 Franken und den Renten aus der beruflichen Vorsorge 2167 Franken, bei den Schweizer Frauen sind es 1793 Franken aus der AHV und 1242 Franken aus der beruflichen Vorsorge. Der Median ist der Wert, im Vergleich zu dem die eine Hälfte der Renten grösser und die andere Hälfte kleiner ist.

Für einige wird es knapp

Für manche Personen sieht es aber weniger komfortabel aus. Wenn bei ihnen das Geld im Alter nicht reicht und kein Vermögen vorhanden ist, gibt es allenfalls Ergänzungsleistungen (EL). Zu den gefährdeten Bevölkerungsgruppen zählen:

Selbständigerwerbende ohne Pensionskasse: «Viele Selbständigerwerbende haben keine Pensionskasse», sagt Willi Thurnherr vom Beratungsunternehmen Aon Schweiz. Er empfiehlt, sich wenn möglich einer solchen anzuschliessen oder zumindest die Chancen einer «grossen Säule 3a» zu nutzen. Wer keiner Pensionskasse angeschlossen ist, kann in diesem Jahr bis zu 35 280 Franken beziehungsweise maximal 20 Prozent des Nettojahreseinkommens steuerbegünstigt in die Säule 3a einzahlen. Mangelnde Planung gilt als wichtiger Faktor dafür, dass im Alter zu wenig Geld in den Vorsorge-Töpfen liegt. «Viele Leute interessieren sich zu wenig für ihre Altersvorsorge», sagt Schlaefli. «Sie wissen nicht einmal grob Bescheid, wie viel Geld sie im Alter haben werden.»

Teilzeitbeschäftigte: Die Neurentenstatistik zeigt, dass die Renten von Frauen im Durchschnitt deutlich niedriger sind als die von Männern. Frauen sind und waren in den vergangenen Jahrzehnten in der Schweiz deutlich stärker in Teilzeit beschäftigt als Männer, wie Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. Dies schlägt sich vor allem in den Renten aus der beruflichen Vorsorge nieder. Während Männer hier im Jahr 2021 im Median über Schweizer und Ausländer hinweg eine Rente von 2100 Franken bekamen, waren es bei den Frauen nur 1201 Franken.

Spät Geschiedene: «Leute, die sich spät scheiden lassen, haben oftmals ein Problem», sagt Vorsorgespezialist Hug. Bei einer Scheidung wird das Pensionskassenvermögen der beiden Ehepartner aufgeteilt. Problematisch seien vor allem Paare, bei denen ein Partner nicht erwerbstätig war, sagt Thurnherr.

Ausländer: Wie die Neurentenstatistik des Weiteren zeigt, fallen die Renten von Ausländern im Vergleich mit Schweizern geringer aus. Im Jahr 2021 lag eine AHV-Rente für ausländische Männer im Median bei 1523 Franken, die berufliche Vorsorge bei 1368 Franken. Bei ausländischen Frauen betrug die durchschnittliche AHV-Rente im Median 1232 Franken und die BVG-Rente lediglich 745 Franken.

Spät-Einwanderer: «Wenn man als Einwanderer erst mit Mitte 30 in die Schweiz gekommen ist, erreicht man im Allgemeinen nach der Pensionierung nie den Standard der Schweizer», sagt Hug. Für Personen, die erst mit 45 einwandern, wird es noch enger. Dies zeigt eine Berechnung von Willi Thurnherr, der als Pensionsversicherungsexperte mittelgrosse und grosse Vorsorgeeinrichtungen berät (vgl. Tabelle).

Wer erst mit 45 in die Schweiz kommt und dann hier bis zur Pensionierung arbeitet, muss mit einer geringen Ersatzquote im Ruhestand rechnen. Diese Kennzahl gibt an, welcher Anteil des Lohns aus der beruflich aktiven Zeit durch Renten gedeckt ist, wenn jemand in Pension geht. Für die Ersatzquote werden die Renten aus AHV und Pensionskasse addiert.

Wie das Beispiel in der Tabelle zeigt, muss eine Person, die mit 45 Jahren in die Schweiz gekommen ist und bis zur Pensionierung 100 000 Franken brutto pro Jahr verdient hat, mit einer Ersatzquote von 28,6 Prozent in einem BVG-Minimalplan und mit einer solchen von 37,4 Prozent rechnen, wenn sie in einem marktüblichen «umhüllenden» Pensionsplan versichert ist. Zum Vergleich beträgt die Ersatzquote 55,4 Prozent in einem BVG-Minimalplan und 74,6 Prozent in demselben «umhüllenden» Pensionsplan, wenn die Person über die volle Karriere hinweg in der Schweiz AHV- und BVG-Beiträge bezahlt hat.

Bei einem «umhüllenden» Pensionsplan bietet eine Pensionskasse Leistungen über dem gesetzlichen Minimum an. Dafür ist der Umwandlungssatz im Allgemeinen niedriger, im Beispiel liegt er bei 5 Prozent. Der oder die Versicherte erhält also nach der Pensionierung pro 100 000 Franken, die in der Kasse angespart wurden, eine jährliche Rente von 5000 Franken. Bei einem BVG-Minimalplan handelt es sich hingegen um Kassen, die nur das gesetzliche Minimum versichern. Dafür erhalten die Versicherten bei der Pensionierung den sogenannten BVG-Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent. Je 100 000 Franken in der Pensionskasse angesparten Vermögens bekommen die Versicherten im Ruhestand also eine jährliche Rente von 6800 Franken.

Natürlich gilt es auch die Altersleistungen einzurechnen, die solche Versicherten bekommen haben, bevor sie in die Schweiz gekommen sind. In vielen Ländern ist das Altersvorsorgesystem aber weniger gut ausgebaut als hierzulande. Folglich drohen Lücken, wenn Spät-Einwanderer nach der Pensionierung in der Schweiz bleiben möchten.

Spät in die Schweiz Eingewanderte haben die Möglichkeit, ihr Altersguthaben in der Pensionskasse durch freiwillige Einzahlungen, sogenannte Einkäufe, aufzubessern. So lässt sich auch die Ersatzquote verbessern. «Theoretisch könnte man mit Einkäufen sogar auf dieselben Leistungen aus der Pensionskasse kommen wie jemand, der immer in der Schweiz gearbeitet hat», sagt Thurnherr. Allerdings ist dies für die wenigsten Arbeitnehmer mit einem Gehalt von 100 000 Franken realistisch. Bei der AHV lassen sich die fehlenden Beitragsjahre ohnehin nicht kompensieren, Einkäufe sind hier nicht möglich. Ein Spät-Einwanderer hat höchstens die Möglichkeit, die AHV aufzuschieben und so aufzubessern.

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