Zinswende: Der monetäre Vorteil von Wohneigentum hat sich in Luft aufgelöst

Mit der Normalisierung der Zinsen ist der Schweizer Eigenheimmarkt wieder ein wenig liquider geworden. Gekauft wird nicht mehr alles und auch nicht zu jedem Preis. Das ist kein Grund zur Panik, sondern Good News.

Andrea Martel
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Inzwischen hat die Zahl der ausgeschriebenen Eigentumswohnungen deutlich zugenommen, obwohl nicht mehr gebaut wird.

Inzwischen hat die Zahl der ausgeschriebenen Eigentumswohnungen deutlich zugenommen, obwohl nicht mehr gebaut wird.

Simon Tanner / NZZ

Es ist noch nicht lange her, da war es praktisch unmöglich, ein Eigenheim zu erwerben. Es kamen fast keine Objekte auf den Markt. Und wenn es Angebote gab, dann war der Andrang der Kaufinteressenten riesig und die Chance auf den Zuschlag minimal. Umgekehrt gab es am Verkaufsmarkt kaum noch Ladenhüter. Selbst mittelmässige Lagen und Liegenschaften gingen in wenigen Wochen und zu Höchstpreisen über den Tisch.

«Hauptsache, Eigenheim», schien die Devise vieler Käufer zu sein, was durchaus rational war. Denn mit Hypothekarzinsen nahe null war der Kauf von Wohneigentum nicht mehr nur ein emotionaler Entscheid, sondern es war finanziell schlicht vorteilhafter, zu kaufen statt zu mieten.

Gekauft wird nicht mehr um jeden Preis

Inzwischen hat sich der monetäre Vorteil von Wohneigentum jedoch in Luft aufgelöst. Bei einer Hypothek mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einer 80-Prozent-Belehnung sind die Wohnkosten eines Zürcher Eigenheims inzwischen auf dem Niveau einer vergleichbaren Mietwohnung. An teuren Lagen ist das Mieten sogar leicht günstiger als ein Kauf.

Entsprechend sind die Käufer nun wieder deutlich wählerischer geworden, wie die Zürcher Kantonalbank (ZKB) in ihrem neusten Immobilienmonitor schreibt. Dies zeigt sich laut der Bank unter anderem daran, dass die Zahl der Dossieranfragen pro Verkaufsinserat auf Homegate deutlich abgenommen hat – bei Eigentumswohnungen von mehr als fünfzig vor einem halben Jahr auf unter vierzig.

Die Leute stürzen sich nicht mehr auf jede Liegenschaft, die zum Verkauf steht

Mittlere Anzahl Dossieranfragen pro Verkaufsinserat auf Homegate
Stockwerkeigentum
Einfamilienhaus

Ebenfalls feststellbar sei, dass einzelne Verkaufsobjekte nicht mehr beim ersten Inserieren weggingen – sei es aufgrund überhöhter Preisvorstellungen oder unattraktiver Lage. Immer häufiger brauche es einen zweiten Anlauf. Manche Inserate erscheinen laut der ZKB beim zweiten Inserieren auch mit einem tieferen Angebotspreis, was den Verkauf begünstigt, aber das Signal aussendet, dass es mit den Preisen abwärtsgeht.

Mehr Angebot auf dem Markt

Auch beim Angebot hat sich etwas getan: Mehr gebaut wird zwar nicht, aber die Zahl der ausgeschriebenen Eigentumswohnungen hat trotzdem deutlich zugenommen. Mit dem Wegfall der Negativzinsen scheine es manchem Immobilienbesitzer leichter zu fallen, sich von seinem Objekt zu trennen, schreibt die ZKB. Bei einzelnen Verkäufern schwinge womöglich der Wunsch mit, die teilweise kolossale Wertsteigerung ihrer Immobilie nicht nur auf dem Papier zu sehen, sondern auch im eigenen Portemonnaie zu spüren.

Das Angebot an Eigentumswohnungen hat deutlich zugenommen

Ausgeschriebene Eigentumswohnungen auf Homegate, relativ zum Bestand, in %
Schweiz
Kanton Zürich

Gespräche mit verschiedenen Maklerinnen und Maklern bestätigen dieses Bild im Grossen und Ganzen. Claude Ginesta vom gleichnamigen Unternehmen ist allerdings nicht überzeugt, dass tatsächlich bereits mehr Eigenheime auf dem Markt sind: «Was ich feststelle, ist, dass die Vermarktungsdauer zugenommen hat. Dies allein führt schon dazu, dass auf einer Plattform mehr Liegenschaften gleichzeitig ausgeschrieben sind.»

Vermehrt zum Verkauf stehen nach seiner Einschätzung vor allem Mehrfamilienhäuser, da dort die Preise praktisch eins zu eins mit den Hypothekarzinsen korrelieren: «Die Verkäufer wollen jetzt noch profitieren.» Aber der Preisdruck sei bereits spürbar. Die Käufer sind laut Ginesta nicht mehr bereit, Renditen von weniger als 3 Prozent in Kauf zu nehmen.

In die gleiche Kategorie wie Mehrfamilienhäuser fallen auch sogenannte Buy-to-let-Objekte, sprich vermietete Eigentumswohnungen. So manch ein Hobby-Vermieter merkt nun, dass sein Geschäftsmodell bei höheren Finanzierungskosten nicht mehr aufgeht. Wer sein Objekt nicht für den späteren Eigengebrauch behalten will, der versucht nun zu verkaufen.

Sanfte Landung erwartet

Aber trotz höherem Angebot bei sinkender Nachfrage: Von einem Überangebot an Eigenheimen und einem Kippen des Marktes ist die Schweiz laut Ginesta noch meilenweit entfernt. Die Übernachfrage sei nun einfach nicht mehr ganz so extrem.

Die ZKB sieht das ebenso. Die Bank geht deshalb auch davon aus, dass die Preise weiter steigen werden – einfach etwas weniger stark als bisher. Statt 9,3 Prozent wie 2021 oder 6 Prozent wie im laufenden Jahr erwarten die Immobilienökonominnen der Bank für 2023 noch einen Preisanstieg von 2 Prozent.

Eine solche Abkühlung wäre nicht nur überhaupt kein Drama, sondern sogar höchst willkommen. Denn die Liegenschaftenpreise sind – zunächst wegen der sinkenden Zinsen und dann auch noch wegen Corona – in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als beispielsweise die Einkommen. Nur wenn die Häuserpreise etwas unter Druck kommen, können sich künftig wieder mehr «Normalverdiener» ein Eigenheim leisten.

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