Grenzen für übles Gerede im Internet

Mächtige soziale Netzwerke haben Inhalte des amerikanischen Verschwörungstheoretikers Alex Jones gebannt. Dieser sieht darin eine Bestätigung für alles, wogegen er stets predigt.

Beat Ammann, Washington
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Alex Jones spricht während einer Veranstaltung für Donald Trump. (Bild: Lucas Jackson / Reuters)

Alex Jones spricht während einer Veranstaltung für Donald Trump. (Bild: Lucas Jackson / Reuters)

Grosse soziale Netzwerke haben sich zu Wochenbeginn als Richter über die Redefreiheit betätigt. Das Opfer, Alex Jones, verdient im Prinzip kein Mitleid, doch heisst das nicht, dass seine giftigen Aussagen illegal wären. Es liegt kein Gerichtsurteil vor, das ihm einen Maulkorb verpasst hätte. Jones hat eine Gefolgschaft von Millionen von Leuten. Dass Apple, Facebook, Youtube (Google) und andere viele seiner übelsten Postings eliminiert haben, bedeutet keineswegs, dass er nun zum Schweigen gebracht wäre. Seine Website Infowars bleibt intakt.

Theater, nicht Mord

Die Firmen haben das Recht, Inhalte zu löschen, die sie für inakzeptabel halten, da die Nutzerinnen und Nutzer sich automatisch ihren Geschäftsbedingungen unterwerfen. Jones verbreitet seit Jahr und Tag die verrücktesten Theorien. So sieht er etwa eine Weltverschwörung am Werk, deren Ziel darin besteht, den Kommunismus von China über den ganzen Planeten zu verbreiten. Stets identifiziert er Personen und Institutionen, die mit ausländischen Bösewichten unter einer Decke stecken, nach dem Muster einer «fünften Kolonne». Dazu zählen die «Fake-News-Medien».

Besonders übel ist seine Kampagne gegen die Angehörigen von Opfern des Massenmordes an der Schule Sandy Hook in Newtown (New Jersey). Dabei kamen 2012 zwanzig Kinder und sechs Erwachsene ums Leben. Laut Jones fand das Massaker nicht statt, sondern es war eine wie fürs Kino vorgespielte Operation mit dem Zweck, eine Bewegung auszulösen, um den Bürgerinnen und Bürgern den Besitz von Waffen zu verbieten. Im Zusammenhang mit dem Amoklauf an einer Schule in Florida im Februar warf Jones ebenso hinterhältig die Frage auf, ob die dortigen Schülerinnen und Schüler nicht Schauspieler gewesen seien. Siebzehn von ihnen hatten nicht überlebt. Ferner waren die Terrorangriffe vom 11. September 2001 gegen New York und Washington laut Jones nicht das Werk von Terroristen, sondern das Resultat einer Verschwörung in Regierungskreisen, um repressive Massnahmen gegen den freien Bürger zu rechtfertigen. Dieser Glaube ist in den USA erstaunlich verbreitet.

Überall sieht Jones linke Kräfte am Werk, die Konservative unterdrücken wollten. Die Massnahme von Apple und anderen Firmen ist für den Texaner nur eine weitere Bestätigung dafür, dass es einen üblen Plan gibt, um konservative Stimmen zu ersticken. Donald Trump liess sich seinerzeit als Kandidat für die Präsidentschaft von Jones befragen. Trump lobte Jones; dessen Ruf sei erstaunlich. Er sagte richtig voraus, Jones würde von einem Präsidenten Trump nicht enttäuscht werden.

Jones hatte im Wahlkampf versucht, Hillary Clinton zu demontieren – mit einer Verleumdung. Demnach betrieb Clinton einen Ring für Pädophile, der aus dem Keller einer Pizzeria in Washington operiere. Ein Wirrkopf liess sich von dem Unsinn dazu anstacheln, von seinem Wohnort in North Carolina in die Hauptstadt zu fahren und in der Pizzeria herumzuschiessen. Natürlich fand er keine sexuell missbrauchten Kinder. Seine Informationen seien nicht hundertprozentig richtig gewesen, räumte der Täter gegenüber der «New York Times» ein. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt.

Macht und Manipulation

Zu den Firmen, die gegen Jones vorgingen, zählt auch Spotify, nicht jedoch Twitter. Deren Vorgehen verschärft die Debatte um die Macht sozialer Netzwerke, um die gesellschaftliche Verantwortung der Betreiber und den Ausgleich zwischen Redefreiheit hier, Hass, Hetze sowie allfälligem Aufruf zu Gewalt dort. Mark Zuckerberg, der Chef von Facebook, verteidigte jüngst das Recht von jedermann, etwas Unwahres zu äussern und über soziale Netzwerke zu verbreiten. Er gab dann unfreiwilligerweise gleich ein Beispiel dafür, wie heikel es ist, keine Grenzen zu ziehen. Darf man behaupten, der Holocaust habe nicht stattgefunden? In gewissen Ländern ist derlei strafbar.

Pauschale Lösungen gibt es kaum. Eine liberale Gesellschaft wird eher auf der Seite der Redefreiheit irren wollen als mit Redeverboten. Die USA haben damals mit dem «Krieg gegen den Terror» kaum die Balance zwischen Bewahrung der Freiheit und der Abwehr gegen deren Feinde gefunden. Unklar bleibt die Fähigkeit sozialer Plattformen, sich davor zu schützen, manipuliert zu werden, wie es Russland mit seiner Einmischung in den Wahlkampf 2016 vorexerziert hatte. Für Präsident Trump ist bekanntlich fast alles, was Russland betrifft, ohnehin «fake news».