Protest gegen Wasserspeicher in Frankreich: Tränengas zwischen Wald und Feldern

Radikale Umweltschützer wollen den Bau von Wasserreservoirs für die Landwirtschaft in ganz Frankreich verhindern. Am Wochenende haben sie sich auf den Feldern Westfrankreichs zu einer Demonstration versammelt, die zu einem brutalen Katz-und-Maus-Spiel verkam.

Nina Belz, Paris 3 min
Drucken
Die Szenen in der Umgebung von Sainte-Soline waren am Samstagnachmittag chaotisch.

Die Szenen in der Umgebung von Sainte-Soline waren am Samstagnachmittag chaotisch.

Yves Herman / Reuters

Sainte-Soline ist eine ländlich geprägte Gemeinde in Westfrankreich mit etwas mehr als 300 Einwohnern. Am Wochenende wurden die Felder rund um das kleine Dorf zum Schauplatz wüster Szenen. Bei einer unbewilligten Demonstration von mehreren tausend Umweltaktivisten wurden Dutzende von Personen verletzt. Fünf von ihnen, unter ihnen zwei Polizisten, wurden am Sonntag auf der Intensivstation behandelt. Ein Demonstrant schwebt nach einer Kopfverletzung in Lebensgefahr.

Ein Projekt mit Auflagen

Seit September wird auf dem Gemeindegebiet von Sainte-Soline eine grosse Grube ausgehoben. Sie soll, durch das Grundwasser und vor allem im Winter genährt, zu einem Wasserspeicher für die Landwirtschaft werden. Damit sollen die Bauern besser für die Wasserknappheit in den zunehmend heissen Sommern gewappnet sein.

Insgesamt sind im Département Deux-Sèvres 16, im ganzen Land rund 60 dieser Reservoirs geplant. Der Staat finanziert die Projekte zu 70 Prozent, er knüpft sie allerdings an Auflagen: Die Landwirte, die das Wasser nutzen wollen, müssen sich dazu verpflichten, auf umweltverträglichere Produktionsweisen umzustellen.

Die Gegner der Reservoirs behaupten, die Projekte kämen einer Privatisierung des Wassers durch die Nahrungsmittelindustrie gleich und würde anderen diese wichtige Ressource vorenthalten. Zudem weisen sie auf die negativen Effekte der Riesenbecken, etwa auf das Niveau des Grundwasserspiegels oder auf die direkte Umwelt, hin. Das Becken von Sainte-Soline soll rund 16 Hektaren gross werden.

Die Demonstration vom Wochenende war von drei Umweltorganisationen organisiert worden, die die Reservoir-Gegnerschaft im ganzen Land koordinieren. Sie bewarben die Demonstration in Sainte-Soline nicht nur als nationales Ereignis. Offenbar waren auch Aktivisten aus dem Ausland angereist. Laut Angaben der Veranstalter waren rund 30 000 Protestierende anwesend, die Behörden sprachen von 6000. Unter ihnen befanden sich mehrere linke Politiker, etwa die neue Parteivorsitzende der Grünen, Marine Tondelier.

Der Gewaltausbruch zwischen Wald und Feldern kam indes nicht überraschend. Bei einer ersten Demonstration im vergangenen Oktober war es schon zu Gewaltausbrüchen mit Dutzenden von Verletzten auf beiden Seiten gekommen. Zudem war der Protest an den Umzügen gegen die Rentenreform aktiv beworben worden. Das Innenministerium ging denn auch von der Präsenz radikaler Kräfte aus und warnte vor einem grossen Gewaltpotenzial.

Die Demonstration vom Wochenende war von drei Umweltorganisationen organisiert worden, die die Reservoir-Gegnerschaft im ganzen Land koordinieren.

Die Demonstration vom Wochenende war von drei Umweltorganisationen organisiert worden, die die Reservoir-Gegnerschaft im ganzen Land koordinieren.

Caroline Blumberg / EPA

Es hatte daher mit 3200 doppelt so viele Beamte wie noch im Herbst abbestellt, um die Baustelle nahe Sainte-Soline zu schützen. Dies ist den Beamten zwar gelungen, allerdings unter grosser Anstrengung. Videos zeigen, wie die Demonstranten die Beamten mit Steinen bewarfen und mit Feuerwerkskörpern und Molotow-Cocktails auf sie zielten; die Beamten reagierten mit Tränengas und dem Einsatz des umstrittenen grosskalibrigen Gummischrots (LBD 40). Mehrere Einsatzwagen gingen in Flammen auf.

Die Polizei zurück in den Schlagzeilen

Die vorläufige Bilanz des Katz-und-Maus-Spiels – die Veranstalter sprachen von rund 200 verletzten Demonstranten, die Gendarmerie meldete 24 verletzte Beamte – reiht sich in die Vorfälle der vergangenen zehn Tage ein. Bei spontanen nächtlichen Demonstrationen sowie auch im Nachgang zum jüngsten Streiktag gegen die Rentenreform kam es in mehreren Städten wiederholt zu Gewaltausbrüchen mit Verletzten.

Wieder einmal gerät dabei vor allem die Polizei in den Fokus. Am Freitag hat die Zeitung «Le Monde» einen Audio-Mitschnitt veröffentlicht. Er stammt von einer Vernehmung von sieben jungen Männern durch Mitglieder einer Sondereinheit der Polizei, die 2018 für die Proteste der Gelbwesten geschaffen wurde. Die Aufnahme aus der Nacht des 20. März legt die Methoden mancher Beamten schonungslos offen. Die der Sachbeschädigung verdächtigten Männer wurden von den Polizisten rassistisch beleidigt, bedroht und einer von ihnen zwei Mal geohrfeigt. Der Polizeipräfekt von Paris, Laurent Nuñez, schloss am Wochenende aus, dass die Motorrad-Einheit, die schon mehrfach wegen ihres brutalen Verhaltens für Schlagzeilen gesorgt hatte, aufgelöst werde. Er kündigte stattdessen eine interne Untersuchung an und wies darauf hin, dass die Beamten in einem herabwürdigenden Kontext arbeiteten.