Feindin aller Extreme: Mit Dianne Feinstein verliert Washington eine überzeugte Pragmatikerin

Die Senatorin Dianne Feinstein lebte das Leben einer Feministin, aber war nie eine linke Aktivistin. Sie war für die Todesstrafe, aber auch für strengere Waffengesetze. Damit eckte die Demokratin bei Freund und Feind immer wieder an. Nun ist sie mit 90 Jahren im Amt gestorben.

Christian Weisflog, Washington 3 min
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Dianne Feinstein ist in der Nacht auf Donnerstag verstorben.

Dianne Feinstein ist in der Nacht auf Donnerstag verstorben.

Aaron P. Bernstein / Reuters

Als Dianne Feinstein 1990 für das Amt des Gouverneurs in Kalifornien kandidierte, lautete ihr Slogan «hart, aber fürsorglich». An der Versammlung ihrer Demokratischen Partei pries sie die Todesstrafe und erntete dafür Buhrufe. Feinstein verlor die Wahl, aber das Motto ihrer Kampagne scheint bis zu ihrem Tod am Donnerstag ihr politisches Leitmotiv geblieben zu sein.

Zwei Jahre später wählten die Kalifornier die studierte Historikerin als erste Frau ihres Gliedstaates in den Senat in Washington. Sie blieb über 30 Jahre im Amt und wurde dabei fünfmal wiedergewählt. Bereits in ihrer ersten Legislatur zeichnete sich Feinstein 1994 als Architektin eines Verbots halbautomatischer Sturmgewehre aus, die oft von Amokläufern verwendet werden. Die Laufzeit des Gesetzes war allerdings auf zehn Jahre beschränkt, und unter Präsident George W. Bush verlängerte sie der Kongress nicht.

Brisanter Bericht zu Foltermethoden der CIA

Im Rampenlicht stand Feinstein erneut als erste Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat nach Präsident Barack Obamas Wahlsieg. Zum einen nahm sie die Geheimdienste in Schutz, indem sie etwa gezielte Tötungen durch Drohnenangriffe oder staatliche Überwachungsprogramme verteidigte. Gleichzeitig eröffnete der Geheimdienstausschuss unter Feinsteins Leitung 2009 eine Ermittlung zu den Foltermethoden der CIA bei Verhören mutmasslicher Terroristen nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001. Der Bericht mit rund 7000 Seiten kam zu dem Ergebnis, dass die Praktiken viel brutaler, verbreiteter und weniger effektiv waren als von dem Auslandgeheimdienst behauptet.

Nationale Bekanntheit erlangte die pragmatische Demokratin indes bereits 1978. Sie war Vorsitzende des gesetzgebenden Stadtrats in San Francisco, als ein ehemaliges Mitglied der Institution ins Rathaus eindrang und den Bürgermeister George Moscone sowie Harvey Milk, den ersten offen schwulen Politiker in Kalifornien, erschoss. Feinstein fiel es zu, nach dem Verbrechen als Erste vor die Medien zu treten. Danach wurde sie selbst als erste Frau zur Bürgermeisterin gewählt und blieb für zehn Jahre im Amt.

Danach sollte Feinstein in weiteren Positionen eine Vorreiterin sein. Unter anderem sass sie auch als erste Frau im einflussreichen Justizausschuss des Senats, der für die Nominierung von Richtern eine wichtige Rolle spielt. Auch dort bewies sie ihre Unabhängigkeit, indem sie auch republikanische Nominierungen gegen den Willen linker Bürgerrechtsgruppen unterstützte. Als Pragmatikerin erwies sich Feinstein auch 2018. Um ihre Wiederwahl gegen einen linken Demokraten zu sichern, sprach sie sich nun gegen die Todesstrafe aus.

Ein Leben für die Politik bis zum Ende

Trotz ihren gemässigten Positionen wurde Feinstein vor fünf Jahren indes zum Feindbild der Republikaner. Sie hielt den Brief einer Frau lange geheim, die Brett Kavanaugh – den konservativen Kandidaten für den Supreme Court – einen sexuellen Übergriff vorwarf. Als die Anschuldigungen an die Presse durchsickerten, übergab Feinstein das Schreiben dem FBI. Die Republikaner warfen Feinstein danach vor, Kavanaugh mit dem Brief bewusst in letzter Minute einen «Hinterhalt» gestellt zu haben, um seine Bestätigung zu verhindern.

Progressive Demokraten wünschten sich von Feinstein derweil stets ein stärkeres Engagement für die Sache der Frauen. Sie selbst sagte zu dieser Kritik: «Ich habe das Leben einer Feministin gelebt.» Sie habe ihre Stelle kündigen müssen, weil es keinen Mutterschaftsurlaub gegeben habe. Sie habe ein Kind alleine aufgezogen. Und sie habe Gesetze auf den Weg gebracht. «Ich marschierte nicht an Demonstrationen mit, aber ich habe es gelebt.»

Politik war Feinsteins Leben. Und umso schwerer fiel ihr der Abschied. In den vergangenen Monaten verschlechterte sich ihr gesundheitlicher Zustand zunehmend. Nach einer Gürtelrose im Februar kehrte die Senatorin im Mai im Rollstuhl ins Capitol zurück. Doch obwohl auch Parteikollegen ihr den Rücktritt nahelegten, zeigte sich die Pragmatikerin in dieser Frage kompromisslos. Nun ist sie mit 90 Jahren am Donnerstag im Amt gestorben. Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom kann nun bis zum Ende der Legislatur im Januar 2025 den vakanten Senatssitz mit einem Kandidaten seiner Wahl neu besetzen. An den Mehrheitsverhältnissen im Capitol wird der Tod der altgedienten Politikerin deshalb kurzfristig nichts ändern.