Kommentar

Der Schweizerischen Bankiervereinigung fehlt es an Fingerspitzengefühl

Der Bankenverband will, dass Banken in Zukunft auch ohne Sicherheiten an Liquidität der Nationalbank gelangen. Mit der Forderung nach solchen Privilegien tut sich der Verband keinen Gefallen.

Thomas Fuster 16 Kommentare 3 min
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Was bei der CS notfallmässig möglich war, soll allen Banken offenstehen. Das fordert die Bankiervereinigung für ihre Mitglieder.

Was bei der CS notfallmässig möglich war, soll allen Banken offenstehen. Das fordert die Bankiervereinigung für ihre Mitglieder.

Michael Buholzer / Keystone

Not kennt kein Gebot. Dass dies auch in der Schweizer Wirtschaftswelt gilt, zeigte sich vor rund drei Monaten bei der Rettung der Credit Suisse. Unter hohem Zeitdruck wurden damals wichtige ordnungspolitische Prinzipien ausgehebelt und notrechtliche Bestimmungen durchgeboxt. Dazu gehörte, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) der CS und der UBS Zugang zu milliardenhoher Liquidität gewährte, ohne dass die Banken hierfür Sicherheiten hinterlegen mussten. Die als ELA plus bezeichnete Massnahme war ein geldpolitischer Tabubruch.

Doppelmoral der Banken

Doch Tabubruch hin oder her: Die Banken haben Gefallen gefunden an der Idee, auch ohne das Abtreten eines Pfands an die Milliarden der SNB zu gelangen. So macht sich die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) in der Vernehmlassung zur Änderung des Bankengesetzes für eine Beibehaltung von ELA plus stark. «Wir sind der Ansicht, dass dieses Instrument zeitlich unbeschränkt eingeführt werden sollte», schreibt der Verband. Auf diese Weise, so die Be­gründung, könne bei kriselnden Banken ein Sanierungsverfahren vermieden werden.

Man kann die Forderung der SBVg als unverschämt oder nur als selbstbewusst bezeichnen. Inakzeptabel ist sie auf alle Fälle. Denn was der Bankenverband verlangt, steht im Widerspruch zum Verhalten der eigenen Mitglieder gegenüber ihren Kunden. Wer bei einer Bank ohne jede Sicherheit einen Blankokredit in Milliardenhöhe will, wird sofort zur Tür begleitet. Dasselbe Schicksal ereilt jene Immobilienbesitzer, die für den Hausbau zwar einen Bankkredit wollen, aber nicht bereit sind, im Gegenzug die Immobilie als Grundpfand anzubieten.

Das Beharren auf ausreichenden Sicherheiten ist in der Kreditwirtschaft so selbstverständlich wie vernünftig. Dieses Prinzip muss auch gelten, wenn die Banken nicht Kreditgeber, sondern Kreditnehmer sind. Doch die SBVg sieht das anders. Was sie von Bankkunden verlangt, soll für die Banken selbst nicht gelten. Das zeugt von einem selektiven Verständnis von Ordnungspolitik und schadet der Glaubwürdigkeit, wenn man bei anderen Themen wieder auf mehr Marktwirtschaft drängt. Einen Gefallen tut sich die SBVg mit dieser Doppelmoral nicht, etwa mit Blick auf die derzeitige Stimmung im regulierungsfreudigen Bundesbern.

Einmal ist keinmal

ELA plus ist ein Sündenfall. Die SNB betont, sie sei damit an die Grenze dessen gegangen, was für sie noch zulässig sei. Doch eigentlich hat sie diese Grenze überschritten. Denn in den SNB-Richtlinien steht, dass die Liquiditätshilfe «vollständig durch ausreichende Sicherheiten gedeckt sein» müsse. Das ist hier nicht der Fall. Dass es bei ELA-plus-Krediten wenigstens ein Konkursprivileg gibt, ist kein vollwertiger Ersatz für Vermögenswerte, die man im Konkursfall verkaufen kann. Niemand weiss im Voraus, wie viel eine kollabierende Bank noch hergibt.

Die Episode zeigt: Das bei Regelbrüchen oft strapazierte Argument, der Verstoss sei einer historischen Einmaligkeit geschuldet und werde sich nicht wiederholen, steht immer auf wackligem Fundament. Was einmal geht, geht auch ein zweites oder drittes Mal. Jede Regelverletzung weckt die Begehrlichkeit, es mit den Regeln auch in Zukunft nicht so genau zu nehmen. Die Bankiervereinigung geht nun noch einen Schritt weiter und will den Regelbruch gleich institutionalisieren.

Das ist der ordnungspolitisch falsche Weg. Zwar mag es sinnvoll sein, den Kreis jener Sicherheiten, die Banken der SNB anbieten können, zu erweitern. Letztlich stehen aber die Geldhäuser in der Pflicht. Sie müssen dafür sorgen, dass sie im Krisenfall für den Bezug dringend benötigter Liquidität immer genügend Sicherheiten verfügbar haben. Das nennt man Eigenverantwortung, und das gehört zu den Grundprinzipien einer Marktwirtschaft. Es sollte endlich auch im Bankensektor gelten. Dem ramponierten Ruf der Branche käme dies zugute.

16 Kommentare
Tobias Suter

Diese Forderung ist überhaupt nicht erstaunlich. Banken in der Schweiz zeichnen sich durch unverschämte Forderungen aus. Als Kunde befindet man sich ja immer mal wieder in der Situation, dass bei schönem Wetter die Bank Regenschirme verteilt und dann bei der ersten Wolke am Himmel, die Regenschirme wieder einzieht. Es ist also logisch, dass diese Forderung gestellt wird. Unverblümtheit, ja sogar Frechheit, ist durchaus immer wieder feststellbar, wenn man mit Banken zu tun hat. Wie wäre es sonst möglich gewesen, dass Manager bei Verlusten der Bank immer noch üppige Boni eingestrichen haben. Der Fisch fängt  bekanntlich immer am Kopf an zu stinken.

C. B.

Man stelle sich vor, jemand lebt krass über seine Verhältnisse, verprasst sein Geld und ist dann pleite. Dann überfällt er eine Bank, um sich da raus zu helfen.Gelingt der Überfall, wird er nicht bestraft. Die Gesetze sind dahingehend geändert worden. Was würde das bedeuten? Alle anderen würden sich daran ein Beispiel nehmen, ihr Geld verprassen, eine Bank überfallen und ungestraft davonkommen. Man sagt sich: Schliesslich habe ich ja niemand geschädigt. Die Versicherung zahlt den Verlust und ich brauche das Geld. So machte es die CS. Nur dass sie als Bank den Staat, sprich die Steuerzahler überfallen hat, nachdem sie in Arroganz und unendlicher Gier alles Geld verprasst hatten. Und sie kamen ungestraft aus dem Überfall hervor. "Nur" Kunden hatten Geld verloren, viel Geld und die Steuerzahler/ der Staat haften für den Schaden. Das animiert die Banken dazu, sich auch in Zukunft so zu verhalten: Man verprasst Geld, kann die Schulden nicht bezahlen und bedient sich am Volksvermögen. Die Forderung der Bankiers, dass dies nun einreissen soll,  ist doch unglaublich und unverschämt! Ein Kommentator in der NZZ schrieb, die Banken sollten nun ihre Arroganz ablegen und etwas demütig sein. Aber man sieht ja das Ergebnis solcher Rettungsaktionen: Die Banken werden nur noch frecher und fordernder. Die Kriminellen wollen für den Schaden, den sie anrichten, nicht haften. So ist das. D.h. da läuft etwas grundlegend falsch im Staate Schweiz. Ich hoffe, dass die US-Klage gegen die CS gewinnt.