Kommentar

Die Republikaner gewinnen wohl die Wahl, trotzdem ist Donald Trump der Verlierer

Die Republikaner dürften das Repräsentantenhaus zurückerobern, was den Handlungsspielraum von Präsident Biden eng begrenzt. Doch der erwartete Erdrutschsieg bleibt trotz historisch guter Ausgangslage aus. Ein Faktor dafür heisst Donald Trump.

Meret Baumann 86 Kommentare
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Die Republikaner sind mittlerweile eindeutig die Partei von Donald Trump.

Die Republikaner sind mittlerweile eindeutig die Partei von Donald Trump.

Orit Ben-Ezzer / Imago

Selten zuvor sind die amerikanischen Zwischenwahlen als derart wegweisend betrachtet worden für das ungleich wichtigere Präsidentschaftsrennen in zwei Jahren. Zwar standen weder Joe Biden noch Donald Trump auf irgendeinem Stimmzettel. Die Midterms sind jedoch traditionell ein Referendum über den amtierenden Präsidenten, das Ausmass der Niederlage bestimmt seine künftige Handlungsfähigkeit. In diesem Jahr kam als Besonderheit dazu, dass sie auch seinem Vorgänger als Test für dessen Popularität galten. Dieses Fernduell hat Trump eindeutig verloren.

Die Demokraten büssen zwar im Repräsentantenhaus Sitze ein, sie werden die Kontrolle über die grosse Kongresskammer fast sicher abgeben müssen. Das war so zu erwarten: Dass die Bevölkerung in den Zwischenwahlen die Macht des Weissen Hauses zurechtstutzt, ist eine eherne Regel der amerikanischen Politik. Im historischen Vergleich fallen die Verluste aber gering aus. Der Ausgang im Senat könnte dieses Bild noch etwas ändern, es ist aber bereits klar, dass die noch vor einem halben Jahr vermutete «rote Welle» ausgeblieben ist.

Biden ist extrem unbeliebt

Das erstaunt vor dem Hintergrund der ungewöhnlich schlechten Voraussetzungen der Demokraten. Bidens Zustimmungswerte – der jeweils verlässlichste Indikator für den Ausgang der Midterms – sind geringer als diejenigen aller Präsidenten der letzten 70 Jahre zum selben Zeitpunkt im Amt. Gleichzeitig ist die Inflation so hoch wie seit vierzig Jahren nicht mehr, was für die Wählerinnen und Wähler die grösste Sorge ist.

Dass die Republikaner dennoch keinen Erdrutschsieg feiern, liegt unter anderem am schwachen Abschneiden der Demokraten vor zwei Jahren. Die Partei eroberte zwar das Weisse Haus, verlor aber entgegen der Norm gleichzeitig Sitze im Repräsentantenhaus. Die Demokraten kontrollierten in den letzten beiden Jahren beide Kammern nur mit hauchdünner Mehrheit. So starteten die Republikaner von einem hohen Niveau aus, der Spielraum für Mandatsgewinne war begrenzt.

Es gelang den Demokraten aber auch, den Urnengang von einem Referendum über Biden zu einer Wahl zwischen zwei Alternativen zu machen. Sie zeichneten im Wahlkampf die von einer radikalen Trump-Partei ausgehende Gefahr und fokussierten dabei auf das Abtreibungsrecht und die Demokratie. Das hat ihre Anhänger mobilisiert, was in Zwischenwahlen immer eine Herausforderung ist.

Machtpolitisch ändert das allerdings nichts. Biden muss mit dem wahrscheinlichen Verlust des Repräsentantenhauses einen Rückschlag hinnehmen. Innenpolitisch sind damit – wenn überhaupt – nur noch eng begrenzte Reformschritte auf wackliger rechtlicher Basis möglich. Dazu kommt, dass diese Wahl durchaus Alarmsignale für die Demokraten aufzeigt. Zum einen ist auf Barack Obamas berühmte «Regenbogenkoalition» nicht mehr Verlass. Die Demokraten haben bei der grössten und wachsenden Minderheit, den Latinos, an Rückhalt verloren. Diese gewichten alltägliche Sorgen wie die Wirtschaftslage höher als abstrakte Themen – zum Vorteil der Republikaner.

Zudem zeigte sich im Wahlkampf das Personalproblem der Demokraten. Biden war schon vor zwei Jahren ein Kompromisskandidat, der Trump schlagen sollte. Zu begeistern vermochte er die Partei nicht, und mittlerweile zeigt sich sein hohes Alter deutlich. Eine Erneuerung ist nötig.

Die Republikaner sind Trumps Partei

Trotz ihrem Mini-Sieg stehen die Republikaner vor noch grösseren Schwierigkeiten. Sie sind mittlerweile eindeutig Trumps Partei. Von ihren Kongresskandidaten am Dienstag sind mehr als die Hälfte sogenannte Wahlleugner, die Bidens dutzendfach überprüften Sieg 2020 offiziell anzweifeln. Damit lassen sie elementarste demokratische Prinzipien vermissen.

Zahlreiche dieser Kandidaten wurden in sicheren Wahlkreisen ins Repräsentantenhaus gewählt. Allerdings stolperten die meisten, die sich in Swing States für gesamtgliedstaatliche Ämter bewarben und so auch gemässigte Wählerinnen und Wähler überzeugen mussten. So hätten die Republikaner in der gegenwärtigen politischen Stimmungslage etwa den vakanten Senatssitz in Pennsylvania mit Leichtigkeit verteidigen müssen. Der demokratische Kontrahent war politisch angreifbar und von einem Schlaganfall gezeichnet. Es gelang nicht, weil der von Trump unterstützte Fernseharzt Mehmet Oz zu viele Schwächen und keinerlei politische Erfahrung hatte.

Noch deutlicher ist der negative Einfluss Trumps in Georgia. Der republikanische Gouverneur Brian Kemp, ein Kritiker des Ex-Präsidenten, feierte in dem Swing State eine nie gefährdete Wiederwahl. Die Konservativen gingen in Georgia also durchaus an die Urnen, aber der Trump-Kandidat für den Senat überzeugte sie viel weniger. Er schnitt enttäuschend ab; ob er den Sitz noch erobern kann, ist derzeit offen.

Trump kostete die Republikaner vor zwei Jahren das Weisse Haus und den Senat. Nun ist er erneut der massgebliche Faktor dafür, dass die Rückeroberung der kleinen Kammer scheitern könnte. Beirren wird ihn das nicht. Der ehemalige Präsident hat die Erwartung geschürt, dass er nächste Woche sein Antreten in zwei Jahren verkünden wird. Für die Demokraten wäre das ein Geschenk. Trump mobilisiert ihre Wählerinnen und Wähler stets mehr, als jeder eigene Kandidat es könnte.

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Matthias Niklaus

Das Resultat der Zwischenwahlen zeigt einmal mehr, dass die US-Demokratie wohl robuster ist, als oft in den Medien gemunkelt wird. Trotz grosser Mángel des Wahsystems und der bekannten Borniertheit gewisser Wählergruppen scheinen die gemässigten Wähler zu überwiegen. Das ist beruhigend. Klar, sollte Trump wieder Kandidat sein wollen in 2024 wäre das deshalb ein Vorteil für die Demokraten. 

Johann Sajdowski

Die Midterms sind ein Kopf-an-Kopf-Rennen und kein Erdrutschsieg der Republikaner, den manche erwarteten. Aber einen klaren Wahlsieger gibt es doch: Floridas republikanischer Gouverneur Ron DeSantis. Er ist gegen Corona-Restriktionen und Wokeness und könnte 2024 als Präsident kandidieren. Schon sorgt sich das etablierte Deutschland sich um US-Demokratie. Es tendiert dazu, eigene Interessen nicht benennen und offen vertreten zu können, weshalb man sie in solche des Allgemeinwohls kleidet. So kommt es, dass Politiker und Journalisten in den USA mal wieder „die Demokratie bedroht“ sehen, wo sie in Wahrheit doch nur Ergebnisse fürchten, die ihren politischen Präferenzen widersprechen.

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