Kommentar

Venezuelas Präsident Maduro schreckt vor nichts zurück: Jetzt droht er gar mit einem Angriff auf das Nachbarland, um seine Macht zu sichern

Mit einem alten Grenzkonflikt will er die Opposition schwächen. Doch seine Regierung spielt mit dem Feuer.

Werner J. Marti 19 Kommentare 3 min
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Präsident Maduro feiert das Ja im Plebiszit zu den Ansprüchen auf das Nachbarland Guyana.

Präsident Maduro feiert das Ja im Plebiszit zu den Ansprüchen auf das Nachbarland Guyana.

Matias Delacroix / AP

Das venezolanische Regime hat am Sonntag den Wählerinnen und Wählern in einer Konsultativabstimmung die Frage vorgelegt, ob sie die Region Essequibo zu einem neuen Teilstaat machen möchten und ob die dortigen Einwohner Bürger des Karibikstaates werden sollen. Essequibo liegt nämlich im Nachbarstaat Guyana und nimmt zwei Drittel von dessen Territorium ein. Rund 95 Prozent der Stimmenden haben dem dreisten Ansinnen zugestimmt. Was ist da passiert?

Venezuela beansprucht den Westteil von Guyana

Von Venezuela beanspruchtes Gebiet

Der Streit um Essequibo geht zurück auf ein Urteil eines internationalen Schiedsgerichts von 1899, das die Urwaldregion der damaligen britischen Kolonie Guyana zusprach. Venezuela hat den Entscheid nie akzeptiert, und die meisten Venezolaner betrachten das Gebiet bis heute als Teil ihres Landes. Auch die meisten Oppositionspolitiker unterstützen diese Position. Neue Aktualität haben diese Ansprüche erhalten, als ExxonMobil 2015 grosse Erdölvorkommen vor der Küste Essequibos entdeckte.

Maduro ist im Innern unter Druck

Dass Maduro das Thema aber genau jetzt aufs Tapet bringt, hat in erster Linie innenpolitische Gründe. Mit María Corina Machado ist ihm eine ernsthafte Konkurrentin für die Präsidentschaftswahlen von nächstem Jahr erwachsen, die bei den Vorwahlen der Opposition Ende Oktober hervorragend abgeschnitten hat.

Das von Maduro lancierte Plebiszit gibt ihm die Möglichkeit, die Opposition zu schwächen und das Volk hinter sich zu scharen. Seine politischen Gegner sind dadurch vor die Wahl gestellt, entweder Maduros Politik zu unterstützen oder als unpatriotisch dazustehen. Folgen sie Maduros Kurs bei den Gebietsansprüchen, würden sie zudem ihre Unterstützer in den USA und Europa vor den Kopf stossen.

María Corina Machado – eine überzeugte Befürworterin der Gebietsansprüche – hat allerdings einmal mehr politisch sehr geschickt reagiert und Maduro den Wind aus den Segeln genommen. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag, wo der Fall liegt, sei der geeignete Ort, um für Venezuelas Rechte zu kämpfen. Man solle dort die besten Juristen einsetzen, statt mit dem Militär zu drohen und Propaganda zu betreiben. Maduro hatte dem Gericht zuvor die Zuständigkeit abgesprochen.

Es droht eine Ausdehnung des Konflikts

Vorerst scheint die Drohung mit der Annexion Essequibos tatsächlich in erster Linie Propaganda zu sein. Selbst die Regierung von Guyana glaubt zurzeit nicht, dass eine unmittelbare Invasion durch Venezuela bevorsteht. Trotzdem ist das Vorgehen des unberechenbaren Maduro beunruhigend. Ein Grenzkonflikt könnte ihm nächstes Jahr auch dazu dienen, die Präsidentschaftswahl auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Südamerika hat eine lange Geschichte von militärischen Konflikten, bei denen autoritäre Regierungen Territorialstreitigkeiten für innenpolitische Ziele missbrauchten – auch in neuerer Zeit.

Die durch eine schwere Wirtschaftskrise geschwächte argentinische Militärdiktatur versuchte 1982 mit der militärischen Besetzung der Falklandinseln die Argentinier hinter sich zu scharen. Sie erlitt dabei eine blamable Niederlage, was bald darauf zum Ende der brutalen Herrschaft führte. Der autoritäre peruanische Präsident Alberto Fujimori riss 1995 einen einmonatigen Grenzkrieg mit Ecuador vom Zaun, bei dem er hoffte, die Peruaner hinter sich vereinen zu können. Ihm blieb die militärische Schmach erspart; drei Jahre später einigten sich die Länder auf einen Friedensvertrag.

Sollte Maduro den Beispielen folgen und wirklich einen Krieg mit Guyana beginnen, würde eine gefährliche internationale Verwicklung drohen. Die USA und Grossbritannien, die ehemalige Kolonialmacht von Guyana, dürften einem solchen Angriff kaum tatenlos zuschauen. Wie sich dann Maduros Verbündete Russland und China – der grösste Geldgeber von Venezuela – verhalten würden, ist eine offene Frage.

19 Kommentare
Björn Andersson

Sollte der Despote Maduro auch nur einen Schritt nach Guyana wagen, wird er platt gemacht. Ein Land in den Abgrund diktieren genügt. Es wird Zeit sich aller Despoten auf diesem Planeten zu entledigen!

M. B.

Eine Invasion oder Annexion als plebiszitärer Volksauftrag? Das machten schon die Römer. Aber das passt nicht in die heutige Zeit. Wir wollen das ja nicht durchdenken, was es bedeutete, wenn die Schweizer eine Annexion der Lombardei per Verfassungsinitiative oder Gesetzesreferendum guthiessen - quasi um die Schmach von Marignano 1515, die zur leidigen Neutralität geführt hatte, wettzumachen und Mailand doch noch Helvetien langfristig einzuverleiben.

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