Wieso kommt die Säulenheilige der Klimajugend eigentlich aus Schweden und nicht – zum Beispiel – aus Bangladesh?Jugendliche Klima-Demonstranten verfolgen Ende Oktober in Vancouver einen Auftritt von Greta Thunberg. (Bild: Heinz Ruckemann/imago)

Wieso kommt die Säulenheilige der Klimajugend eigentlich aus Schweden und nicht – zum Beispiel – aus Bangladesh?Jugendliche Klima-Demonstranten verfolgen Ende Oktober in Vancouver einen Auftritt von Greta Thunberg. (Bild: Heinz Ruckemann/imago)

Kolumne

Der Aufstand der Gutsituierten

Die neue grüne Welle ist trotz ihrer sozialpolitischen Gerechtigkeitsrhetorik ausgesprochen elitär. Das ist nicht verwunderlich. Nur wer sich keine existenziellen Sorgen machen muss, kann – wie die Grünen es tun – ernsthaft ein Ende des Wirtschaftswachstums herbeiwünschen.

Claudia Wirz
Drucken
Claudia Wirz ist freie Journalistin und Autorin.

Claudia Wirz ist freie Journalistin und Autorin.

Wieso kommt die Säulenheilige der Klimajugend eigentlich aus Schweden und nicht – zum Beispiel – aus Bangladesh? Wieso klagt ausgerechnet ein wohlbehütetes Mädchen aus einem Land des Wohlstandes und der Globalisierungsgewinner vor versammeltem Weltpublikum, man habe ihm die Kindheit geraubt? Hätte die gleichaltrige Textilarbeiterin aus dem armen Süden nicht mehr Grund dazu? Allein, sie hat für solche Auftritte wohl weder die Möglichkeit noch die Zeit noch hinreichende Unterstützung aus ihrem Umfeld. Wieso sind die Fridays-for-Future-Demonstrationen selbst in der Wahrnehmung vieler Jugendlicher ein «Kanti-Ding», also eine Bewegung der heranwachsenden akademischen Elite? Und wieso besteht die neue grüne Nationalratsdelegation überwiegend aus Akademikern, wobei insbesondere die Sozial- und Geisteswissenschaften auffallend gut vertreten sind?

Alle diese Fragen lassen nur eine Antwort zu: Bei der grünen Welle handelt es sich um ein Wohlstandsphänomen reinsten Wassers. Sie ist ein Aufstand der Gutsituierten. Nur wer die Gewissheit hat, die süssen Früchte des Wohlstands täglich von Neuem zu kosten, kann angesichts von wirtschaftlichen Stagnationsphantasien ernsthaft ins Schwärmen kommen.

«Wirtschaftswachstum stoppen – jetzt!», riefen grüne Wahlkämpfer diesen Herbst also ins Land und erklärten die Konsumgesellschaft zur Kampfzone. Wer das grüne Schrumpfszenario weiterdenkt, wird sich irgendwann allerdings die Frage stellen, wer denn all die Rechnungen für den wachsenden Sozialstaat und die «fairen» Löhne bezahlen soll, die uns die Grünen neben der grünen Wende auch noch versprochen haben.

Das geht dann wohl nur mit immer noch mehr Steuern und Abgaben zulasten der Tüchtigen, zumal die Grünen auch noch dem ausgabenpolitisch disziplinierenden Steuerwettbewerb den Garaus machen wollen. Wie es bei gestopptem Wirtschaftswachstum aber nachhaltig mehr Steuern und damit den versprochenen Wohlstand für alle geben soll, sei dahingestellt. Die Botschaft hat vielerorts verfangen, auch wenn eigentlich jedem klar sein sollte, dass die Rezepte der Grünen für eine «grüne Wirtschaft» mit weit grösserer Wahrscheinlichkeit die Staatsquote erhöhen, als dass sie das Weltklima retten.

Das Unbehagen gegenüber dem Raubbau an der Natur ist berechtigt. Und dass es sich im Wahlverhalten manifestiert, ist nachvollziehbar. Wo der Einzelne der ökologischen Grosswetterlage sonst ohnmächtig gegenübersteht, lässt sich an Wahlen wenigstens ein kleines Exempel zugunsten des eigenen Gewissens statuieren. Nun sind Wahlen aber gratis und fordern keinerlei persönliche Konsequenzen, geschweige denn Opfer. Die Rechnungen kommen erst später, weshalb man auf eine Bestätigung des grünen Wahlergebnisses in Abstimmungen zu konkreten Vorlagen gespannt sein darf.

Eines zeichnet sich aber schon heute ab: Verzichtsappelle und Aufrufe zur ökologischen Selbstkasteiung erzielen kaum spürbare Effekte – weder aufs Weltklima noch auf das Verhalten der Menschen. Der Sommer der Klimaschüler war auch der Sommer der Rekordzahlen am Flughafen, und zwar just zu Beginn der Schulferien und dann noch einmal pünktlich zu Beginn der Herbstferien.

Wer die Umweltpolitik zur reinen Kapitalismuskritik umdeutet, liegt nicht nur deswegen falsch. Das Wachstum ist trotz seinen fraglos problematischen Seiten auch ein unerlässlicher Treiber des technologischen Fortschritts und damit auch ein Förderer von Umweltanliegen. Mit Panik vor dem Fegefeuer, wie sie Greta Thunberg uns wünscht, lassen sich zwar Menschen trefflich manipulieren. Gute Lösungen für ein Problem findet man aber auf andere Weise.