Die Crux der Kopfprämie

Die SP bringt die Verteilungsfrage wieder auf den Tisch, die angesichts der stetig steigenden Prämien akuter wird. Der Ständerat lehnt indes Vorgaben zur maximalen Prämienlast der Haushalte ab.

Christof Forster, Bern
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Die Krankenkassenprämien dürften 2017 um 4 bis 5 Prozent steigen. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Die Krankenkassenprämien dürften 2017 um 4 bis 5 Prozent steigen. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Ende September gibt der Bund die Krankenkassenprämien für 2017 bekannt. Sie dürften um 4 bis 5 Prozent steigen, was dem langjährigen Durchschnitt des Kostenwachstums von 4 Prozent entspricht. Seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) 1996 hat sich die Kopfprämie etwas mehr als verdoppelt. Demgegenüber sind die Löhne im gleichen Zeitraum um rund 22 Prozent gestiegen. Dies bedeutet, dass die stark gestiegenen Krankenkassenprämien das Budget der Privathaushalte belasten und die Kaufkraft beeinträchtigen. Trotzdem fliessen die Krankenkassenprämien nicht in die Berechnung der Teuerung ein. Grund dafür ist, dass die Mengenausweitung als wichtiger Treiber des Prämienwachstums nicht in den Index gehört. Hingegen sind Arzt-, Zahnarzt- und Spitalleistungen sowie Medikamente im Warenkorb, und somit sind hier Preissteigerungen berücksichtigt, welche die Versicherten über höhere Prämien mitfinanzieren.

In wohlhabenden Ländern nehmen die Gesundheitsausgaben typischerweise eine relativ grosse Bedeutung ein. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg haben in den industrialisierten Ländern die Haushalte 30 bis 40 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufgewendet und nur rund 4 Prozent für Gesundheit. Heute beträgt der Anteil für beide Haushaltsposten um 10 bis 15 Prozent. Diese Zahlen sagen jedoch nichts über die Effizienz aus. Experten gehen davon aus, dass das Schweizer Gesundheitssystem die gleich hohe Qualität mit weniger Mitteln erreichen könnte.

Neben dem Kostenproblem gibt es den Aspekt der Verteilung. Bei der Einführung des KVG ging es auch um eine Entlastung von Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen. Da Kopfprämien einkommensunabhängig sind, läuft der Ausgleich über die Prämienverbilligung. Alarmiert durch Abstriche bei der Prämienverbilligung in einigen Kantonen, fordert SP-Ständerätin Liliane Maury Pasquier, dass kein Haushalt mehr als 10 Prozent seines Bruttoeinkommens für die Prämien der Grundversicherung aufwende. Der Bundesrat schlug bei der damaligen Debatte mit maximal 8 Prozent des steuerbaren Einkommens ein strengeres Ziel vor, das Parlament lehnte dies jedoch ab.

Das Bundesamt für Gesundheit untersucht regelmässig anhand von Modellhaushalten mit tiefen und mittleren Einkommen, wie die Prämienverbilligungen wirken. Seit 1996 haben die Ausgaben für diese Verbilligung, für die Bund und Kantone jährlich rund 4 Milliarden Franken aufwenden, stärker zugenommen als die Prämien, nämlich um 173 Prozent (Prämien: 129 Prozent). Seit 2010 sind hingegen die Prämien doppelt so stark gestiegen wie das Volumen an Prämienverbilligungen. Dies führte dazu, dass bei den unterstützten Haushalten die Prämienbelastung von 10 auf 12 Prozent des verfügbaren Einkommens stieg. Je nach Kanton und Haushalt schwankt dieser Wert zwischen 7 und 17 Prozent. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Studie als Vergleichsgrösse eine Standardprämie mit tiefster Franchise heranzieht und damit die Auslagen tendenziell zu hoch ansetzt. Denn eine Mehrheit der Versicherten wählt alternative Modelle sowie höhere Franchisen mit Prämienrabatten.

Die bürgerliche Mehrheit anerkannte, dass die Prämiensteigerungen zu hohen Belastungen führen können. Doch sie will die Reaktion darauf den Kantonen überlassen.