Wie St. Moritz zum neuen Corona-Hotspot wurde – und was das für die Schweizer Skigebiete bedeuten könnte

Das mutierte Virus trifft den noblen Bündner Wintersportort ins touristische Mark: Ausgerechnet zwei Fünfsternehotels mussten unter Quarantäne gestellt werden. Die Skigebiete bleiben aber offen.

Lena Schenkel 66 Kommentare
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Vor dem Eingang zum noblen «Grand Hotel des Bains Kempinski» in St. Moritz postierte sich am Montag, dem 18. Januar, die Polizei.

Vor dem Eingang zum noblen «Grand Hotel des Bains Kempinski» in St. Moritz postierte sich am Montag, dem 18. Januar, die Polizei.

Giancarlo Cattaneo / Keystone

Erst Wengen, nun St. Moritz: Das mutierte Coronavirus ist in den beliebtesten Schweizer Skiorten angekommen. Nachdem rund ein Dutzend Angestellte zweier Hotels positiv auf die neue Variante getestet worden waren, reagierte das Gesundheitsamt Graubünden am Sonntagabend prompt: Es stellte beide Betriebe unter Quarantäne und schloss per sofort und bis auf weiteres Schulen sowie Skischulen im Ort. Wer sich in St. Moritz aufhält, muss neu überall eine Maske tragen. Am Dienstag soll zudem die Bevölkerung wie schon andernorts im Kanton zum Massentest antreten.

Bei den betroffenen Betrieben handelt es sich ausgerechnet um das noble «Grand Hotel des Bains Kempinski» und das «Badrutt’s Palace», das wohl bekannteste Fünfsternehotel am Platz. Deren Gäste und Angestellte mussten sich am Montag einem Coronavirus-Test unterziehen. Insgesamt 450 Personen sind laut Angaben der Bündner Regierung in den Unterkünften mit mobilen Equipen getestet worden. Nur wer ein negatives Testergebnis erhält, darf auschecken und abreisen – muss sich aber weiterhin an die Quarantänebestimmungen halten.

Ausbreitung trotz strengen Vorsichtsmassnahmen

Nachlässigkeit kann man den Hotels offenbar nicht vorwerfen: Beide geben auf Anfrage bekannt, schon zu Beginn der Wintersaison grossangelegte Tests bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt zu haben. Im Kempinski-Hotel war dies zuletzt Anfang Januar der Fall gewesen; alle 180 Tests seien negativ gewesen. Es berichtet von insgesamt rund 300 Tests seit Beginn der Wintersaison, das Palace-Hotel gar von über 1500 Tests seit Mitte Dezember. Letzteres hat laut eigenen Angaben sogar «als einziger uns bekannter Betrieb in St. Moritz» auch von den anreisenden Gästen den Nachweis eines negativen Corona-Tests verlangt.

Das mutierte Virus müsse demnach von aussen eingeschleppt worden sein, heisst es bei der Kommunikationsstelle Coronavirus des Kantons Graubünden. Doch trotz der offensichtlich gehäuften Ausbreitung bleiben die übrigen Hotels und die Skigebiete in St. Moritz weiterhin geöffnet. Diskutiert habe man über verschiedene Optionen, teilt die Kommunikationsstelle auf Anfrage mit. Doch der Kanton strebe ein sehr gezieltes Vorgehen an. Man wolle sich erst ein genaueres Bild über die Ausbreitung verschaffen, ehe man allenfalls schärfere Massnahmen verfüge.

Negativ-PR für den Tourismus im Winterkurort

Aufschluss sollen die Tests in den betroffenen Hotels und der Massentest im Ort geben – zu dem nicht nur die lokale Wohnbevölkerung, sondern auch Saisonniers und Feriengäste aufgefordert sind. Ob die Bündner Regierung die Betriebsbewilligung für die Skigebiete verlängert, entscheidet sie am Dienstag.

Doch so oder so ist St. Moritz quasi im touristischen Mark getroffen. Was bedeutet das nun für die übrigen Hotels im Ort und den Ruf von St. Moritz und den übrigen Schweizer Skigebieten?

«St. Moritz ist eine Weltmarke», schreibt dessen Gemeindepräsident, der Zürcher Entertainer Christian Jott Jenny, dazu. Deshalb erhalte das Geschehen jetzt auch weltweite Publizität. «Leider keine positive», wie er anfügt. St. Moritz stehe aber nicht allein da: «Es liegt in der Natur der Sache, dass dieses Szenario früher oder später auch bei uns eintreten konnte.»

Am Sonntagabend um 22 Uhr wurde das «Badrutt’s Palace Hotel» in St. Moritz laut eigenen Angaben von den Bündner Behörden über die Corona-Quarantäne informiert.

Am Sonntagabend um 22 Uhr wurde das «Badrutt’s Palace Hotel» in St. Moritz laut eigenen Angaben von den Bündner Behörden über die Corona-Quarantäne informiert.

Giancarlo Cattaneo / Keystone

Von abreisenden Gästen oder Stornierungen in grosser Zahl hat Jenny bis jetzt keine Kenntnis. Die Gäste würden sehr aktiv informiert und wüssten, dass es sich um eine Häufung beim Personal zweier Betriebe handle «und nicht etwa um einen unkontrollierten, grossen Ausbruch». Es gelte den engagierten Hoteliers ein Kränzchen zu winden, schreibt Jenny. Er hofft, dass die Ansteckungsketten mittels der anstehenden Tests so unterbrochen werden könnten und die Lage unter Kontrolle bleibe.

Schliessung der Skigebiete erwogen

Zur Frage, ob man nicht auch die Skigebiete schliessen müsse, meint Jenny, es gebe auch in den gegenwärtigen Fällen keine Hinweise darauf, dass die Ansteckungen mit dem Skibetrieb zu tun hätten. «Skifahren findet draussen statt, und Bergbahnen sind mit Trams oder Bussen zu vergleichen, einfach besser gelüftet.» Doch ehrlicherweise müsse man sich dann auch die Frage gefallen lassen, warum kleine Läden und Cafés geschlossen bleiben sollten. «Es bleibt diffus», resümiert Jenny.

Der Ruf nach einer schweizweiten Schliessung der Skigebiete dürfte indes lauter werden. Je nach Entwicklung könnte eine solche nötig werden, sagte auch Sportministerin Viola Amherd am Samstag gegenüber Zeitungen der CH-Media. Am Wochenende sorgten zudem Schneesportler, die in grosser Zahl und vornehmlich aus dem Unterland in die Skigebiete drängten, für Schlagzeilen. Angelockt vom Neuschnee, stauten sich die Massen wenig Corona-konform vor den Skiliften und Luftseilbahnen.

So kam es etwa zu einem Ansturm bei den Bergbahnen Flumserberg. Diese hörten schon am Samstagmorgen auf, Tickets zu verkaufen. An der Talstation Unterterzen mussten Parkplätze gesperrt werden. Laut «20 Minuten» hat am Bahnhof sogar die Feuerwehr aufgeboten werden müssen, um die Abstandsregeln durchzusetzen. Derweil habe die Kantonspolizei St. Gallen vorübergehend Autos an der Zufahrt Richtung Flums hindern müssen.

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Jürg Simeon

Warum überall diese Angst beinahe Panik vor der englischen Virusmutation, geschürt wieder einmal auch von den Medien ? Die Mutation scheint keinen stärkeren Krankheitsverlauf zu verursachen, die aktuelle Impfung ist wirksam dagegen und es werden immer mehr Menschen mit Risiko geimpft. Es bleibt eine höhere Infektionsgefahr, hier gehen die Meinungen auseinander von 30% bis 70% wird gesprochen. Dann wird England als Beispiel genommen wie schlimm es werden könnte. Nur ist England mit der Schweiz überhaupt vergleichbar ? Die Infektionszahlen stiegen vor allem nach Weihnachten / Silvester in England, ist es vor allem die Virusmutation oder das Verhalten der Menschen ? Die Infektionszahlen, Hospitalisierungen, Belegung der Intensivplätze und Todesfälle gehen in der Schweiz stark zurück. Bevor man wieder im Worst Case Modus und in einer fast zwanghaften Art, alle möglichen Restriktionen verlangt, warten. Sollten sich die Zahlen wirklich verschlechtern, kann man immer noch handeln.

René Weber

Das Problem ist dass unsere Behörden schon lange den Blick auf das grosse Bild verloren haben und nur noch in Horrorszenarien a la Hollywood denken, anstatt endlich mal die vulnerablen Menschen richtig zu schützen. Viren mutieren ständig und immer wieder. Und Covid 19 Viren sind nichts anderes als das. Stattdessen werden wieder dieselben Konzepte wie im Frühling 20 angewendet mit grossflächiger Quarantäne, alles runterfahren und mit einer lausigen Impfstrategie,mit katastrophalen Kollateralschäden für die psychische Gesundheit und unsere Wirtschaft. Das Virus wird nicht verschwinden und es wird auch nach dem 25. Lockdown noch hier sein, da eine grossflächige Immunisierung mit jedem weiteren Lockdown verhindert wird.  Das einzige was Sinn macht ist eine Immunisierung der Vulnerablen Personen und deren Betreuungspersonal, inkl Familienangehörigen. Alles andere ist nichts anderes Als die Nadeln im Heuhaufen suchen gehen mit einem sich täglich wechselnden Heuhaufen. 

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