Schneider-Ammanns Geschoss ging nach hinten los – das Parlament will die Regeln für Waffenexporte verschärfen

Bundesbern ist sich einig: Der Export von Kriegsmaterial wird eingeschränkt. Wie weit die Einschränkung gehen soll, darüber diskutierte am Montag der Nationalrat.

Elena Lynch, Bern
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Der Export von Kriegsmaterial soll künftig strenger kontrolliert werden.

Der Export von Kriegsmaterial soll künftig strenger kontrolliert werden.

Alessandro Della Valle / Keystone

So war das nicht gedacht. Im Mai 2018 hat der Bundesrat unter Federführung des damaligen Wirtschaftsministers Johann Schneider-Ammann (fdp.) angekündigt, den Export von Kriegsmaterial zu erleichtern. Der Widerstand dagegen war allerdings derart wuchtig, dass der Bundesrat im Oktober auf die Lockerung verzichtete. Heute steht fest: Der Schuss ging nach hinten los. Nicht nur ist die geplante Erleichterung gescheitert, die Bestimmungen werden künftig sogar strikter sein als bis anhin. Auslöser ist die «Korrekturinitiative», über die der Nationalrat am Montag diskutiert hat.

Initiative: Keine Ausnahmen für Unrechtsstaaten

Hinter der Initiative steht eine überparteiliche Allianz, die restriktivere Regeln für Waffenexporte fordert. Sie will insbesondere eine Lockerung rückgängig machen, die das Parlament im Jahr 2014 beschlossen hat. Konkret soll es keine Ausnahmeklauseln mehr geben, die den Export von Schweizer Waffen in Länder ermöglichen, die Menschenrechte «systematisch und schwerwiegend verletzen» oder die in einen internen oder internationalen Konflikt verwickelt sind.

Der Bundesrat zeigte Verständnis für das Anliegen und nahm einen grossen Teil der Forderungen in einem Gegenvorschlag auf. Im Parlament traf er auf breite Zustimmung. Der Ständerat hat sich im Juni hinter den Entwurf gestellt und ihn im Vergleich zum Bundesrat noch verschärft: Ausnahmen wegen «aussen- und sicherheitspolitischer Interessen» der Schweiz sollen ausgeschlossen sein.

Auch im Nationalrat setzt sich eine Mitte-links-Mehrheit für eine striktere Lösung ein, wie sich am Montag zeigte. Allerdings reichte die Zeit nicht, um die Debatte zu beenden. Deshalb bleibt vorerst offen, welche Formulierungen eine Mehrheit finden – und ob am Ende tatsächlich das Volk entscheiden wird. Die Diskussion im Nationalrat findet am Mittwoch ihre Fortsetzung.

Streitfrage: Was heisst «demokratisch»?

Die Debatte dreht sich vor allem um eine Streitfrage: Die Nationalratskommission will eine neue Klausel in den Gegenvorschlag einfügen. Demnach dürften Schweizer Firmen ausnahmsweise Waffen in Länder exportieren, auch wenn diese in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Die Bedingung: Es muss sich um «demokratische Länder» handeln, die vergleichbare Exportkontrollen wie die Schweiz durchführen. Der Ständerat sieht keine solche Bestimmung vor. Ob sie im Nationalrat eine Mehrheit findet, dürfte von der Mitte-Fraktion abhängen. Die SVP und die FDP unterstützen die Ausnahmeklausel. Die Linke und die GLP sind geschlossen dagegen. In der Mitte will gemäss den Absichtserklärungen vom Montag die Mehrheit dafür stimmen.

Vom Ausgang dieser Abstimmung wird abhängen, ob das Volk das letzte Wort hat. Die Nationalrätin Priska Seiler-Graf (sp.) gab am Montag zu erkennen, dass das Komitee an der Volksinitiative festhalten wird, wenn die Ausnahmeklausel durchkommt. Sie betonte, der Begriff «demokratisch» könne entweder sehr weit oder sehr eng gefasst werden und sei darum zu unklar. Wenn hingegen der Gegenvorschlag in der strikteren Version des Ständerates sich durchsetzt, so will das Komitee die Volksinitiative zurückziehen. In diesem Fall würde die Verschärfung in Kraft treten, ohne dass das Volk darüber abstimmt.

Bundesrat: Schweiz ist streng

Aus Sicht des Bundesrates gehen die Pläne des Parlaments zu weit. Als er im März seinen Gegenvorschlag präsentierte, hielt er fest, dass die Schweiz damit im internationalen Vergleich sehr strenge Regelungen erlassen würde. Sie ist in vielen Punkten restriktiver als die Bestimmungen in anderen europäischen Ländern. Darüber hinaus hat der Bundesrat stets betont, für die Schweiz und ihre Neutralität sei es auch sicherheitspolitisch entscheidend, dass das Land weiterhin eine eigene Rüstungsindustrie hat.

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