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«Die Fussballlegende der Woche»: Ljubo Milicevic spielte in der Champions League und war in zwei Klubs Captain – doch Herz und Seele verliessen ihn

Der Australier Ljubo Milicevic kam mit dem Ruf des grossen Talents in die Schweiz. Er schaffte es bis weit hinauf – aber er fühlte sich auch manipuliert und zerbrach. Heute führt er in Sydney eine Bar.

Benjamin Steffen
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Die beste Zeit: Ljubo Milicevic (links) spielt mit dem FC Thun in der Champions League gegen Arsenal und Robin van Persie.

Die beste Zeit: Ljubo Milicevic (links) spielt mit dem FC Thun in der Champions League gegen Arsenal und Robin van Persie.

Kirsty Wigglesworth / AP

Als er in die Schweiz kam, ereilten ihn sogleich die verhältnismässig ganz grossen Vergleiche. Es war Ende 2001, Ljubo Milicevic wechselte zum FC Zürich, und der «Blick» schrieb: «Der FCZ hat den Nachfolger für Leitwolf Urs Fischer in Australien gefunden.» Und der FCZ-Manager Erich Vogel sagte: «Er ist ein Typ wie Murat Yakin. Kopfballstark, gutes Stellungsspiel, tolle Angriffsauslösung.»

Für den FCZ absolvierte Milicevic keine einzige Partie.

Im Spätsommer 2002 wechselte Milicevic zum FC Basel, wenige Monate später schrieb die «Basler Zeitung» von einer Begegnung mit Milicevic vor einem Champions-League-Spiel in Valencia. Milicevic habe sich am Flughafen vorgestellt und gesagt: «Hallo, ich bin Ljubo. Ich warte auf meine Chance.» Milicevic wirke überaus sympathisch, schrieb der Journalist, er habe als ganz grosses Talent gegolten und das Interesse von Hertha Berlin geweckt – und Ljubos Chance werde kommen.

Für die erste Mannschaft des FCB absolvierte Milicevic keine einzige Partie. Er war zwar ein Typ wie Murat Yakin, aber an Yakin selber und Marco Zwyssig kam er nicht vorbei.

Van Persie, Bergkamp, Sneijder

Die Geschichte von Milicevic und dem Schweizer Fussball ist eine Geschichte von Verworrenheiten und Missverständnissen, und es passt, dass Milicevic mit dem Basler Grossklub zwar Champions-League-Reisen mitmachte – aber zu Champions-League-Einsätzen kam er nur mit einem Schweizer Kleinklub, den nie jemand in der Königsklasse erwartet hätte. Nach einigem Hin und Her – wie hätte es anders sein können? – war Milicevic von Basel zum FC Thun gewechselt und zu einem Leitwolf dieses Höhenflug-Teams geworden, das 2005 in die Champions League stürmte.

Ljubos Chance kam, er spielte mit Thun gegen Arsenal und Ajax Amsterdam, gegen Robin van Persie, Dennis Bergkamp und Wesley Sneijder, manchmal führte er das Team als Captain an – und vielleicht hätte in dieser Phase die Zeit einfach angehalten werden sollen.

Im Team der Überflieger: Ljubo Milicevic, in der oberen Reihe links, mit dem FC Thun vor dem Champions-League-Auswärtsspiel gegen Arsenal am 14. September 2005.

Im Team der Überflieger: Ljubo Milicevic, in der oberen Reihe links, mit dem FC Thun vor dem Champions-League-Auswärtsspiel gegen Arsenal am 14. September 2005.

Eddy Risch / Keystone

Aber die Zeit lief weiter, 2006 wechselte Milicevic zu YB. Schon damals kursierte die Geschichte, mehrere Personen hätten an diesem Transfer mitverdient, die Betreffenden stellten es in Abrede. Milicevic stieg bei YB rasch zum Captain auf, er war nun endgültig eine Figur des Schweizer Fussballs: Innert fünf Jahren war er bei vier Schweizer Klubs unter Vertrag gestanden und an zwei Orten Captain gewesen; er hatte in einem Klub Champions-League-Luft geschnuppert und sie in einem anderen Ort auch geatmet – aber dass er das Glück wohl nirgends gefunden oder immer wieder verloren hatte, war höchstens zu erahnen.

«Kaum noch vor die Tür»

Auch mit YB absolvierte Milicevic nur 15 Partien, er ging nach Australien zurück, spielte bei Melbourne Victory und bei den Newcastle Jets. Schon 2010 erzählte er einem australischen Magazin, wie sehr er verzweifelt war auf dieser Suche nach dem Glück. Er habe monatelang an einer schweren Depression gelitten, «ging kaum noch vor die Tür», so fasste es «Bild» damals zusammen. Der Klub-Chef der Newcastle Jets meinte, Milicevic könne noch viel erreichen in seiner Karriere, «wir haben keinen Zweifel, dass Ljubo nach wie vor grossartigen Fussball bieten kann. Wir sind stolz, dass er das bei Newcastle unter Beweis stellen wird.» Und Milicevic träumte unentwegt von einem Wechsel nach England.

Aber laut transfermarkt.de spielte er noch für fünf weitere australische Klubs und für Hajduk Split, in Kroatien, der Heimat der Eltern. Aber auch mit Hajduk: nur fünf Spiele. Niemals England. Und sowieso: immer wieder schwierige und dunkle Phasen, Abkapselung von Bezugspersonen.

Viele Leben gelebt

2018 trat Milicevic zurück, Anfang 2021 schilderte er in den «Tamedia-Zeitungen», wie er die Zeit im Schweizer Fussball erlebt hatte. Er redete etwa über die Zeit in Thun, als er Halt und doch auch Last verspürt hatte, weil sich andere Personen mit einem Milicevic-Transfer Profit versprachen und auf einen Wechsel drängten. «Ich wurde die ganze Zeit manipuliert. Das machte mich kaputt», sagte Milicevic. Und über die Zeit bei YB und das Unvermögen, die starken Leistungen aus Thun zu bestätigen: «Es ging nicht. Ich war mental am Ende, mein Herz und meine Seele waren weg.» Oder über die Zeit im FCZ: «Zum ersten Mal zog mich diese Spirale aus Verletzungen und Dunkelheit nach unten.»

Heute führt Milicevic in Sydney eine Kaffeebar am Strand, dem «Tamedia»-Journalisten sagte er, Verbitterung spüre er keine, er habe die Welt bereisen, in vollen Stadien spielen, Träume leben dürfen – «heute weiss ich: Ich gehöre zu den Glücklichen.» Und es fühle sich an, als hätte er viele Leben gelebt.

Ljubos Chance kam. Und er nutzte sie, um aus dem Fussball auszusteigen.

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