Der Meister YB bleibt Leader – aber er bietet Schauplätze, die zu Instabilität beitragen

Trotz des 3:0-Siegs gegen GC ringen die Young Boys mit Problemen. Sie spüren die zahlreichen Personalwechsel.

Peter B. Birrer, Bern 4 min
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Lukasz Lakomy (Mitte) hat sich noch nicht als Verstärkung für YB erwiesen – am Donnerstag gegen GC reicht es seinem Team trotzdem zum Sieg, zu schwach sind die Gäste aus Zürich.

Lukasz Lakomy (Mitte) hat sich noch nicht als Verstärkung für YB erwiesen – am Donnerstag gegen GC reicht es seinem Team trotzdem zum Sieg, zu schwach sind die Gäste aus Zürich.

Anthony Anex / Keystone

Die Young Boys senden am Donnerstag gegen die Grasshoppers im gut gefüllten Wankdorf-Stadion Zeichen des Selbstbewusstseins in die Nacht hinaus – 3:0 nach nicht einmal 25 Minuten. Doch danach flaut das Geschehen ab, es nisten sich während der zweiten Halbzeit Bedenken ein. Wieder einmal. Die Gedanken verflüchtigen sich nicht, wonach die Berner zurzeit auch mit sich selbst kämpfen, Form, Stil und vor allem Zusammenhalt suchen.

Und dies, obschon der Vorsprung auf den Tabellenzweiten Servette wieder auf vier Punkte angewachsen ist. Da kommen die verunsicherten Grasshoppers zur rechten Zeit. GC als YB-Aufbauhilfe. Alles gut? Mitnichten. Der Champion sollte sich nicht zu viel Sand in die Augen streuen.

YB ist keine Grossbaustelle, kann das als Leader nicht sein. Das grosse Ganze scheint nicht aus dem Lot. Aber die Berner bieten zahlreiche kleinere Schauplätze, die zu Instabilität beigetragen haben und in der Summe dazu führen, dass sie Glanz und Überzeugung verloren haben.

Der Fall Nsame ist nicht zu unterschätzen

Der serielle Torschützenkönig Jean-Pierre Nsame ist im Winter an den Serie-B-Klub Como abgegeben worden und bringt dort bis jetzt fast keinen Schritt auf den Boden. Bleibt das so, ist nicht ausgeschlossen, dass sich Nsame im Sommer dem Servette FC anschliessen wird. Den Fall des 30-jährigen Stürmers begleitet in der Momentaufnahme eine unerklärliche Note in Bezug auf ihn und auf YB.

Bände spricht auf der anderen Seite, dass Nsame mit 9 Toren zusammen mit Joël Monteiro immer noch die YB-interne Torschützenliste anführt, vor Cédric Itten und Meschack Elia (je 7). Vor einem Jahr hatten Nsame und Itten mit 16 und 17 Toren im gleichen Stadium andere Kadenzen. YB hat sich mit den Querelen um Nsame ein Stürmerproblem geschaffen, zumal Itten schon länger nicht in der Form seines Lebens ist.

Der geräuschvolle Abgang Nsames hat dazu geführt, dass die Berner im Winter noch mehr Identifikation abgegeben haben. Im Sommer 2023 verliessen bereits Fabian Rieder, Cédric Zesiger und Christian Fassnacht die Super League in Richtung Ligue 1, Bundesliga und Championship (zweitoberste Spielklasse in England). Der zweistellige Millionenertrag erfreute die Kassenwarte, machte aber das Team nicht besser.

Meschack Elia (links) versucht, das Stürmerproblem von YB zu beheben.

Meschack Elia (links) versucht, das Stürmerproblem von YB zu beheben.

Anthony Anex / Keystone

Der Transfer Amendas trägt nicht zur Demut bei

Vorzeitig bekannt wurde dazu der Abgang des Verteidigers Aurèle Amenda, der 21-jährig wird und im Sommer für einen erstaunlich hohen Millionenbetrag in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt wechseln wird. Erfolgsabhängige Boni inklusive, sollen über 10 Millionen Euro fällig werden. Als Manuel Akanji 2018 Basel in Richtung Dortmund verliess, war er 22 Jahre alt – und den Deutschen über 20 Millionen wert.

Seit die Öffentlichkeit vom Transfer Amendas weiss, ist der zentrale Abwehrspieler nicht besser geworden. Es gab in den letzten Wochen Spiele, da fragte man sich: Warum wollte Frankfurt unbedingt Amenda? Ist er nicht überzahlt? Das Transfer-Brimborium trug nicht zur Demut des Spielers bei.

Auch ganz hinten, auf der Position des Torhüters, darf nicht vergessen werden, wer wie verletzt war, wer wen ersetzte und wer zuerst zur Nummer 1 erklärt und alsbald wieder degradiert wurde. David von Ballmoos kam von einer Verletzung zurück. Dennoch erklärte YB Anthony Racioppi im September 2023 zum Stammgoalie. In einem Communiqué lobte der YB-Sportchef Steve von Bergen Racioppi über den Klee.

Doch Racioppi, im Strafraum gut und im Torraum reflexschnell, leistete sich mit dem Fuss ein paar fürchterliche Fehlpässe und trug damit zur Verunsicherung bei. Also kehrte von Ballmoos ins Tor zurück. Und dies gleich als Captain. So etwas kann Auswirkungen haben, wenn das Gefüge ohnehin schon wackelig ist.

Eine Zäsur war auch die Zehenverletzung von Filip Ugrinic. Er kam wie Kastriot Imeri 2022 nach Bern und spielte sich nach längeren Anlaufschwierigkeiten in dieser Saison ins Zentrum und in die Schweizer Nationalmannschaft. Allerdings nur bis zum 10. Februar. Seither schaut Ugrinic zu. Wie der ebenso verletzte Imeri, der mit 3 Millionen Euro zu den teuersten YB-Zuzügen gehört.

Die Highlights vom Super-League-Spiel zwischen YB und GC vom 4. April 2024 (3:0).

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Der Trainer Wicky war Einflussnahmen ausgesetzt

All das überlagerte Unstimmigkeiten mit dem Meistertrainer Raphael Wicky, der sich weniger biegsam zeigte, als von der YB-Führung erhofft, und sich aufrieb. Bemerkenswert ist, wie im YB-Haus Anekdoten herumgeboten werden, wonach Wicky nur bedingt umgesetzt habe, was ihm von der Chefetage nahegelegt worden sei. Nsame erzählte unlängst in Como, dass er jeweils in den Augen Wickys erkannt habe, wie der Trainer Personalentscheide nicht immer aus freien Stücken gefällt habe.

Wiederholtes und offenbar weitgehendes Kompetenzgerangel auf höchster Ebene. Nicht im FC Sion mit Christian Constantin und seinem 100. Coach, sondern unter dem YB-Dach, wo alles über den Strategen und Klub-Mitbesitzer Christoph Spycher läuft und wo einige ihre Meinung einbringen – der Chefscout Stéphane Chapuisat, Steve von Bergen und der Ausbildungschef Gérard Castella, der neuerdings auf der Bank sitzt. Starke Einflussnahme auf einen Trainer, der Meister und Cupsieger geworden und in die Champions League eingezogen ist.

Anfang März folgte die Freistellung von Wicky. Seither bot YB unter dem interimistischen Nachfolger Joël Magnin gegen den abgrundtief schwachen FC Basel mit einem 5:1-Erfolg eine Fata Morgana, wie sich hinterher herausstellt. Diese kratzte nur vorübergehend am Lack Wickys. YB blieb danach in den Spielen bei Lausanne-Sport (0:2) und in Yverdon (0:0) ohne Tor und zeitweise bedenklich schwach. Augenzeugen zeigten sich sogar schockiert ob dem Dargebotenen.

Das 3:0 gegen die Grasshoppers, die in Bern Anzeichen eines schwer angeschlagenen Abstiegskandidaten zeigten, trägt wieder zur Schönung bei. Ist es mehr als nur Schminke? Ach, diese Zweifel. Sie bleiben.