Seit 50 Jahren berichtet der deutsche Bund der Steuerzahler über die Verschwendung von Geldern – in diesem Jahr sticht die Corona-Pandemie hervor

Einmal im Jahr zeigt der Bund der Steuerzahler Deutschland an konkreten Beispielen, wie aus seiner Sicht Steuergeld verschwendet wird. Sein jüngstes Schwarzbuch ist eine Jubiläumsausgabe.

René Höltschi, Berlin
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Eine «Schuldenuhr» am Sitz des Bundes der Steuerzahler im Berliner Regierungsviertel zeigt den aktuellen Stand der deutschen Staatsverschuldung (im Bild: Stand vom 5. 1. 2022).

Eine «Schuldenuhr» am Sitz des Bundes der Steuerzahler im Berliner Regierungsviertel zeigt den aktuellen Stand der deutschen Staatsverschuldung (im Bild: Stand vom 5. 1. 2022).

Thomas Trutschel / Imago

Von zu engen Verkehrskreiseln bis zu fragwürdigen Beschaffungsmethoden für Schutzmasken in der Corona-Krise: Auch in der diesjährigen, am Mittwoch veröffentlichten Ausgabe seines Schwarzbuchs «Die öffentliche Verschwendung 2022/23» prangert der deutsche Bund der Steuerzahler 100 Fälle an, in denen seiner Ansicht nach Steuergelder auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene verschwendet worden sind. Es ist gewissermassen eine Jubiläumsausgabe, gibt doch der Verein das Schwarzbuch seit mittlerweile 50 Jahren heraus.

Das Masken-Debakel

Mehrere im Schwarzbuch aufgeführte Beispiele haben mit der Corona-Pandemie zu tun. So kritisiert der Steuerzahlerbund ein Beschaffungsverfahren des Bundes für Schutzmasken. Das Bundesgesundheitsministerium habe das relativ selten genutzte sogenannte Open-House-Verfahren angewandt. Dabei lobt der Auftraggeber die Beschaffung eines bestimmten Vertragsgegenstandes zu feststehenden Bedingungen und Preisen aus. Jeder lieferfähige und -willige Anbieter ist eingeladen, die Ware zu diesen Konditionen bereitzustellen; im Gegenzug erhält er garantiert einen Vertragsabschluss.

Nach Einschätzung des Steuerzahlerbundes ist dieses «exotische Verfahren» für Massenwaren wie Schutzmasken schlecht geeignet, insbesondere dann, wenn die Anforderungen nur lax gestaltet seien und alles unter hohem Zeitdruck ordentlich abgewickelt werden solle. Das Resultat sei eine «Maskenlieferungs-Lawine» gewesen: Es seien 738 Zuschläge an 535 Vertragspartner erteilt und 276 Millionen FFP2- bzw. KN95-Masken sowie 78 Millionen OP-Masken geliefert worden.

Das Ministerium sei überfordert gewesen und habe eilig eine Unternehmensberatung angeheuert: Es habe durchschnittlich 65 Experten für «Unterstützungsleistungen» in Anspruch genommen und dafür über die gesamte Laufzeit knapp 37 Millionen Euro ausgegeben. Bis heute sei die Problemliste, darunter Streitigkeiten über Lieferfristen, die Qualität der Masken und die stockende Bezahlung der Lieferanten, nicht vollständig aufgearbeitet.

Bis Anfang 2022 seien rund 30 Vergleiche mit frustrierten Händlern geschlossen worden, Dutzende von Klagen seien weiterhin vor Gerichten hängig. Allein für Schadensersatz und Prozesskosten habe der Bund bisher mehr als 13 Millionen Euro zahlen müssen. Ein Ende der teuren Folgen des Open-House-Verfahrens sei noch nicht absehbar.

Wenn der Kreisel zu eng ist

Das Schwarzbuch ist keine systematische Analyse über das Ausmass des Problems oder über Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Vielmehr will der Verein, der sich als «Finanzgewissen der Bundesrepublik» versteht, aufrütteln und der öffentlichen Debatte um den wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz von Steuergeld Impulse geben. Dies sei umso wichtiger, als die gegenwärtigen Krisen zu einer beispiellosen Ausweitung der öffentlichen Ausgaben geführt hätten, hielt er fest. «Stattdessen werden Hunderte Milliarden Euro an neuen Schulden in Nebenhaushalten aufgenommen und der Haushalt nicht auf Sparpotenziale durchforstet», kritisierte der Verbandspräsident Rainer Holznagel bei der Vorstellung des Schwarzbuchs.

Manche der aufgeführten Beispiele sind skurril, andere sind überrissene Prestigeprojekte, wieder andere zeugen von drastischen Kostenüberschreitungen laufender Projekte. Fast schon in die Kategorie Schildbürgerstreich fällt ein Fall aus der hessischen Gemeinde Egelsbach: Im Rahmen des Baus eines Radschnellwegs zwischen Darmstadt und Frankfurt wurde dort ein Kreisverkehr errichtet, den Linienbusse als Wendemöglichkeit nutzen sollten. Der Neubau des Kreisels kostete 125 000 Euro, wovon 80 Prozent das Land Hessen und 20 Prozent die Gemeinde Egelsbach trugen.

Nur fiel das Bauwerk viel zu klein aus. Statt des von der Gemeinde berechneten Durchmessers von 22 Metern hatte es nur einen solchen von 17 Metern. Erst nach der Fertigstellung fiel auf, dass der Kreisel damit für Busse nur schlecht befahrbar ist. Als endlich auch der Busbetreiber beigezogen wurde, stellte sich zudem heraus, dass für grosse Busse sogar ein Durchmesser von 24 Metern nötig wäre. Ursache der Fehlplanungen sollen Kommunikationsprobleme zwischen den beteiligten Stellen sowie Personalwechsel und damit vorübergehend fehlendes Personal gewesen sein.

Zur Behebung des Missstands soll nun nicht der Kreisel vergrössert, sondern ein Bypass gebaut sowie auf der anderen Seite des Kreisels der Strassenraum vergrössert und Gehwege verlegt werden. Die Umbaukosten werden auf 75 000 Euro beziffert. Damit koste der Umbau aber nur 7000 Euro mehr, als wenn diese Lösung bereits bei der ursprünglichen Planung berücksichtigt worden wäre, zitiert der Steuerzahlerbund die Gemeinde. Diese zusätzliche Summe wolle das zu Beginn beauftragte Planungsbüro übernehmen.

Lichtspiel an der Spree

Mit vorgesehenen Nettokosten von rund 1,2 Millionen Euro deutlich teurer war eine politische Video- und Lichtshow vor dem Bundestag in Berlin, die der Verein für gleich doppelt verschwenderisch hält: finanziell und energetisch. Während das Bundeswirtschaftsministerium die Bürger zum kürzeren Duschen und zum Kochen mit Deckel auf dem Topf aufrufe, habe sich ein Teil des Berliner Regierungsviertels allabendlich in eine Lichtspielbühne verwandelt, schreibt er.

Vom 3. Juli bis am 3. Oktober wurde die Fassade des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, eines Gebäudes des Bundestags direkt an der Spree, für eine Licht- und Tonprojektion zur Geschichte des deutschen Parlamentarismus genutzt, mit zwei je rund halbstündigen Vorführungen pro Tag. Die Steuerzahlerlobby räumt ein, dass es Politik und Demokratie nicht zum Nulltarif gebe und man auch immer wieder für die parlamentarische Demokratie werben müsse. In Anbetracht von Rekordschulden des Bundes und Energiesparappellen an die Bürger wirke eine solche Film- und Lichtshow auf Kosten der Steuerzahler jedoch «aus der Zeit gefallen».

Sie können dem Berliner Wirtschaftskorrespondenten René Höltschi auf Twitter folgen.

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