Die Pflege von sozialen Netzwerken ist kein Nebenjob

Vor allem junge Kunden lassen sich zunehmend nur noch via Instagram oder Facebook erreichen. Der Umgang mit sozialen Netzwerken ist jedoch aufwendig und verlangt in vielen Firmen nach neuen Abläufen.

Dominik Feldges
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Ein wichtiger Grund dafür, dass viele KMU noch vor der aktiven Bewirtschaftung sozialer Netzwerke zurückschrecken, dürfte der grosse personelle und finanzielle Aufwand sein. (Bild: Regis Duvignau / Reuters)

Ein wichtiger Grund dafür, dass viele KMU noch vor der aktiven Bewirtschaftung sozialer Netzwerke zurückschrecken, dürfte der grosse personelle und finanzielle Aufwand sein. (Bild: Regis Duvignau / Reuters)

Ohne Smartphone scheint im heutigen Alltag nichts mehr zu gehen. Amerikaner konsultieren ihr Gerät laut einer letztjährigen Befragung, deren Ergebnis auch für die Schweiz Gültigkeit haben dürfte, im Durchschnitt alle zwölf Minuten am Tag. Wie Branchenexperten erklären, stehen bei der Smartphone-Nutzung zwei Aktivitäten im Vordergrund: das Abrufen von Informationen über Suchmaschinen sowie der Empfang und der Versand von Botschaften via soziale Netzwerke.

Eine Aufgabe für Profis

Angesichts solcher Gewohnheiten erscheint klar, dass Unternehmen in ihrer Tätigkeit weder um Google noch um soziale Netzwerke wie Facebook, Youtube oder Instagram herumkommen. Doch während die Optimierung der Präsenz auf Suchmaschinen inzwischen selbst bei kleinen und mittelgrossen Firmen Usanz ist, macht der Social-Media-Experte Raphael Bienz die Erfahrung, dass meist erst Grossunternehmen Kunden via Facebook oder Twitter direkt anzusprechen versuchen. Bienz ist Chef der auf digitale Werbe- und Marketingstrategien spezialisierten Kommunikationsagentur Blue Glass mit Sitz in Zürich.

Ein wichtiger Grund dafür, dass viele KMU noch vor der aktiven Bewirtschaftung sozialer Netzwerke zurückschrecken, dürfte der grosse personelle und finanzielle Aufwand sein. Laut Bienz sind selbst bei einem beschränkten Einsatz mindestens 30 Stellenprozente notwendig, wobei die Aufgaben zwingend von einer im Unternehmen gut vernetzten Fachperson mit Erfahrung im Marketing- oder im Kommunikationsbereich zu erledigen sind. Die Bewirtschaftung eines Facebook- oder Twitter-Profils der Nichte des Patrons oder beiläufig dem Sekretariat zu übertragen, sei nicht zielführend, sagt der Kommunikationsprofi.

Die Anforderungen an Social-Media-Beauftragte scheinen ohnehin ziemlich hoch zu sein. Beim Versicherer Allianz Suisse, der schon länger auf den vier Kanälen Facebook, Instagram, Linkedin und Twitter aktiv ist, streicht man gleich wie bei Blue Glass heraus, dass Empathie eine zentrale Voraussetzung sei. Nur wer sich in die Situation von Kunden, Lieferanten oder anderen Ansprechpersonen versetzen könne, sei in der Lage, zuzuhören und auf eine für beide Seiten akzeptable Lösung hinzuarbeiten. Nicht selten dienen soziale Netzwerke Kunden nämlich als Blitzableiter. Corina Brunner, die bei Allianz Suisse als Social-Media-Managerin arbeitet, freut sich, dass sie schon dazu beitragen konnte, einem Kunden, der bei der Deckung eines Schadenfalls zunächst leer ausgegangen war, zu einem Happy End zu verhelfen. Der Versicherte, der sich via soziale Netzwerke zunächst bitter über seine Erfahrung beklagt hatte, äusserte sich anschliessend umso zufriedener. Die Firma Allianz Suisse konnte sich eines positiven Werbeeffekts sicher sein.

Laut Hans Peter Nehmer, der für die gesamte Unternehmenskommunikation des Versicherers verantwortlich zeichnet, müssen Reklamationen und andere Anfragen, die via soziale Netzwerke eintreffen, mit hoher Geschwindigkeit beantwortet werden. «Beim Einsatz dieser superschnellen Medien hat niemand Geduld, drei Tage auf eine Antwort zu warten», sagt der Firmensprecher. Nach seiner Einschätzung ist es auch unabdingbar, dass ein Social-Media-Verantwortlicher intern die nötige Vernetzung besitzt, um rasch weitere Stellen für die Bearbeitung eines Falls aufbieten zu können.

Social-Media-Managerin Brunner ist zwar erst 29 Jahre alt, doch fungiert die Absolventin der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur auch als Ausbildungsverantwortliche in Sachen Twitter oder Facebook. Dabei zeigt sie Betriebsangehörigen bis auf Stufe Geschäftsleitung, wie man beispielsweise Nachrichten teilt, oder klärt darüber auf, welche unangenehmen Auswirkungen unbedarfte Äusserungen in sozialen Netzwerken (Stichwort «Shitstorm») haben können.

Bei Allianz Suisse vertritt man den Standpunkt, dass im Einsatz von sozialen Netzwerken nicht mehr der – in der Unternehmenskommunikation noch immer vielerorts gebräuchliche – Ansatz der einheitlichen Stimme («one voice») gelte. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen werden vielmehr dazu ermuntert, sich als Vertreter der Firma auf sozialen Netzwerken zu äussern. Restriktionen gibt es nur wenige. So sollen keine politischen Meinungen verbreitet werden, und die besprochenen Themen müssen in irgendeiner Form mit der Tätigkeit des Versicherers verbunden sein.

Individuen sind authentischer

Nach Ansicht von Branchenexperten geniessen individuelle Stimmen unter Empfängern von Social-Media-Botschaften deutlich mehr Glaubwürdigkeit als weitgehend anonyme Absender wie Pressestellen von Firmen. Berater Bienz weist darauf hin, dass der amerikanische Unternehmer Elon Musk bei Twitter über 22 Mio. Follower habe, die von ihm kontrollierten Gesellschaften wie Tesla oder SpaceX zusammengerechnet dagegen nur rund 10 Mio.

Wie der Agenturleiter hinzufügt, braucht ein Unternehmen seine Botschaften indes auch an den Mann und die Frau zu bringen. Dass sich Nachrichten wie von selbst verbreiteten, sofern sie nur relevant genug seien, gelte schon lange nicht mehr. Bienz empfiehlt denn auch KMU, mindestens 1000 Fr. pro Monat bereitzustellen, um Botschaften professionell aufzubereiten und sie via Facebook und andere Kanäle an geeignete Empfänger zu senden.

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