Das Erdölkartell drosselt die Produktion, und der Ölpreis fällt trotzdem: Vor dem Treffen der Petrostaaten steigt die Nervosität

Es ist ein ungewöhnlicher Schritt: Die Opec hat einige wichtige Medien nicht zum Treffen der Erdölstaaten eingeladen. Der Ärger Saudiarabiens sollte sich aber vielmehr gegen einen Partner richten.

Gerald Hosp 3 min
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Scharfzüngig und dünnhäutig: Saudiarabiens Erdölminister Abdelaziz bin Salman soll hinter der Ausladung einiger Medien stecken.

Scharfzüngig und dünnhäutig: Saudiarabiens Erdölminister Abdelaziz bin Salman soll hinter der Ausladung einiger Medien stecken.

Ahmed Yosri / Reuters

Die Treffen der Organisation erdölexportierender Länder (Opec), an denen über die Fördermengen des Erdölkartells entschieden wird, und die Berichterstattung darüber sind berüchtigt dafür, zuweilen chaotisch und unberechenbar zu sein. So warten im Vorfeld Journalistinnen und Journalisten in Hotellobbys auf Erdölminister oder gehen mit diesen gar auf eine Joggingtour, um eine Wortspende zur bevorstehenden Entscheidung zu ergattern.

Preis fällt trotz Kürzungen

Wenn sich die Opec mit weiteren Petrostaaten, die von Russland angeführt werden, am kommenden Sonntag trifft, könnte die Hektik und Aufregung sogar grösser als üblich sein – obwohl weniger Medien vertreten sind. Offenbar hat die Opec grosse internationale Medien wie die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg sowie Fachjournalisten des «Wall Street Journal» nicht zum Treffen der Organisation in der Zentrale in Wien eingeladen.

Andere Medien hingegen, die ebenso regelmässig von den Verhandlungen berichten, haben eine entsprechende Einladung erhalten. Der Schritt, Medien auszuschliessen, ist für die Opec ungewöhnlich. Laut Spekulationen steckt der Erdölminister Saudiarabiens, Abdelaziz bin Salman, hinter dem Manöver. Er ist der Halbbruder von Kronprinz Mohammed bin Salman, dem starken Mann des Königreichs.

Der saudische Erdölminister erwies sich an früheren Medienkonferenzen als scharfzüngig, aber auch als dünnhäutig, wenn es um Kritik ging. Derzeit verläuft der Kurs des Rohölpreises nicht nach dem Gusto Saudiarabiens. Gemeinsam mit Russland dominiert der Wüstenstaat die Gruppe Opec+, den Zusammenschluss der Opec mit weiteren Petrostaaten. Seit Oktober vergangenen Jahres drosselten die Mitglieder von Opec+ bereits deutlich die Förderung um 2 Millionen Fass pro Tag, was rund 2 Prozent der weltweiten Nachfrage ist. Die Erdölländer wollten damit den Erdölpreis in die Höhe treiben.

Im April kam es zudem zur überraschenden Ankündigung, dass die Petrostaaten die Produktion ab Mai um weitere 1,2 Millionen Fass kürzen würden. Zudem hatte bereits Russland von einer Drosselung von 500 000 Fass pro Tag gesprochen – als Reaktion des Kremls auf die westlichen Sanktionen im Erdölbereich. Nur: Der Preis für die Nordsee-Erdölsorte Brent ist im April und im Mai gefallen, wobei am Freitag der Preis wieder etwas auf rund 76 Dollar je Fass anzog, was immer noch ein Wert nahe an der niedrigsten Notierung seit 2021 ist.

Russland mit Fragezeichen

Prinz Abdelaziz bin Salman stiess vor wenigen Tagen auch eine Warnung in Richtung Spekulanten am Erdölmarkt aus. Diejenigen, die auf fallende Preise setzten, sollten aufpassen, meinte er. Saudiarabien, das auf einen hohen Erdölpreis angewiesen ist, um seine ambitiösen Projekte zu finanzieren, versuchte den Ölpreis zumindest rhetorisch in die Höhe zu schrauben, was nicht klappte. Zu gross ist derzeit die Furcht vor einer Abkühlung der Weltwirtschaft.

Die Petrostaaten befinden sich in einer Zwickmühle, in die sie sich selbst gebracht haben. Wenn es am Wochenende zu keiner weiteren Drosselung kommt, könnten die Wetten auf sinkende Preise tatsächlich zu einer Schwächung des Erdölpreises führen. Sollte Opec+ die Produktion kürzen, könnte dies auch als ein Hinweis auf eine schwächere Nachfrage gewertet werden.

Eine grosse Zahl an Beobachtern geht aber davon aus, dass die Petrostaaten nichts machen werden. Zunächst sind die zusätzlichen Kürzungen noch nicht lange in Kraft. Ausserdem wird damit gerechnet, dass in der zweiten Jahreshälfte die Nachfrage das Angebot um bis zu 2 Millionen Fass übersteigen könnte, zumal auch die Erdöllager derzeit in den westlichen Ländern relativ gering gefüllt sind.

Der Ärger, der sich gegen Medien und Spekulanten richtet, ist aber wohl auch eine Ersatzhandlung. Das grösste Problem für Saudiarabien ist derzeit, dass unklar ist, wie sehr Russland tatsächlich seiner Ankündigung nachkommt, die Förderung zu drosseln. Es schwirren unterschiedliche Zahlen dazu herum. Mitte Mai schrieb die Internationale Energie-Agentur (IEA), dass Russland den Worten keine Taten habe folgen lassen. Möglicherweise erhöhte Moskau die Exportmengen, um Einnahmenverluste wegen niedriger Preise wettzumachen.

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