Wohnschutzgesetze führen zu einer schlechteren Bausubstanz

Nach Genf zeigen sich jetzt auch in Basel die Folgen des rigiden Mieterschutzes: Es wird kaum mehr renoviert, Neuzuzüger haben es noch schwerer, eine Wohnung zu finden, als zuvor

Pierre Weill 4 min
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Eine Renovation des Daches lohnt sich in Basel nur noch, wenn dieses undicht ist.

Eine Renovation des Daches lohnt sich in Basel nur noch, wenn dieses undicht ist.

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Strenge Wohnschutzgesetze sollen verhindern, dass Mieter aus ihrer gewohnten Umgebung verdrängt werden. Eine entsprechende Initiative im Kanton Zürich lanciert der kantonale Mieterverband zusammen mit Linksparteien. Dabei sollen Gemeinden Renovationen und Umbauten einer speziellen Bewilligungspflicht unterstellen. Zudem können Obergrenzen für Mietzinsen festgesetzt werden.

Mit der Mietzinsbegrenzung nach Renovationen soll der Anreiz für Vermieter entfallen, Mieter auf die Strasse zu stellen, da sie bei Neuvermietungen keine höhere Miete erzielen könnten. Doch fehlt den Vermietern dadurch auch der Anreiz, in die Bausubstanz ihrer Liegenschaft zu investieren. Dies zeigt sich im Kanton Genf, wo in den 1990er Jahren ähnliche Vorschriften erlassen wurden, wie sie die Initiative in Zürich anstrebt – und wie sie letztes Jahr in Basel aufgrund einer Initiative in Kraft traten.

Daniel Steffen, Immobilienwirtschaftsexperte an der Hochschule Luzern sagt: «In Genf ist die Bausubstanz verglichen zur übrigen Schweiz sehr veraltet. Weil sie die Kosten kaum auf die Mieter überwälzen können, renovieren Hausbesitzer nur das Nötigste, was die Bausubstanz vermindert.»

Zudem verschärft sich dadurch das Insider-Outsider-Dilemma. «Die Insider wohnen schon lange in der gleichen Wohnungen und bleiben dort, weil sie sehr günstig sind», sagt Steffen. Dies gelte insbesondere für ältere Personen, die eine kleinere Wohnung möchten, aber in ihrer alten Wohnung bleiben, weil die kleinere, moderne Wohnung teurer wäre.

Dadurch finden Outsider – neu Zugezogene und junge Familien – keine grossen, alten und günstigen Wohnungen. Noch sei es zu früh, um zu beurteilen, ob es in Basel auch zu einer Insider-Outsider-Situation kommen werde, aber es sei nicht unrealistisch, dass es ein ähnliches Problem geben werde, sagt der Dozent.

Beat Leuthardt, ehemaliger Präsident des Basler Mieterverbandes und die treibende Kraft hinter den verschiedenen Wohnschutzinitiativen in Basel, bestreitet nicht, dass sein Augenmerk sich in erster Linie darauf richtet, den Besitzstand von Mietern zu schützen, und nicht auf die Interessen von Wohnungssuchenden.

Wie sich das Wohnschutzgesetz in Basel auswirkt, zeigt sich am Beispiel des Hauseigentümers Karl Linder. Er plante 45 Jahren nach der letzten Sanierung, eine Wohnung für 80 000 Fr. zu renovieren, wie er der «Basler Zeitung» erklärte. Gemäss dem neuen Wohnschutzgesetz musste Linder sein Renovationsvorhaben der Wohnschutzkommission (WSK) vorlegen. Denn der «wertvermehrende» Teil der Investition, der auf die Miete überwälzt werden kann, darf höchstens bei 50% liegen.

Linder plant eine sanfte Renovation, ganz im Sinne des neuen Gesetzes. Die WSK entschied, dass er die Miete für die 3-Zimmer-Wohnung um Fr. 44.30 monatlich auf Fr. 1109.30 erhöhen dürfe. Unter diesen Bedingungen zu renovieren, mache für ihn als Hauseigentümer keinen Sinn, sagt Linder. Die Mietpreiserhöhung würde im Jahr 0,66% der Investition ausmachen. Es würde also 150 Jahre dauern, bis er die Investition von 80 000 Fr. wieder hineingeholt hätte; dabei würde er noch immer keine Rendite erzielt haben.

Der «NZZ am Sonntag» erklärt Linder, dass er die Verfügung ans Appellationsgericht weiterzieht. Als GLP-Politiker wird er auch einen politischen Vorstoss in dieser Sache lancieren.

Für Sebastian Zollinger, Leiter Immobilienberatung bei PwC, ist das Ausbleiben von Sanierungen für die ökologische Nachhaltigkeit sehr negativ.

Das bestätigt auch Fabrice Lanz, Leiter Immobilienkunden Nordwestschweiz Basler Kantonalbank (BKB): «Bis 2037 muss Basel seine CO2-Emissionen auf null reduzieren. Netto null rückt in weite Ferne, da nicht saniert wird.»

Denn seit das Wohnschutzgesetz gilt, gingen die Anfragen für Hypotheken und die Zahl gesprochener Hypotheken für Sanierungen bei der BKB massiv zurück. «Wir sprechen von einem Rückgang von 70 bis 80% der gesprochenen Hypotheken für Sanierungen von Renditeliegenschaften», sagt Lanz.

Natürlich spielen auch andere Faktoren wie gestiegene Baupreise und höhere Hypothekarzinsen eine bedeutende Rolle, dass die Anzahl Sanierungen rückläufig ist. Auch zogen einige Kunden Sanierungen vor, so dass sie vom neuen Gesetz nicht betroffen waren. Aber dies ist dennoch eine beeindruckende Zahl. Für alle Experten ist klar, dass die Qualität der Liegenschaften sinken wird, wenn Sanierungen ausbleiben.

Mit welchen Problemen Unternehmen zu kämpfen haben, erklärt Alfio Frisina, Geschäftsleiter von Frisina Art Design Architecture: «Der Mieterverband hat bei allen unseren Projekten in Basel-Stadt Einsprachen erhoben, obwohl diese vor dem Inkrafttreten des Mieterschutzgesetzes eingereicht worden sind.»

Der Unternehmer weist auch auf eine Folge dieser Situation hin: «Sämtliche uns bekannten Handwerkerfirmen verzeichnen in Basel einen markanten Rückgang an Aufträgen. Speziell die Wohnungssanierungen, wie Küchen und Bäder, gehen massiv zurück. Dies belastet die kleinen und mittleren Handwerksbetriebe stark. Wir mussten unser Personal aufgrund der Einsprachen um die Hälfte reduzieren.»

Gemäss dem Präsidialdepartment Basel-Stadt ist es noch zu früh, um einen «ursächlichen oder abschliessenden Zusammenhang mit der Anzahl Baugesuche herstellen zu können». Gemäss dem Stadtentwickler Lukas Ott wurden bisher 32 Gesuche für Umbau, Renovation oder Sanierung eingereicht, die der Wohnschutzkommission vorgelegt werden müssen. Für eine Stadt wie Basel sind das sehr wenig neue Baugesuche.

Weder die Initianten des Mieterschutzes in Zürich noch jene in Basel scheinen daran interessiert, das Angebot an Wohnungen auszubauen. Dabei würden mehr Wohnungen auf dem Markt gemäss dem Gesetz von Nachfrage und Angebot Druck auf die Mietpreise erzeugen.

Daniel Steffen von der Hochschule Luzern rät: «Anstatt Investitionen unattraktiv zu machen, sollte vermehrt der Wohnungsbau gefördert und vereinfacht werden, damit das Angebot steigt und die wachsende Nachfrage nach Wohnungen ausgleichen kann. Dies würde die Mietpreise reduzieren.»

NZZ am Sonntag, Wirtschaft

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