Korallen suchen neue Lebensräume – weg vom Äquator, hin zu den Subtropen

Durch die Wärme wird es für die farbenfrohen Meeresorganismen in den Tropen eher ungemütlich. Beobachtungen seit 1974 zeigen eine Tendenz zur Verlagerung der Habitate.

Sven Titz
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Korallen mögen es nicht heiss. Gemäss einer Studie haben sie bei ihrer Siedlungsaktivität bereits auf die Erwärmung der Ozeane reagiert. Darauf deuten Beobachtungen der Jahre 1974 bis 2012 hin, bei denen erfasst wurde, wie oft sich in verschiedenen Riffen Korallenlarven niederliessen. Diese Aktivität ist in einem äquatornahen Streifen bis 20 Grad nördlicher und südlicher Breite um 85 Prozent zurückgegangen. Ausserhalb des tropischen Streifens – also in subtropischen Gewässern – wurde ein Zuwachs um 78 Prozent beobachtet. Das schreibt eine internationale Gruppe um Nichole Price vom Bigelow Laboratory for Ocean Sciences in East Boothbay im US-Gliedstaat Maine in der Fachzeitschrift «Marine Ecology Progress Series».

Die Forscher haben aus bereits vorliegenden Beobachtungen von Korallen an 28 Orten im Pazifik, im Atlantik und im Indischen Ozean eine neue Datenbank erstellt. Seit dem Jahr 1974 wird die Ansiedlungsaktivität von Korallen regelmässig aufgezeichnet. Man verwendet dazu spezielle Platten, die aus Keramik, Plastik oder Kalkgestein bestehen und meistens die Grösse von Kacheln haben. Die Wissenschafter zählen jeweils, wie viele junge Korallen sich auf den Platten niederlassen.

Im Palmyra Atoll National Wildlife Refuge südlich von Hawaii wird abgezählt, wie viele Babykorallen sich auf künstlichen Platten ansiedeln. (Bild: Nichole Price / Bigelow Laboratory for Ocean Sciences)

Im Palmyra Atoll National Wildlife Refuge südlich von Hawaii wird abgezählt, wie viele Babykorallen sich auf künstlichen Platten ansiedeln. (Bild: Nichole Price / Bigelow Laboratory for Ocean Sciences)

«Der Klimawandel scheint zu einer Umverteilung der Korallenriffe zu führen, ähnlich, wie er viele andere marine Spezies verschiebt», sagte Price gemäss einer Pressemitteilung. Während die Lebensbedingungen in den Tropen für viele Korallen wegen grosser Wärme immer ungünstiger werden, eröffnen sich neue Möglichkeiten der Ansiedlung fern des Äquators, wo die Wassertemperaturen allmählich erst in den optimalen Bereich klettern. Möglicherweise, so schreiben die Autoren der Studie, liegen die günstigsten Lebensräume für die Korallen schon in wenigen Jahren jenseits von 20 Grad nördlicher und südlicher Breite.

Verschiebung des Lebensraums

Für die Neuansiedlung infrage kommen zum Beispiel die Gebiete warmer Strömungen – darunter der Golfstrom, der Kuroshio vor Japan und der Meeresstrom vor Ostaustralien. Die Forscher geben allerdings zu bedenken, dass nur bestimmte Korallentypen die neuen Ansiedlungsorte erreichen dürften. Korallenlarven können nämlich unterschiedlich weit schwimmen und driften, bevor ihnen die Fettreserven ausgehen.

Eine Verschiebung der geografischen Korallenvorkommen, die mit Klimaveränderungen verknüpft war, hat es gemäss früheren Studien auch in den vergangenen 10 000 bis 60 000 Jahren gegeben.

Auch der Säuregrad des Wassers beeinflusst das Gedeihen der Korallen. (Bild: Nichole Price / Bigelow Laboratory for Ocean Sciences)

Auch der Säuregrad des Wassers beeinflusst das Gedeihen der Korallen. (Bild: Nichole Price / Bigelow Laboratory for Ocean Sciences)

Wie Korallen gedeihen, hängt allerdings nicht nur von der Meerestemperatur ab. Auch der Säuregrad des Wassers und der Lichteinfall beeinflussen ihr Wachstum. Weil das Meer in höheren Breiten generell weniger alkalisch ist und weil dort weniger Licht zur Verfügung steht, sind die Bedingungen für Korallen in jenen Regionen ungünstiger.

Berücksichtigt man den Erwärmungstrend zusammen mit dem Trend zur Versauerung des Meers durch die CO2-Aufnahme, kann das gemäss den Autoren bedeuten, dass die Korallen in Zukunft zwischen zwei Regionen eingeklemmt sein werden: In den Tropen ist die Temperatur dann zu hoch, und in den höheren Breitengraden der Subtropen ist das Wasser dann nicht mehr alkalisch genug.